Zeitreise ins Geiseltal

Ausstellung »Elefantenreich - Eine Fossilwelt in Europa« in Halle eröffnet

Ausgestorbene Giganten stehen im Mittelpunkt der neuen Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle: die Eurasischen Altelefanten, die vor 200.000 Jahren in unseren Breiten heimisch waren. Im Braunkohletagebau von Neumark-Nord kamen ihre Knochen zum Vorschein, die von den Sedimenten eines verlandeten Sees eingebettet worden waren. Die Präsentation der Ergebnisse der jahrelangen Erforschung dieser weltweit bedeutendsten Fundstelle des Elephas antiquus ist alles andere als knochentrocken - in Halle wird ein äußerst lebendiges Bild der damaligen Umwelt gezeigt.

Nachrichten durchblättern
elephas antiquus
Eurasische Altelefanten (Elephas antiquus) © Zeichnung Karol Schauer

Ein riesiges Exemplar eines Eurasischen Altelefanten begrüßt den Besucher im Atrium des Landesmuseums. Es handelt sich um die lebensgroße Rekonstruktion von "E9", einem stattlichen Elefantenbullen von etwa 50 Jahren mit einer Schulterhöhe von 3,80 m und einem Lebendgewicht von etwa zehn Tonnen. Heutige afrikanische Elefanten wirken im Vergleich geradezu klein.

Die urzeitlichen Giganten lebten vor ca. 200.000 Jahren an einem ausschließlich aus Niederschlägen gespeisten See, der später verlandete. Ihre sterblichen Überreste wurden schnell von Sedimenten bedeckt und so außgewöhnlich gut konserviert. Erst 1985 kamen sie im Braunkohletagebau von Neumark-Nord wieder ans Tageslicht. Buchstäblich im Wettlauf mit dem Schaufelradbagger wurden die Funde von Prof. Dr. Dietrich Mania zusammen mit seiner Frau und Mitarbeitern geborgen. Unter den Funden waren neben den Skeletten von Elephas antiquus auch Reste zahlreicher anderer Tier- und Pflanzenarten, die das vorzeitliche Seebiotop bevölkerten. Die Vielfalt in Flora und Fauna, der Erhaltungszustand der Funde und die schiere Anzahl der überlieferten Pflanzen- und Tierreste machen Neumark-Nord zu einer weltweit einzigartigen Fundstelle.

In Neumark-Nord haben sich die Skelette der Elefanten über Jahrhunderte im Uferbereich eines Sees angesammelt. Dieser erstreckte sich zur Zeit seiner größten Ausdehnung über eine Fläche von ca. 400 x 600 m bei einer Tiefe von maximal nur 5 m. Er bestand insgesamt über einen Zeitraum von ca. 11.000 Jahren. Der See erlebte mehrere Phasen, in denen er verlandete oder stark zurückwich, wodurch sich breite, flache Uferbereiche bildeten. In diesen Bereichen entstanden während der kontinuierlichen Verfüllung Erhaltungsbedingungen für die Pflanzen und dort verendeten Tiere, die im Vergleich zu anderen Fundplätzen hervorragend sind. Insgesamt haben sich Reste von über 200 Pflanzenarten erhalten, die es erlauben, die klimatischen Bedingungen und das Landschaftsbild vor fast 200.000 Jahren detailgetreu zu rekonstruieren. Die mittlere Jahrestemperatur lag um zwei bis vier Grad höher als heute, wodurch ein subkontinental geprägtes Warmzeitklima herrschte. Relativ lichte Wälder durchsetzten ansonsten überwiegend steppenartige Landschaften. Besonders in den Uferzonen des Sees von Neumark-Nord kamen zahlreiche Pflanzen vor, die den hohen Salzgehalt hier anzeigen, der vielleicht mehr noch als das Wasser allein viele Tiere angelockt haben dürfte. Neben den Eurasischen Altelefanten fand man Überreste von drei Nashornarten, dem Wald-, Steppen- und Wollhaarnashorn, die alle in der Ausstellung zu sehen sind. Besonders zahlreich vertreten war der Damhirsch. Zudem kamen beispielsweise auch Auerochse und Wildpferd vor. An Raubtieren war der See von Neumark-Nord ebenfalls nicht arm – Bären, Höhlenhyänen und Höhlenlöwen umstreiften seine Ufer. Neben diesen Tieren, die wir heute überwiegend nicht mehr in Mitteleuropa erwarten würden, bevölkerten aber auch schon Fuchs, Dachs, verschiedene Mäuse und Gänse, Schwäne und Enten den See und seine Umgebung. Werkzeuge und Holzkohlereste belegen die Anwesenheit des frühen Menschen, der zur Jagd hierher kam. In der Ausstellung wird dieser Bereich durch prominente Leihgaben hervorgehoben: durch die Lanze von Lehringen, die bei einer Elefantenjagd benutzt wurde, und frühmenschliche Schädelreste aus Weimar-Ehringsdorf.

Die Rolle des Menschen beim Verschwinden der Altelefanten wird in der Forschung diskutiert. In welchem Umfang wurden diese Großsäuger bejagt und welchen Einfluss hatte dies auf die Population? Starb der Altelefant aus oder kehrte er einfach nicht mehr zurück, als der moderne Mensch in Europa zu dominant geworden war? Zu Beginn der Weichsel-Eiszeit, vor rund 100.000 Jahren, verschwand Elephas antiquus aus Mitteleuropa.
In einigen wärmeren Gegenden, z.B. in Europa südlich der Alpen, überlebte er noch bis ca. 40.000 vor heute. Ein Nachkomme des Eurasischen Altelefanten in Zwergform, der Elephas falconeri, der auch in der Ausstellung vertreten ist, existierte sogar noch bis in das vierte Jahrtausend vor heute auf einigen Mittelmeerinseln.

Die neue Sonderausstellung in Halle läßt die untergegange Welt der Urzeitgiganten mit Modellen, Bildern und Filmen wieder lebendig und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar werden: das Anfassen des Riesenelefanten im Atrium ist ausdrücklich erlaubt.

Altelefantenbullenschädel
Schädel des Altelefantenbullen »E9« mit eingepassten Stoßzähnen. Foto: Andreas Brunn
Dama dama geiselana
Skelett des Holotyps der Damhirschunterart Dama dama geiselana aus Neumark-Nord, für die Ausstellung in Fluchthaltung ausgelegt und montiert. © LDA Sachsen-Anhalt, Foto: Juraj Lipták.
Steinwerkzeuge
Verschiedene Steinwerkzeuge und Schlagstein (Mitte) aus Neumark-Nord. © LDA Sachsen-Anhalt, Foto: Juraj Lipták.