Bedeutende Gottesdarstellung in der Türkei gefunden

Einen herausragenden Fund hat das internationale Team um Prof. Dr. Engelbert Winter von der Forschungsstelle Asia Minor der WWU Münster in der Südosttürkei gemacht: Die Forscher haben die erste bildliche Darstellung einer der wichtigsten orientalischen Gottheiten des Römischen Reichs, des Gottes von Doliche, in seiner Heimatstadt freigelegt. Der Fund ist für die Erforschung der Entwicklungsgeschichte des Doliche-Kultes von großer Bedeutung, da er eine Vorstellung davon vermittelt, wie der Gott in seiner Heimat selbst gesehen wurde.

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Stele aus Doliche
Herausragender Fund: Diese Stele ist die einzige bekannte Darstellung des Gottes von Doliche aus seiner Heimatstadt. Foto: Winter

Die Archäologen graben bereits seit 2001 auf dem Gipfel des rund 1200 Meter hohen Bergs Dülük Baba Tepesi nahe der antiken Stadt Doliche in der Südosttürkei, um dort das Hauptheiligtum des Gottes freizulegen. Dieser war zunächst der lokale Hauptgott der nahe des Euphrats gelegenen Stadt Doliche. Im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus zählte er dann im gesamten Römischen Reich zu den populärsten Gottheiten, wie eine Vielzahl von Zeugnissen belegt. Bislang ist allerdings kaum bekannt, warum sich sein Kult so rasant ausbreitete, wann er entstanden ist und wie eng der Kontakt zwischen dem Zentralheiligtum und den verstreuten Kultgemeinschaften im übrigen Imperium war.

Bei dem jetzt gefundenen Abbild handelt es sich um eine Stele aus Basalt mit einem 130 Zentimeter hohen und 70 Zentimeter breiten Bildfeld. In der unteren Zone des Bildes sind zwei syrische Priester im Vollzug einer Opferhandlung dargestellt. Darüber ist der Gott selbst, auf einem Stier stehend, mit seinen bekannten Attributen Blitzbündel und Doppelaxt erkennbar. Ihm gegenüber steht auf einem Hirsch seine weibliche Partnerin. Es ist unbekannt, welchen Namen diese Göttin in Doliche trug - in den lateinischen Quellen wird sie als Iuno Regina bezeichnet.

Alle Elemente der Götterdarstellung entstammen der altorientalischen Ikonographie. Prof. Winter erklärt: "Dass es sich um ein späteres Erzeugnis handelt, zeigt sich nur in Details, vor allem in der Opferszene im unteren Bildfeld, wo griechisch-römische Formen prominent sind". Eine präzise Datierung der Stele ist schwierig, da der lokale Stil der Bildhauerarbeit wenige Anhaltspunkte für eine zeitliche Einordnung liefert. "Wir nehmen als zeitlichen Rahmen den Beginn der römischen Herrschaft im späten ersten Jahrhundert vor Christus und die Zerstörung Doliches durch die Perser 256 nach Christus an", so Prof. Winter.

Die Ausgrabungen der Forschungsstelle Asia Minor, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert werden, konnten zeigen, dass die Nutzung des Heiligtums mindestens bis in das sechste und fünfte Jahrhundert vor Christus zurückreicht. Zu den herausragenden Funden zählt dabei eine Sammlung späteisenzeitlicher vorderasiatischer Stempel- und Rollsiegel. Mit bereits über 250 gefundenen Siegeln zählt sie zu den größten, die jemals bei einer regulären Ausgrabung geborgen werden konnten. Gewaltige Mengen an gefundenen Tierknochen zeugen von umfangreichen Brandopfern, die in der Frühzeit auf dem Gipfel des Dülük Baba Tepesi stattgefunden haben.

Angesichts dieser Ergebnisse zur Frühgeschichte des Heiligtums und aufgrund der engen Übereinstimmung kaiserzeitlicher Darstellungen des Iupiter Dolichenus mit Bildern lokaler Wettergottgestalten des frühen ersten Jahrtausends vor Christus ist die neu gefundene Stele aus Doliche ein klares Indiz dafür, dass ein zentrales Kultbild des Gottes bereits in der Eisenzeit im Heiligtum aufgestellt wurde und dort bis in die römische Zeit verblieb. "Vieles spricht dafür", so die Einschätzung von Prof. Winter, "dass die Darstellung auf der Stele dem im Heiligtum aufgestellten Urbild nahe stehen könnte."