Archäologische Untersuchungen im Bereich des Stuttgarter Bahnhofs

Im Baubereich zum neuen Stuttgarter Tiefbahnhof haben die Experten des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart zahlreiche Befunde aus der Antike bis in die Neuzeit dokumentieren können.

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Grabungsleiter Dr. Martin Thoma und Dr. Andreas Thiel, Gebietskonservator und Fachwissenschaftler für Provinzialrömische Archäologie
Grabungsleiter Dr. Martin Thoma (links) und Dr. Andreas Thiel, Gebietskonservator und Fachwissenschaftler für Provinzialrömische Archäologie, knien vor einem runden Töpferofen. (© LDA Baden-Württemberg)

Im Baufeld 16 fanden sie eine gemauerte Ofengruppe. Wann immer es das Wetter zulässt, legen die Archäologen den Befund weiter frei. Alle Erkenntnisse werden für die Wissenschaft dokumentiert. Im Einsatz sind dabei auch Drohnen für Luftbildaufnahmen und 3D-Scanner. So ist eine zügige und millimetergenaue Vermessung der Strukturen auf der Grabungsfläche möglich.

Derzeit ist auf einer Fläche von rund 1.200 Quadratmetern der Randbereich eines römischen Gutshofes aus dem 2. und 3. Jahrhundert nach Christus freigelegt. Zwei gefundene Ziegelbrennöfen und ein Töpferofen deuten darauf hin, dass die Bewohner nicht allein Landwirtschaft betrieben haben, sondern auch die damals nahe gelegene Siedlung in Bad Cannstatt mit Baumaterial und Keramik versorgten. Als Rohmaterial nutzte man den stark tonhaltigen Lehm aus der Aue des Nesenbachs. Innerhalb der römischen Baureste fanden die Archäologen auch Spuren einer frühalamannischen Siedlung aus der Zeit um 300 nach Christus. Die Fundstelle gehört damit zu den frühesten germanischen Siedlungsspuren aus dem Land.

Zahlreiche Kleinfunde wie Münzen, Schmuckgegenstände und Keramik und die Grundrisse wenigstens zweier Holzgebäude belegen, dass die Niederung des Nesenbachtals als Wohnplatz weiterhin attraktiv blieb. Die Untersuchungen der Archäologen aus dem Regierungspräsidium Stuttgart werden sich in den kommenden Tagen darauf konzentrieren, die Geschichte dieser kleinen Alamannischen Ansiedlung zu erforschen. Vor allem die alamannischen Funde sind aufgrund ihrer Seltenheit von überregionaler Bedeutung. Auch für die Stadtgeschichte Stuttgarts ergeben sich neue Anhaltspunkte in Bezug auf die Zeit vor der Stadtgründung.

In Abstimmungsgesprächen werden sich die Deutsche Bahn, die Landeshauptstadt Stuttgart als Untere Denkmalschutzbehörde und das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart über das weitere Vorgehen verständigen. Bereits bestätigt hat die Deutsche Bahn, dass sie den Experten des Landesamts für Denkmalpflege die Zeit für die Untersuchungen gibt, die voraussichtlich noch zwei bis drei Wochen, das heißt bei günstiger Witterung bis zum 3. Oktober, maximal aber bis zum 10. Oktober 2014 andauern werden. Außerdem hat der Konzern Unterstützung bei der Bergung der Funde signalisiert.

Die archäologischen Untersuchungen an dem Anfang August im Baufeld 18 entdeckten Kanal aus Schilfsandsteinplatten ruhen momentan. Sie sollen jedoch baldmöglichst, noch bevor die Baumaßnahmen in diesem Bereich beginnen, fortgesetzt werden. Nach momentaner Einschätzung der Experten des Landesamtes für Denkmalpflege handelt es sich bei den gefundenen Schulsandsteinplatten um Überreste eines Kanals aus dem 17. Jahrhundert. Kartenzeichnungen des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts zeigen den Nesenbachlauf unterhalb des ehemaligen Küchengartens begradigt und vermutlich neu gefasst. Möglicherweise erhielt der Kanal damit auch eine gestalterische Funktion als Begleitgewässer zu der Anfang des 17. Jahrhunderts angelegten, von Alleen begleiteten "Mail"-Bahn. Diese Bahn war das Spielfeld für ein im 17. Jahrhundert beliebtes Kugelschlägerspiel, das ein Vorläufer des heutigen Krocket oder Golf war.

Dr. Christoph Steffen, Fachmann für digitale Dokumentation
Dr. Christoph Steffen, Fachmann für digitale Dokumentation, bereitet die Drohne für die hochauflösenden Luftbildaufnahmen vor. (© LDA Baden-Württemberg)