Auf welchen Wegen wanderte der frühe Mensch?

Der internationaler Workshop "Continental Rifting" an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften ging der Frage nach, welche Bedeutung Grabenbrüche für die Entwicklung des Menschen hatte.

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Die Totes-Meer-Verwerfung und der Rheingraben sind die imposantesten durch Plattentektonik entstandenen Landschaftseinbrüche in Europa und im Mittleren Osten. Diese ungewöhnlichen Grabenstrukturen sind jedoch nicht nur unter geologischen Aspekten für die Forschung interessant. Sie beeinflussen auch in hohem Maße das Klima und damit die Entwicklung von Flora und Fauna in den umliegenden Landschaftsräumen.

Die Grabenbrüche selbst stellen biogeografische Inseln dar, in denen sehr spezifische Arten beheimatet sind. Damit nahmen und nehmen sie immer wieder Einfluss auf den Verlauf der Evolution auch in anderen Lebensräumen. Doch wie kann dieser Einfluss auf die globale Artenvielfalt genauer bestimmt werden? Wie sehen diese Einflüsse aus und waren sie zu allen Zeiten gleich stark?

Vom 14. bis zum 17. Juli kamen an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften rund 30 Wissenschaftler zusammen, um die Frage nach der besonderen Bedeutung der Grabenbrüche für die Biodiversität im allgemeinen sowie für die menschliche Entwicklung im besonderen zu dokumentieren.

Geologen, Geophysiker, Archäologen, Klimatologen, Anthropologen und Paläobiologen versuchten gemeinsamen der Frage auf den Grund zu gehen, ob die ersten Migrationsbewegungen von Homo erectus aus Afrika (vor rund 1,8 Millionen Jahren) maßgeblich durch geologische Strukturen gelenkt wurden.

Unsere eigene Spezies, Homo sapiens, entstand im Grabensystem des östlichen Afrika, nahm ihren Weg nach Europa vermutlich durch den Levante Korridor. Der Rheingraben scheint danach einer der ersten Siedlungsplätze des Frühmenschen auf dem neu besiedelten Kontinent gewesen zu sein. Es ist also auch kein Zufall, dass die rund 600.000 Jahre alten Überreste des Homo heidelbergensis ausgerechnet in Mauer bei Heidelberg im Sediment einer ausgetrockneten Schleife des Neckarbetts gefunden wurden.

Doch nicht nur im Pleistozän, noch bis in die Gegenwart hinein üben Grabenbrüche auf Wanderbewegungen und kulturelle Evolution des Menschen Einfluss aus. Gräben sind ideale Siedlungsplätze mit einem meist stabilen Klima und fruchtbaren Böden. So pflanzten die Römer im Rheingraben Weinstöcke an und betrieben von hier und vom Rhonegraben aus ihre Expansion in die Gebiete nördlich der Alpen. Zugleich sind menschliche Siedlungen in Gräben aber auch unweigerlich bedroht von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Fluten. "Mit dem Ergebnis unseres Workshops bin ich außerordentlich zufrieden", so Friedemann Wenzel, Professor am Geophysikalischen Institut der Universität Karlsruhe.

"Die einzelnen Forschungsperspektiven zusammenzubringen, die ja nicht nur durch das jeweilige Fachgebiet, sondern immer auch durch einen regionalen Fokus geprägt sind, war unser Anliegen. Tatsächlich können wir jetzt viel präziser Fragen an die Vertreter der anderen Disziplinen formulieren. Das gemeinsam entwickelte Bild der biogeografischen Vorgänge vom Pleistozän bis in die Gegenwart, hat deutlich an Kontur gewonnen!"

 

Uni Heidelberg