Hamburger Institut für vor- und frühgeschichtliche Archäologie droht erneut die Schließung

Nachdem in den letzten Jahren bereits die Fächer Ägyptologie, Mesoamerikanistik und Altorientalistik Sparmaßnahmen zum Opfer fielen, sollen nun an der Hamburger Universität weitere kultur- und sprachwissenschaftliche Forschungs- und Studiengänge ersatzlos gestrichen werden.

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Nachdem im vergangenen Jahr das Universitätspräsidium wechselte, wurden neue Sparpläne aufgestellt, die eine Kürzung des Personaletats um weitere 15% bis zum Jahr 2012 vorsehen. Sollten diese Pläne umgesetzt werden, hätte dies für eine Reihe geisteswissenschaftlicher Fächer die ersatzlose Streichung zur Folge. Alternative Vorschläge, die den Erhalt der verbliebenen archäologischen Fächer vorsahen, wurden von der Universitätsleitung als unzureichend abgelehnt.

Zufall oder Kalkül: Die seit 2006 vakante Professur für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie wurde bislang nicht besetzt - ein Problem weniger bei der Umsetzung der Streichlisten.

Bei der geplanten Streichung der Vor- und Frühgeschichte in Hamburg handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Archäologische Fächer werden anscheinend besonders leichten Herzens aus dem Angebot der Universitäten gestrichen, wie zuletzt in Berlin, Rostock oder Gießen zu beobachten. Der Schaden ist immens, denn ein einmal gestrichenes Fach kann nicht so ohne weiteres wieder aufgebaut werden, falls es die wirtschaftliche Situation einmal wieder erlauben sollte.

Das Hamburger Institut protestiert vehement gegen die Streichungspläne. Da auf der Homepage des Instituts allerdings bislang keine diesbezüglichen Informationen veröffentlicht wurden, sei an dieser Stelle der Aufruf zum Protest gegen die Streichung wiedergegeben. Im Folgenden finden Sie auch ein Musterschreiben an die Universitätspräsidentin und andere maßgebliche Stellen.

Nimmt das Fächersterben an der Universität Hamburg überhaupt kein Ende?

Mit Bestürzung und Empörung hören wir, dass an der Hamburger Universität wieder einmal mehr kultur- und sprachwissenschaftliche Forschungs- und Studiengänge ersatzlos gestrichen werden sollen, obwohl diese dem Universitätsstandort Hamburg ein klares und international renommiertes
Profil geben und darüber hinaus in der kulturellen Lebenswelt des Großraums eng vernetzt sind.

Den Sparmaßnahmen der letzten Jahre fielen in der Archäologie bereits die Fächer Ägyptologie, Mesoamerikanistik und Altorientalistik mit dem Versprechen zum Opfer, dass die nunmehr verbleibenden Disziplinen Klassische Archäologie und die bereits 2003 ebenfalls gefährdete Vor-
und Frühgeschichtliche Archäologie auch zukünftig an der Universität Hamburg einen festen Standort hätten. Mit dem Wechsel des Universitätspräsidiums gingen im vergangenen Jahr erneute
Sparforderungen einher. Die zwischen Dekanat und Präsidium geführten Verhandlungen um die von der Fakultät für Geisteswissenschaften geforderten Einsparungen haben sich inzwischen verschärft. Sämtliche vorgeschlagenen Sparprogramme, die den Erhalt der verbliebenen Fächer vorsahen, wurden von der Universitätsleitung als unzureichend abgelehnt. Die Folge ist eine Liste geisteswissenschaftlicher Fächer, die bei Inkrafttreten der geforderten Einsparungen von 15 % des Personaletats bis zum Jahre 2012 ersatzlos gestrichen werden müssten.

Unseres Erachtens ist es unverantwortlich, wenn aufgrund von zufälliger aktueller Stellenvakanz nun derartige strukturelle Entscheidungen getroffen würden. Gerade erst ist es uns trotz der personellen Engpässe gelungen die Studienordnung zu modernisieren. Der Bachelor-Studiengang hat begonnen, die Master-Studienordnung ist konzipiert und eingereicht.
Ermöglicht wurde dies vor allem durch die inzwischen enge Vernetzung des Faches an der Universität mit den archäologischen Einrichtungen im Großraum Hamburg. Durch das Engagement vieler Fachkollegen aus der Bodendenkmalpflege und den umliegenden Museen sowie dem Küstenforschungszentrum Wilhelmshaven ist das Studienangebot in Hamburg heute breit gefächert. 2007 wurde ein Erasmus-Austauschprogramm mit der Universität Lund unter Vertrag gebracht. das sich in einer Gastdozentur und einem im Februar stattfindenden internationalen Keramikanalyse-Workshop widerspiegelt.

Wir bilden nicht nur für Forschung und universitäre Lehre aus, vielmehr ist der vielfach geforderte Praxisbezug bei uns längst gegeben. Unsere Studierenden finden ebenso Einsatz in regionalen und internationalen Forschungsprojekten wie in der Museumspädagogik, bei Ausstellungskonzeptionen sowie in der praktischen Geländearbeit der Denkmalpflege. Nach dem Studium finden sie interessante und relevante Tätigkeiten sowohl in wissenschaftlichen als auch in wissenschaftsnahen
Bereichen wie Ausstellungswesen, Medien, Tourismus und Politik.

Die Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie ist ein Beispielfach für lang bewährtes interdisziplinäres Forschen und Lehren, wovon viele andere Fächer profitieren. In Hamburg wurde jüngst von den
Geowissenschaften eigens für die Studierenden der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie ein BA-Nebenfachstudiengang konzipiert. Wie soll also in Zukunft transdisziplinär geforscht und studiert werden, wenn die dafür erforderliche Fächervielfalt verloren gegangen ist? Schließlich kann nur vernetzt werden, was existiert!

Wir wollen den frischen Wind an der Universität Hamburg nutzen und fordern deshalb die Erhaltung und Förderung unseres Faches!

Dafür bitten wir Sie eindringlich um Ihre Unterstützung. Bitte richten Sie Ihren Protest gegen die Fächerstreichung an der Universität Hamburg an:

Universitätspräsidentin Prof. Dr. Monika Auweter-Kurtz:
Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg, praesidentin@hvn.uni-hamburg.de,
Telefon: +49 (0)40 42838 – 4475

Dekan des Fachbereichs Prof. Dr. Jörg Dierken: Johnsallee 35, 20148
Hamburg, Joerg.Dierken@uni-hamburg.de, Telefon: +49 (0)40 42838 - 7926
Telefax: +49 (0)40 42838 – 7928

Wissenschaftssenator Jörg Dräger, Ph.D.: Behörde für Wissenschaft und
Forschung, Hamburger Str. 37, 22083 Hamburg, info@bwf.hamburg.de.

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!

Muster für ein Protestschreiben:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

mit zunehmender Verwunderung haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die seit 2006 vakant gehaltene Professur für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie an der Universität Hamburg entgegen ursprünglicher Planung nicht nur weiterhin nicht besetzt ist, sondern nunmehr akut von
Streichung bedroht ist.

Die Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie an der Universität ist Teil eines überregionalen und internationalen Netzwerks an dem insbesondere die Universitäten Prag und Lund, die norddeutschen Landesmuseen, das renommierte Niedersächsische Institut für Küstenforschung und viele weitere Institutionen beteiligt sind. Dieses Forschungsnetzwerk würde durch den Wegfall der Hamburger Professur nachhaltig geschwächt, die ohnehin geringe Dichte an Vor- und Frühgeschichtlichen Professuren in Norddeutschland weiter strapaziert.

Ein Wegfall der Professur widerspräche nicht nur Ihren früheren Aussagen, sich für die Fächervielfalt an der Universität Hamburg stark zu machen. Eine solche Politik stünde auch im Gegensatz zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrates und der Hochschulrektorenkonferenz, die klar die überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit kleiner geisteswissenschaftlicher Fächer anerkennen, für die aber die Sicherstellung adäquater Arbeitsbedingungen von existenzieller Bedeutung sind.

Beunruhigend ist dabei, dass es sich bei dieser geplanten Streichung um keinen Einzelfall, sondern um eine allgemein zu beobachtende Tendenz handelt, archäologische Fächer aus dem Angebot der Universitäten zu streichen, wie in Berlin, Rostock oder Gießen zu beobachten. Was überall beschönigend unter dem Euphemismus „Profilbildung“ verkauft wird, ist nichts weiter als eine Verarmung des akademischen Lehrangebots und eine Zerstörung kompletter Forschungszweige.

Die Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie erforscht nicht nur die Menschheitsgeschichte von den Anfängen an, sondern liefert auch wichtige Erkenntnisse zur Klima- und Umweltgeschichte. Ihre Bedeutung liegt in ihrer Funktion als Schnittstelle zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Sie ist eine Moderationswissenschaft, die über die eigenen Forschungen hinaus vielfältige Wirkungen entfaltet und auch in anderen Wissenschaftsbereichen zu methodischer Entwicklung und neuen
Fragestellungen anregt.

Gerade die Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie ist daher eine Beispieldisziplin für lang bewährtes interdisziplinäres Forschen und Lehren, wovon viele andere Fächer profitieren. Wie soll also in Zukunft interdisziplinär geforscht und studiert werden, wenn die dafür erforderliche Fächervielfalt verloren gegangen ist?

Auch im Sinne einer finanziellen Sanierung der Universität wirkt dieses Verhalten unverständlich, denn das Einsparpotential in geisteswissenschaftlichen Fächern ist im Verhältnis zu vielen Naturwissenschaften gering.

Dieses kurzsichtige Vorgehen überrascht umso mehr, als dass die Mittel zur Finanzierung der Professur offensichtlich vorhanden sind, liegen doch die Summen, um die sich Präsidium und die Fakultät für Geisteswissenschaften streiten, deutlich unterhalb der jüngst erworbenen
zusätzlichen Einnahmen durch die Einführung der Studiengebühren. So liegt der Verdacht nahe, dass trotz mehrfach vorgelegter Sanierungspläne seitens der Fakultät für Geisteswissenschaften kleine
Fächer gegeneinander ausgespielt werden sollen. Auf diese Art schafft man keine Anreize zur Qualitätssteigerung in Forschung und Lehre, sondern befördert einen universitätsinternen Kannibalismus.Bedenken Sie bitte, dass ein Fach, das nur aufgrund zufälliger Stellenvakanzen und kurzfristiger finanzieller Erwägungen gestrichen wird, wahrscheinlich auf viele Jahre hinaus nicht wieder aufgebaut werden kann.

Wir appellieren an Sie daher dringend, endlich den Weg für eine zügige Neubesetzung der Professur für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie zu ebnen. Sie stärken dadurch nicht nur den Ruf der Universität Hamburg als vielfältigen und leistungsfähigen Wissenschaftsstandort, sondern werden auch das in Sie gesetzte Vertrauen seitens der Universitätsmitglieder rechtfertigen.

Mit freundlichen Grüßen