Historische Skelettfunde in Schwäbisch Gmünd

Regierungspräsidium Stuttgart beginnt mit wissenschaftlicher Untersuchung der Funde aus der Reformationszeit

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Archäologische Denkmalpfleger des Regierungspräsidiums Stuttgart haben vor wenigen Tagen durch Ausgrabungen Überreste von mindestens 15 menschlichen Skeletten in Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) gesichert. Bei einem Teil der Skelettfunde könnte es sich ersten Einschätzungen zufolge um sieben zum Tode verurteilte und enthauptete „Wiedertäufer" aus dem Jahr 1529 handeln. Regierungspräsident Johannes Schmalzl zum aktuellen Sachstand: „Die Ausgrabungen sind mittlerweile abgeschlossen. Die Skelettfunde werden nun einer eingehenden anthropologischen Untersuchung durch das Landesamt für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart unterzogen. Erste Ergebnisse werden im Frühjahr/Sommer 2009 erwartet. Eine Bestattung der menschlichen Überreste in Schwäbisch Gmünd in Absprache mit dem Verband der deutschen Mennonitengemeinden ist angedacht."

Im Juni wurde das Regierungspräsidium Stuttgart von der Kriminalpolizei in Schwäbisch Gmünd darüber informiert, dass bei einem privaten Bauvorhaben in der Kiesmühle nördlich des Stadtkerns Skelettreste zum Vorschein gekommen seien. Vor Ort war schnell klar, dass die Funde ein Fall für die Archäologische Denkmalpflege waren. Aufgrund des Bauablaufs vereinbarte man, die in dem Baugelände vermuteten restlichen Skelette zu einem späteren Zeitpunkt zu bergen. In der Zwischenzeit hatte das Stadtarchiv darauf hingewiesen, dass es sich um die Überreste von sieben am 7. Dezember 1529 hingerichtete „unbekehrbare Wiedertäufer" handeln könnte, die im „Remswasen" nach ihrer Enthauptung verscharrt worden waren. Dem Verband deutscher Mennonitengemeinden zufolge bezeugen täuferisch-mennonitische Quellen ebenfalls den damaligen Prozess und die pazifistische, an der Nachfolge Jesu orientierte Grundüberzeugung der Hingerichteten. Aus der Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts entstanden, sehen sich die Mennoniten noch heute in der theologischen Tradition der Täufer. Wolfgang Krauß vom Vorstand des Verbandes deutscher Mennonitengemeinden hält es für nicht völlig ausgeschlossen, dass sich familiäre Linien der namentlich bekannten Hingerichteten finden lassen. Am ehesten könne dies unter der täuferischen Gruppe der Hutterer in Nordamerika der Fall sein.

Leider hat sich die abschließende Gesamtbergung der Skelettfunde aufgrund widriger Umstände erst Ende November/Anfang Dezember verwirklichen lassen. Mitarbeiter der archäologischen Denkmalpflege wurden dabei von Studenten der Anthropologie der Universität Tübingen tatkräftig unterstützt. Zutage getreten sind nun insgesamt Skelettreste von mindestens 15 Personen, wobei zwei „Grabstätten" mit je drei bzw. vier Bestattungen auffielen, sodass man hier unter Umständen die enthaupteten „Wiedertäufer" vermuten kann. Erklären lässt sich die größere Anzahl der Skelettfunde wohl mit dem Namen „Wasen", mit dem dieser Ort bezeichnet wurde. Auf einem Wasen wurden in früheren Jahrhunderten üblicherweise die Hingerichteten und Selbstmörder, aber auch verendetes Vieh verscharrt.

Die Skelettfunde wurden mittlerweile nach Konstanz in die osteologische Arbeitsstelle des Landesamtes für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart verbracht, wo sie zunächst gereinigt und dann präpariert, d.h. so weit wie möglich wieder zusammen gesetzt werden. Anfang Februar beginnt der Anthropologe des Landesamts für Denkmalpflege, Prof. Dr. Wahl, mit der wissenschaftlichen Begutachtung der Knochen. Erste Ergebnisse zum Alter und Geschlecht der Bestatteten können voraussichtlich Ende März oder Anfang April erwartet werden. Im Anschluss daran werden die Knochen vermessen, um die Körperhöhe der Toten zu berechnen, außerdem werden krankhafte sowie eventuell vorhandene traumatische Veränderungen erfasst und dokumentiert. Nicht zuletzt könnten auch Radiokohlenstoffdatierungen (C-14 Methode) zur Altersbestimmung sinnvoll sein.

Als hilfreich für eine Identifizierung der einzelnen Toten könnten sich weitere Indizien zu den Hingerichteten aus den städtischen oder täuferisch-mennonitischen Quellen erweisen, die sich mit dem Knochenbefund abgleichen ließen. Eine absolut zweifelsfreie Identifizierung wäre allerdings nur durch DNA-Untersuchungen möglich. Dies setzt voraus, dass die Knochen noch molekulargenetisch analysierbare Substanzen aufweisen, lebende Nachkommen gefunden werden und eine Finanzierung der Analysen möglich ist. Mit dem Abschluss aller Untersuchungen ist im Herbst 2009 zu rechnen, so dass einer Wiederbestattung der Toten anlässlich ihres 480. Todestages im Dezember 2009 nichts im Wege stehen dürfte.