Von den Karolingern bis zum Zweiten Weltkrieg

LWL-Archäologen finden Querschnitt durch die Geschichte Dülmens

Tief in die Ursprünge der Stadt Dülmen dringen aktuell die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) vor. Was in der Erde beim Bau des Intergenerativen Zentrums zu Tage kommt, reicht von überraschenden Zeugnissen aus dem 9. und 10. Jahrhundert bis in das 20. Jahrhundert hinein. Einige Kapitel der Stadtchronik können schon jetzt ein wenig umgeschrieben werden. Andere werden durch die archäologischen Funde und Befunde bereichert und ergänzt.

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Apothekerfläschchen
Diese kleinen Apothekerfläschchen stammen aus der Verfüllung eines barocken Kellerschachtes. (Foto: LWL/Brentführer)

Im Boden unter dem Bauprojekt, das die Stadt Dülmen und die katholische Kirchengemeinde St. Viktor im Zentrum der Stadt realisieren, liegen auf dem "Dülmener Gründungshügel" auf einer Fläche von über 3.000 Quadratmetern im Norden der Kirche St. Viktor und östlich des Rathauses die Wurzeln der Stadtgründung verborgen.

Für den Laien mutet die gefundene mittelalterliche Keramik mit schlichten Rändern und aus uneinheitlich gebranntem Ton wenig spektakulär an. Die Gefäße haben Töpfer jedoch bereits im frühen und späten Mittelalter hergestellt.

Nicht nur diese Funde sind der bislang früheste Nachweis für eine Besiedlung des Dülmener "Gründungshügels". Die Archäologen um den Grabungsleiter Dr. Gerard Jentgens haben zudem die Überreste eines Ofens für die Buntmetallverarbeitung entdeckt. Der Ofen war im späten 9. und frühen 10. Jahrhundert in Betrieb. Hiervon zeugen zahlreiche Bronzereste und Bruchstücke der Ofenwandung. Damit kann erstmals für Dülmen auch frühe Buntmetallverarbeitung nachgewiesen werden. Das wiederum unterstreicht die herrschaftliche Bedeutung des frühmittelalterlichen Hofes. "Damit haben wir einen ersten handfesten Beleg für die bisher nur vermutete Existenz eines frühmittelalterlichen Haupthofes in der Nähe", erläutert LWL-Archäologe Dr. Hans-Werner Peine.

Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob sich diese ersten Hinweise auf den Dülmener Haupthof untermauern lassen. In den Schriftquellen wird erst für das Jahr 1137 ein Haupthof in bischöflichem Besitz erwähnt, die Curtis Dulmene, später auch als Richthof bezeichnet, nordöstlich von St. Viktor auf dem Bült. Die aktuellen Funde werfen auch die Frage auf, ob Pfarrei und Kirche St. Viktor schon um 800 oder erst im 11. Jahrhundert entstanden sind.

"Das Baugeschehen erlaubte bislang nur eine Untersuchung von etwa 15 Prozent des gesamten Bauareals", so Jentgens. "Die Ergebnisse sind für die LWL-Archäologie für Westfalen jedoch schon jetzt sehr wertvoll." So kamen auf der Grabungsfläche im ehemaligen Pfarrgarten östlich des Rathauses die Mauern von mehreren Gebäuden aus der Zeit der Renaissance oder des Barock ans Tageslicht. Die Spuren von gewaltigen Kaminanlagen, teils aufwendig mit Tonfliesen belegten Fußböden oder auch die Reste von verzierten Sandsteinbauteilen weisen auf eine repräsentative Architektur der Gebäude hin.

Sogar Vorräte fanden die Ausgräber im Boden eines Kellers - darunter unversehrte Schalen aus roter Irdenware mit Innenglasur und Bemalung oder mundgeblasene kleine Arzneifläschchen. Der Keller wurde um 1748 verfüllt, wie ein in Münster geprägter Silber-Schilling verdeutlicht. An anderer Stelle dokumentierten die Forscher Keller einer spätmittelalterlichen Bebauung.

Vorbereitende Kanalbaumaßnahmen ermöglichten wiederum archäologische Einblicke in Teilbereiche des Friedhofs des ehemaligen Kirchhofes von St. Viktor. Dabei sind gleich mehrere der in Westfalen seltenen Totenkronen gefunden worden. Diese filigranen, aus feinen Drähten und Perlen gefertigten sowie mit floralen Motiven verzierten Kronen wurden im 18. und 19. Jahrhundert vorwiegend Unverheirateten beiderlei Geschlechts mit ins Grab gegeben. Totenkronen wurden in den östlichen Bundesländern auch als Schmuck für die Innenräume evangelischer Kirchen verwendet. Sie sind daher interessante Zeugen bei der Frage der Konfessionalisierung der Bestattungsriten in der Zeit nach der Reformation.

Die Archäologen untersuchten auch die Reste der Randbebauung des Friedhofs. Dazu gehörten Keller von Häusern, die den Bombardements des 2. Weltkrieges zum Opfer fielen. Hier waren noch Eingemachtes und sogar eine Kiste Champagner eingelagert - Zeugen einer offenbar in großer Eile bewältigten Flucht.

Präsentation

Die schönsten archäologischen Funde werden ab dem 17. September in einer Vitrine zu sehen sein, die im Bürgerbüro der Stadt Dülmen aufgestellt wird. Der LWL und die Stadt Dülmen bieten außerdem am Samstag, 26. September um 14 Uhr eine Denkmaltour über das Ausgrabungsgelände an. Bei großem Interesse findet um 15 Uhr eine zweite Führung unter der Leitung von Dr. Gerard Jentgens vom LWL und Kirsten Apke-Lobmeyer von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Dülmen statt. Anmeldungen nimmt Kirsten Apke-Lobmeyer unter Telefon 02594 12-640 entgegen.

Überreste eines Ofens
Überreste eines Ofens aus dem späten 9./frühen 10. Jahrhundert. (Foto: LWL/Jentgens)
Viel Geschichte auf einem Fleck
Viel Geschichte auf einem Fleck: Spätmittelalterliche Gruben, frühneuzeitliche Bebauung mit Kellergewölbe und die Reste eines mittelalterlichen Ofens. (Foto: LWL/Jentgens)