Römerschiff im Praxistest

Forscher schließen Wissenslücken in der römischen Schiffsarchäologie

In einem Experiment auf dem Ratzeburger See bei Hamburg testen Wissenschaftler zur Zeit ein in Originalgröße rekonstruiertes Römerschiff.

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Römerschiff
Der Nachbau des Römerschiffes wird zur Zeit in Ratzeburg getestet. (Foto: LWL)

Der Nachbau ist Teil des Ausstellungsprojekts "Imperium Konflikt Mythos. 2000 Jahre Varusschlacht", das im kommenden Jahr die Varusschlacht (auch bekannt als Schlacht im Teutoburger Wald) auf verschiedene Weise thematisiert.

Wie die römischen Kriegsschiffe aussahen, die das Imperium Romanum vor 2000 Jahren während seiner Eroberungen befehligte, wissen Forscher längst. Bauweisen und -materialien sind ebenfalls bekannt. Welche Geschwindigkeiten solche Schiffe erreichten und welche Fahreigenschaften sie auszeichneten, wollen die Forscher in Ratzeburg herausfinden.

Dazu steuern sie das rekonstruierte Kriegsschiff über das Gewässer nahe der Hansestädte Hamburg und Lübeck. An dem Nachbau des 16 Meter langen und fast drei Meter breiten Schiffes arbeiteten zwei Bootsbauer, drei Lehrlinge und 17 Studierende über ein Jahr. Als Vorlage für den Bau dienten den Konstrukteuren zwei römische Schiffwracks. Sie wurden im Jahr 1986 in der Nähe des Legionslagers bei Oberstimm unweit von Ingolstadt entdeckt und 1994 geborgen.

Startschuss für die Tests

"Jetzt ist die Zeit des Wartens vorbei. Wir können endlich loslegen", freute sich Prof. Dr. Christoph Schäfer vom Institut für Alte Geschichte der Universität Hamburg vor dem Beginn der Testfahrten Mitte April. Schäfer leitete die Gruppe von Geschichtswissenschaftlern, die gemeinsam mit der Werft Jugend in Arbeit e. V. Hamburg-Harburg das vier Tonnen schwere Holzschiff bauten. Auch die Testfahrten stehen unter dem Kommando des erfahrenen Seglers, der schon am Nachbau eines spätantiken Kriegsschiffes in Regensburg beteiligt war.

Im Rahmen des archäologischen Experiments wollen Schäfer und sein Team ermitteln, wie leistungsstark und manövrierfähig das Römerschiff ist. Die zweiwöchigen Tests sollen zu Auskünften über Geschwindigkeiten und Beschleunigungsverhalten führen. "Aus den ermittelten Geschwindigkeiten können wir schließen, welche Strecken solche Schiffe vor 2000 Jahren pro Tag zurücklegen konnten", so Schäfer. Die Manövrierfähigkeit des Wasserfahrzeugs werde sowohl unter Einsatz der 20 Ruderer als auch unter Segel erprobt: "Wir wollen wissen, wie hoch man mit dem Schiff an den Wind gehen kann."

Mittels einer ursprünglich für den America's Cup entwickelten Messeinheit dokumentieren die Forscher die Segeleigenschaften des Römerschiffes. Außerdem wollen die Historiker und Archäologen herausfinden, wie lang es dauert, eine Crew für ein solches Ruderschiff seetauglich zu machen. Von den Antworten auf ihre Fragen erwartet das Team von Wissenschaftlern neue Erkenntnisse über die Etablierung der römischen Herrschaft auf germanischem Boden.

Schiffstaufe am 30. Mai in Hamburg

Nach Abschluss der Testfahrten rudert die Crew das Römerschiff Mitte Mai in Richtung Lübeck. Von dort aus fährt die Mannschaft über den Elbe-Lübeck-Kanal ins 40 Kilometer südlich von Ratzeburg gelegene Lauenburg und dann über die Elbe zur Harburger Werft. In Hamburg findet am 30. Mai die Taufe statt. Bislang fuhr das Schiff unter dem Arbeitstitel "Oberstimm I". Unter neuem Namen setzt es im Frühsommer das Segel.

"Mit der Fertigstellung des frühkaiserlichen Schiffstypus konnten wir eine Lücke in der experimentellen Schiffsarchäologie schließen", sagt Dr. Rudolf Aßkamp, Projektleiter und Chef des LWL-Römermuseums im westfälischen Haltern am See. Nach Abschluss der wissenschaftlichen Untersuchungen soll das Schiff der Öffentlichkeit zugänglich werden. Im Sommer und Herbst steuert es deshalb verschiedene Städte in Deutschland sowie im europäischen Ausland an und bietet dort Archäologie zum Anfassen. Zugleich ist das Römerschiff der Botschafter für ein besonderes Ausstellungsprojekt: "IMPERIUM KONFLIKT MYTHOS. 2000 Jahre Varusschlacht".

Kooperationsprojekt erinnert 2009 an Varusschlacht

Drei Museen an Originalschauplätzen in Haltern, im niedersächsischen Kalkriese und im ostwestfälischen Detmold beleuchten unter diesem Titel ab Mai kommenden Jahres unterschiedliche Facetten des historischen Ereignisses im Jahr 9 nach Christus. Damals wurden der römische Feldherr Varus und seine drei Legionen in der "Schlacht im Teutoburger Wald" von germanischen Kriegern vernichtend geschlagen. Partner des Großprojekts sind der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), die Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH - Museum und Park Kalkriese, der Landesverband Lippe sowie der Kreis Lippe.

Schiff geht auf Reise

Das Römerschiff geht auf seiner Reise zum Beispiel im münsterländischen Rheine (11.-13.7.), in Nijmwegen (22.-24.8.) und in Bonn (29.8.-31.8.) vor Anker. Als weitere Stationen sind unter anderem Magdeburg, Mainz, Ingolstadt und Hannover geplant. Die Termine werden zur Schiffstaufe am 30. Mai in Hamburg bekannt gegeben.

Die Kooperationspartner des Ausstellungsprojektes IMPERIUM KONFLIKT MYTHOS. 2000 Jahre Varusschlacht, die Universität Hamburg sowie die Werft Jugend in Arbeit e.V. haben das über 200.000 Euro teure Schiffsprojekt finanziert. Durch die Zusammenarbeit mit der Werft Jugend in Arbeit e.V., die arbeitslose Jugendliche ausbildet, leistet das Projekt einen Beitrag zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit.

Weitere Informationen: www.imperium-konflikt-mythos.de