Dem Rätsel von Bernstorf auf der Spur

Neue archäologische Forschungen in der größten Befestigung der mittleren Bronzezeit (14. Jh. v. Chr.) nördlich der Alpen

Nachrichten durchblättern
Die Ausgrabung in der bronzezeitlichen Befestigungsanalge von Bernstorf (© Uni Frankfurt)
Die Ausgrabung in der bronzezeitlichen Befestigungsanalge von Bernstorf (© Uni Frankfurt)

Unter Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Krause vom Institut für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt begann am 23. August 2010 eine neue Grabungskampagne in der bronzezeitlichen Befestigung von Bernstorf (Oberbayern). Das Monument zählt zu den wertvollsten und ertragreichsten Anlagen der Bronzezeit und steht als Fundstätte im Durchgang zwischen süddeutschem Alpenvorland und der Mittelgebirgszone in einer Linie mit spektakulären Orten wie dem Mittelberg bei Nebra in Sachsen-Anhalt, auf dem die gleichnamige Himmelscheibe gefunden wurde. Mit einer Fläche von knapp 13 Hektar und einer über 1,6 km langen Holz-Erde-Mauer aus der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. handelt es sich zudem um die größte bronzezeitliche Befestigung nördlich der Alpen. Sie erstreckt sich auf einem Höhenrücken über dem Ampertal mit einer Ausdehnung von 583 x 380 m und bedeckt eine Fläche von 12,8 Hektar. Im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand die Anlage bereits wegen spektakulärer Gold- und Bernsteinfunde, die enge Bezüge zum mykenischen Kulturkreis des östlichen Mittelmeers aufweisen.

Ermöglicht werden die neuen Forschungen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die im Juni dieses Jahres die Finanzierung eines mehrjährigen Projekts bewilligt hatte. In Kooperation mit der Archäologischen Staatssammlung München und deren Direktor, Prof. Dr. Rupert Gebhard, sollen in den kommenden Jahren auch mit Unterstützung der Gemeinde Kranzberg und dem Landkreis Freising nicht nur neue Ausgrabungen, sondern auch umfangreiche naturwissenschaftliche Analysen und Untersuchungen an Gold- und Bernsteinobjekten aus Gräbern und Depotfunden Südbayerns durchgeführt werden.

In Bernstorf wurden bereits vor über zehn Jahren von Dr. Manfred Moosauer und Traudel Bachmaier beim Kiesabbau spektakulären Goldblech- und Bernsteinfunde gefunden, die mit dem mykenischen Kulturkreis in Verbindung gebracht werden. Die bisherigen Ausgrabungen des Bayerischen Landesamtes im Zuge des Kiesabbaus und neue geophysikalische Prospektionen zeigen, dass die ursprüngliche Holz-Erde-Mauer auf ihrer ganzen Länge verbrannt ist. Dabei kann es sich kaum um ein Schadensfeuer gehandelt haben kann, sondern vielmehr um einen absichtlichen Akt der Verbrennung, der die Anlage und ihre Funde in einem neuen Zusammenhang bringt und die Frage von kultisch-religiösen Aspekten und Handlungen aufwirft.

Die Bedeutung des Fundplatzes wird darüber hinaus durch zwei kleine Bernsteine mit Ritzungen eines Gesichts und mit Linear B-Schriftzeichen, sowie durch mehrere Goldbleche, unterstrichen. Für diese Funde konnten die Fundumstände und ihre Authentizität geklärt werden. Beide stellen ein unerwartetes Beispiel mediterraner Fernbeziehungen in der Bronzezeit Mitteleuropas dar. Sowohl die Herkunft des Goldes und die Behandlung (Faltung) der Goldbleche, als auch die Idee der Ausstattung sind nur aufgrund eines direkten Kontakts zur ägäischen und ostmediterranen Welt denkbar.

Ziel des interdisziplinären Forschungsprogramms der Goethe-Universität ist es, die Geschichte der Befestigung von Bernstorf in ihrem regionalen Kontext zu untersuchen und die Quellenlage durch systematische Ausgrabungen wesentlich zu erweitern. Zum anderen sollen die überregionalen Bezüge zwischen Ostsee und dem östlichen Mittelmeer untersucht werden, um die Bedeutung und Funktion dieser ungewöhnlichen Befestigung an der Bernsteinstraße zwischen der Ostsee und Mykene besser zu verstehen.

Bernstein mit Ritzung eines Gesichts (© ArcTron)
Bernstein mit Ritzung eines Gesichts (© ArcTron)
Die Goldbleche aus Bernstorf (© Uni Frankfurt)
Die Goldbleche aus Bernstorf (© Uni Frankfurt)