Nordrhein-Westfalen als Vorreiter in Sachen Denkmalschutz?

Bei der gestrigen Anhörung im Landtag von NRW hat die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF) zu den umstrittenen Änderungen des Denkmalschutzgesetzes ihre Position bekräftigt: Die Bewahrung des reichen archäologischen und baulichen Erbes in NRW ist eine Verpflichtung der Landespolitik, der Fachbehörden und aller Bürger. Zwistigkeiten dürfen nicht verhindern, dass tragfähige Lösungen gefunden werden. Zu den Hauptpunkten der Gesetzesänderung hat die DGUF den Landtagsabgeordneten Vorschläge gemacht, welche es noch in keinem anderen Bundesland gibt. NRW könnte damit in Sachen Denkmalschutz Vorreiter werden.

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Denkmalschutzgesetz in NRW

Gehören archäologische Funde dem Entdecker oder der Allgemeinheit?

Vor allem zwei Themen sind bei der Renovierung des Denkmalschutzgesetzes umstritten: das Schatzregal und das Verursacherprinzip. Beim Schatzregal geht es um die Frage: Wem gehören zufällige Funde (»Schätze«) wie z. B. steinzeitliche Werkzeuge oder römische Münzen, die man beim Spaziergang von einem Acker aufliest? Bislang teilen sich in NRW Finder und Grundbesitzer den Fund. Münzfreunde und Sondengänger fordern den Fortbestand dieser Regelung, der so genannten Hadrianischen Teilung. Archäologen verlangen jedoch die Einführung des Schatzregals, nach dem alle Funde dem Land gehören. Hauptargument der Wissenschaftler: Archäologisches Kulturgut gehört allen Menschen und darf nicht in den Vitrinen von Privatsammlern verschwinden. Die DGUF sieht das ebenso, weist aber darauf hin, dass nach Einführung eines solchen konventionellen Schatzregals in anderen Ländern viele Funde unterschlagen wurden: Wer weiß, dass er seine Entdeckung abgeben muss, verheimlicht sie vielleicht - das Land würde keine Funde gewinnen, aber das Wissen über Funde verlieren. »Ein solches Schatzregal durchzusetzen, ist in der Praxis kaum möglich«, sagt Dr. Frank Siegmund, stellvertretender Vorsitzender der DGUF.

Die DGUF schlägt zur Lösung dieses Interessenkonflikts einen neuen Weg vor: ein Schatzregal, das zwischen Eigentum und Besitz unterscheidet. Dabei fallen die Entdeckungen in das Eigentum des Landes, können aber im Besitz des Finders und des Grundeigentümers verbleiben (50:50). Allerdings dürfen sie nicht verschenkt, verkauft oder vererbt werden. Damit entfällt das zentrale Motiv für Fundunterschlagungen, und die Wissenschaft würde von mehr entdeckten Funden erfahren, sie erforschen können und sie irgendwann einmal besitzen. Möchte das Land Funde vorzeitig in seinen Besitz bringen, sollte aus Sicht der DGUF verpflichtend ein fairer Finderlohn gezahlt werden. Diese Regelung hätte im Falle ihrer Annahme durch den Gesetzgeber und einer Bewährung in der Praxis einen Modellcharakter auch für alle anderen Bundesländer.

Wer bezahlt die Ausgrabungen: die Steuerzahler oder der Nutznießer?

Zweites zentrales Thema der Debatte um das neue Denkmalschutzgesetz ist das Verursacherprinzip. Mit seiner Einführung müssen diejenigen, die - beispielsweise durch ihre Bautätigkeit - die Zerstörung einer archäologischen Stätte verursachen, zumindest die Kosten für die vorherige wissenschaftliche Ausgrabung und Dokumentation übernehmen. Die Kommunen und Landschaftsverbände sowie die Baudenkmalpfleger und Archäologen begrüßen die Einführung des Verursacherprinzips. Die Vertreter von Haus- und Grundeigentümern, von Investoren und Architekten nehmen das Verursacherprinzip jedoch als Versuch des Landes wahr, Kosten auf Privatpersonen und Investoren abzuwälzen.

Verbessertes Verursacherprinzip spart öffentliche Mittel

Die DGUF möchte beim Verursacherprinzip das Land und die Kommunen finanziell stärker entlasten, indem die Vollkosten der Grabungen inklusive der nötigen Vor- und Nachsorge veranschlagt werden. Im Gegenzug möchte die DGUF den Investoren mehr Planungssicherheit verschaffen, indem ein Höchstanteil an der Investitionssumme fixiert wird, der verlangt werden kann. Sollten notwendige Maßnahmen ausnahmsweise teurer werden, muss das Land dafür einstehen; es gewinnt ja auch die in solchen Fällen meist besonders reichen Funde und Befunde. Die im jetzigen Gesetzentwurf vorgeschlagene Regelung einer Kostenbeteiligung »im Rahmen des Zumutbaren« erscheint der DGUF zu vage und insbesondere für Privatpersonen abschreckend, die wenig Erfahrung in Rechtsdingen haben und sich teure Anwälte nicht leisten können. »Wir wollen mit transparenten Regeln helfen, die Verfahren zu vereinfachen und die soziale Akzeptanz der Archäologie bei den Bürgerinnen und Bürgern zu erhöhen«, sagt Diane Scherzler vom DGUF-Vorstand.

Null Euro Landeszuschüsse für Archäologie und Denkmalpflege?

In einem Punkt waren sich alle Experten bei der Anhörung im Landtag einig: Die Kürzungen der Landesmittel für Archäologie und Baudenkmalpflege bis auf null Euro ab 2015, die gleichzeitig mit der Gesetzesrenovierung für NRW vorgesehen sind, hätten eine verheerende Auswirkung auf das kulturelle Erbe des Landes.