Archäologie und Chemie lösen Rätsel aus der niedersächsischen Ur- und Frühgeschichte

Die Geheimnisse zweier archäologischer Neufunde haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) und der Leibniz Universität Hannover enträtselt. Es handelt sich zum einen um den ältesten Metallfund Niedersachsens, ein jungsteinzeitliches Kupferbeil aus dem 4. Jahrtausend vor Christus, zum anderen um ein hervorragend erhaltenes Schwert aus dem frühen Mittelalter mit der Inschrift "Ulfberht".

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Ulfberht-Klinge
Spatha, sog. Ulfberht-Schwert, aus dem Rhein bei Mannheim, 1. Hälfte 9. Jh. Foto: Hic et nunc, Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 de (Kurzfassung). Originaldatei: Ulfberht cropped.

Beide niedersächsischen Funde werfen ein neues Licht auf die Ur- und Frühgeschichte Europas. Die spektakulären Neufunde und die Ergebnisse ihrer interdisziplinären Untersuchungen wurden am 29. Juli 2014 gemeinsam durch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Leibniz Universität Hannover und des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege im historischen Kali-Hörsaal des Instituts für Anorganische Chemie präsentiert.

"Archäologische Funde hauchen der Menschheitsgeschichte Leben ein. Das jüngst entdeckte jungsteinzeitliche Kupferbeil und das hervorragend erhaltene Ulfberht-Schwert aus dem frühen Mittelalter werfen ein völlig neues Licht auf unsere Landesgeschichte", sagte die Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Gabriele Heinen-Kljajić, die die Neufunde am Dienstag an der Leibniz Universität Hannover der Öffentlichkeit präsentierte. "Die Funde belegen, dass schon sehr frühe Kulturen ausgeprägte technologische und künstlerische Fertigkeiten besaßen, komplexe Handelsbeziehungen aufbauten und außerordentlich mobil waren."

Zu verdanken sind die neuen Erkenntnisse der guten Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Anorganische Chemie der Leibniz Universität Hannover und den Denkmalpflegern des Landes. Diese hat schon einige bedeutende Forschungsergebnisse geliefert, so z.B. zum frühen Bergbau im Harz oder zum bronzezeitlichen Goldhort von Gessel.

Ein steinzeitliches Kupferbeil – der älteste Metallfund Niedersachsens

Das Kupferbeil ist der älteste je in Niedersachsen gefundene Metallfund und gehört zu den ersten Metallartefakten in Europa. Das Beil wurde in Steinbergen bei Rinteln von einem Detektorgänger auf einem steilen Geländesporn an einem uralten Pass durch das Weserbergland gefunden. Diese Kupferbeile aus der Jungsteinzeit finden sich vor allem im südöstlichen Mitteleuropa und bemerkenswerterweise im südlichen Skandinavien. Anhand des Beils aus dem 4. Jahrtausend zeigt sich die in vielen Epochen auszumachende Mittlerrolle Niedersachsens auf der Landkarte der Kulturentwicklung. Niedersachsen ist in diesem Zeitraum besonders interessant, weil sich hier zur gleichen Zeit zwei unterschiedliche Kulturen parallel abbilden. Während sich die Neolithisierung, die Sesshaftwerdung, im südlichen Niedersachsen wie in Mittel- und Süddeutschland bereits im 6. vorchristlichen Jahrtausend vollzog, findet dieser Prozess im Norden etwa 1000 Jahre später statt. Hier zeigen sich enge Kontakte zwischen den frühen Bauernkulturen des Nordens, die als Zeichen einer neuen Ära die Megalithgräber errichteten mit den viel weiter entwickelten Kulturen Zentraleuropas. Man geht davon aus, dass in dem Umwälzungsprozess zur Sesshaftigkeit neolithische Eliten des Nordens sich Kupfer aus dem Ostalpenraum beschafft und dann im Norden als Prestigeobjekte verehrt haben. Die Chemiker bestätigen die weiträumigen Fernkontakte: Das fast reine Kupfer lässt sich aufgrund seines Spurenelementefingerabdrucks dem Ostalpenraum zuordnen.

Dr. Stefan Meyer, Leiter des Museums "Eulenburg" in Rinteln hat im März 2011 bei einem Sonntagsspaziergang im Wald bei Steinbergen (Stadt Rinteln, Ldkr. Schaumburg) eine Gruppe jugendlicher Detektorgänger angetroffen, die ohne die in Niedersachsen erforderliche Genehmigung auf der Suche nach Militaria aus dem 2. Weltkrieg waren. Auf die Frage, ob außer Weltkriegsschrott auch anderes gefunden wurde, zeigte der Finder Nils Nuyken ein unerkanntes Metallartefakt, das Meyer als prähistorisches Beil identifizieren konnte. Nuyken erkannte seinen Fehler und übergab das Artefakt zur weiteren wissenschaftlichen Dokumentation und Konservierung. Der sofort aufgesuchte Fundort auf der zur Weser hin steil abfallenden Hirschkuppe, der noch die Eingrabung zeigte, wurde dann von Dr. Jens Berthold, Kommunalarchäologe beim Archäologischen Dienst der Schaumburgischen Landschaft untersucht – ohne weitere archäologische Befunde

Nach der Restaurierung ließ sich das 403 g schwere Artefakt als ein 9,5 cm langes und 1,7 cm dickes, trapezförmiges Flachbeil aus Kupfer identifizieren, das sich formenkundlich in die erste Hälfte bis Mitte des 4. vorchristlichen Jahrtausends datieren lässt. Diese Kupferbeile aus der Jungsteinzeit haben ihr Hauptverbreitungsgebiet im südöstlichen Mitteleuropa und bemerkenswerterweise im südlichen Skandinavien. Anhand des Kupferbeils zeigt sich die in vielen Epochen auszumachende Mittlerrolle Niedersachsens auf der Landkarte der Kulturentwicklung. Niedersachsen ist in diesem Zeitraum besonders interessant, weil sich hier zur gleichen Zeit zwei unterschiedliche Kulturen parallel abbilden. Während sich die Neolithisierung, die Sesshaftwerdung, im südlichen Niedersachsen wie in Mittel- und Süddeutschland – insbesondere in den fruchtbaren Lössgegenden – bereits im 6. vorchristlichen Jahrtausend vollzog, findet dieser Prozess im Norden und Nordwesten Niedersachsens analog der Entwicklung im nördlichen Mitteleuropa etwa 1000 Jahre später statt. Im südlichen Skandinavien zeigen sich enge Kontakte zwischen den dortigen frühen Bauernkulturen mit den viel weiter entwickelten Kulturen Zentraleuropas. Im Norden sind es die Trichterbecherleute, die als Zeichen einer neuen Ära die Megalithgräber errichtet haben. Die frühesten Metallfunde spielen in dieser Diskussion um das Mit-, Neben- und Nacheinander der Neolithisierung eine Schlüsselrolle. Die zumeist in Hortfunden auf uns gekommenen Kupferartefakte – zumeist Beile, Ringe und Äxte stammen großenteils aus dem Ostalpenraum, z.T. sind sie ganz offensichtlich im Norden hergestellt worden. Die Forschung geht inzwischen davon aus, dass in dem Umwälzungsprozess zur Sesshaftigkeit neolithische Eliten des Nordens sich Kupfer aus dem Ostalpenraum beschafft und dann im Norden als Prestigeobjekte verehrt haben. Diese Erkenntnis wirft ein völlig neues Bild auf die neolithische Welt im 4. Jahrtausend.

Die chemischen Analysen zeigen, dass das Beil aus Steinbergen aus fast reinem Kupfer gegossen wurde. Das zeugt von hohem metallurgischen Know-how, denn Kupfer hat einen viel höheren Schmelzpunkt als z.B. Bronze. Die Bleiisotopie und die Arsenanteile weisen den Ostalpenraum als Lagerstätte aus. Damit entspricht das Material dem im Neolithikum bzw. der sog. Kupferzeit zugänglichen Metall. Dieser Neufund wirft ein neues Licht auf die postulierte Mittlerrolle Niedersachsens in den tausende Kilometer überwindenden Fernbeziehungen. Der neue Fundpunkt auf der Verbreitungskarte schließt eine Lücke im Verbreitungsbild der frühen Kupferfunde. Der Fundort liegt genau auf der Schwelle zwischen den beiden steinzeitlichen Räumen und könnte eine mit Bedacht gewählte territoriale Markierung darstellen. Die offenbar bewusste Deponierung erfolgte auf einem eindrucksvollen Sporn, unmittelbar an einer fast senkrecht nach Südost in Richtung Pass und Weser abfallenden Geländekante. Bemerkenswert ist, dass viele Kupferartefakte dieser Zeit aus Hortfunden stammen, wobei ihre genaue Fundlage nur selten sauber dokumentiert wurde.

Auch bei diesem Stück darf der Fundort zwar als gesichert gelten, aber seine präzisen Fundumstände konnten wegen der unsachgemäßen Bergung durch die Sondengänger nicht dokumentiert werden. Die Frage an die Chemie, ob archäometrische Analysen Hinweise auf die Niederlegung liefern könnte, wurde mit ja beantwortet: Das Kupferbeil ist wohl geschäftet schräg senkrecht niedergelegt worden. Die Posphatanreicherungen sprechen für ein langes Anhaften tierischen Materials. Wahrscheinich erscheint die Stabilisierung einer Schäftung in Holz durch eine Lederumwicklung. Die Chemiker haben oberflächennah eine flächenhafte "Kontamination" durch ein anderes Kupferobjekt mit minimal anderer chemischer Zusammensetzung gefunden. Auch dieses zeigt ein arsenhaltiges Kupfer, die Provenienz ist wohl eher etwas östlicher zu suchen. Die Spuren weisen darauf hin, dass hier ein weiteres flaches (anliegendes) Objekt, am ehesten ein zweites Beil, im Verbund gelegen hat – und zwar Jahrtausende lang. Also handelt es sich offenbar nicht um einen Einstückhort. Gespräche mit dem Finder haben diesbezüglich jedoch keine neuen Ergebnisse erbracht.

Ein Ulfberht-Schwert aus dem 10. Jahrhundert

Ebenso spektakulär ist ein sehr gut erhaltenes Schwert aus dem frühen Mittelalter, das bei Baggerarbeiten in der Weser bei Großenwieden (Hessisch Oldendorf, Kreis Hameln-Pyrmont) entdeckt wurde. Die Inschrift weist die Waffe den legendären Ulfberht-Schwertern zu. Dies ist der erste Fund in Niedersachsen und einer der wenigen Belege in Mitteleuropa. Die Computertomographie zeigt die Details der Schwertkonstruktion und Analysen verraten das metallurgische Geheminis dieser legendären "Hightech"-Waffen, die im fränkischen Reich gefertigt wurden und trotz eines Ausfuhrverbotes in großen Zahlen in die Hände der feindlichen Wikinger und Slawen gerieten. Dort finden sich die meisten Schwerter, zumeist als Beigaben in heidnischen Gräbern. Im fränkischen Kerngebiet sind sie sehr selten – zumeist als Flussfunde – da man den christlichen Toten keine Beigaben mitgegeben hat.

Es wurde aufgrund der Namenssignatur vermutet, dass diese Ulfberhtschwerter im Rheinland hergestellt wurden. In jüngerer Zeit wird gemutmaßt, dass die Produktion diese Schwerter wie auch anderer Waffen an Bischofssitzen oder in Klöstern im fränkischen Kerngebiet erfolgte.

Aufgrund der Isotopenanalyse der Bleianteile der Griffverzierung kann eine hessische Lagerstätte im Rheinischen Schiefergebirge, genauer im Hintertaunus zwischen Rhein, Lahn und Wetterau als Materialquelle identifiziert werden. Wenn man von der gut untermauerten Vermutung ausgeht, dass diese Schwerter in Klöstern hergestellt wurden, kommen am ehesten Lorsch oder Fulda in Betracht. Für beide Klöster ist eine Waffenproduktion historisch belegt.

Im Frühjahr 2012 entdeckte Rainer Kleine bei der Beobachtung des Baggeraushubs aus der Weser bei Großenwieden ein fast vollständig erhaltenes Eisenschwert von 95 cm Länge. Die Bedeutung wurde dem Finder erst klar, als er mit dem in der Nähe wohnenden Archäologieprofessor Heinrich Härke (Univ. Tübingen) ins Gespräch kam. Bei näherer Betrachtung des Schwertes erkannte Härke, dass es sich hierbei um ein sog. Ulfberhtschwert handelte und meldete den bedeutenden Fund über das Niedersächsische Landesmuseum Hannover an das NLD, dem es Anfang 2013 übergeben wurde. Angesichts der herausragenden wissenschaftlichen Bedeutung des Fundes wurde die Waffe durch Zahlung einer Entschädigung für das Land gesichert.

Parallel zur konservatorischen Behandlung erfolgte eine detaillierte Dokumentation des Artefakts. Eine Röntgenuntersuchung in der Materialprüfanstalt Hannover lieferte erste Erkenntnisse zum Aufbau von Klinge und Griff. Die erstmals an einem Ulfberhtschwert durchgeführte computertomographische Untersuchung im Institut für Mehrphasenprozesse der LUH erbrachte detaillierte Erkenntnisse zur Konstruktion der Waffe. An dem niedersächsischen Schwert sind zudem am Institut für Anorganische Chemie detaillierte Metallanalysen sowie Isotopenverhältnismessungen durchgeführt worden.

Das Schwert weist auf der Klingenvorderseite die Namenssignatur +VLFBERH+T (Ulfberht) auf, auf der Rückseite findet sich ein von je drei senkrechten Strichen eingeschlossenes Rautenmuster. Es handelt sich damit um das erste und bisher einzige frühmittelalterliche Schwert vom Ulfberht-Typ in Niedersachsen. Auf der Verbreitungskarte der Schwerter war Niedersachsen bisher ein weißer Fleck.

Schwerter dieses Typs wurden im fränkischen Reich in der Karolinger- und Ottonenzeit vom späten 8. Jh. bis ins 10. Jh., vielleicht noch bis in das 11. Jh. gefertigt. Fast 170 Exemplare sind in 23 europäischen Ländern bekannt geworden. Bemerkenswert ist die Fülle zumeist minderwertiger Fälschungen und Kopien, zumeist mit falscher Schreibweise der Inschrift. Die Ulfberht-Schwerter zeigen, wie schon im frühen Mittelalter ein Waffenembargo umgangen wurde. Trotz des verordneten Verbots zur Verbreitung dieser überragenden fränkischen Waffen finden sich heute die meisten dieser besonderen Schwerter im damals feindlichen Gebiet der Wikinger- und Slawen. Etwa 90% der bekannten Schwertfunde stammen aus dem heidnischen Nordeuropa von Island bis in die Ukraine. Sie tauchen in diesen Gebieten hauptschlich in reich ausgestatteten Kriegergräbern auf. So sind allein in Norwegen 44 Ulfberhtschwerter ausgegraben worden. Die wenigen Belege in Mitteleuropa fanden sich vornehmlich in Flüssen. Das Fehlen ist wesentlich auf die christliche, beigabenlose Grabausstattung zurückzuführen. Viele Schwerter sind nur schlecht erhalten oder noch nicht so weit restauriert worden, dass sich ein Schriftzug abbilden würde.

Die Messungen ergaben, dass Schwertklinge und Griff aus unterschiedlichem Eisen bestehen. Die Klinge ist aus hochwertigerem, gehärtetem Eisen gefertigt, das qualitativ fast an modernen Stahl reicht, das Eisen im Griff ist etwas weicher. Die Klinge selbst ist nicht damasziert, sondern ihre herausragende Qualität ist der hervorragenden Schmiedekunst und Metalltechnologie geschuldet. Anders als die damaszierten Waffen ist dieses Schwert bei aller Elastizität und Stabilität leicht und hoch effizient. Die Blutrinne dient auch der Materialerleichterung. Hier beträgt die Klingendicke nur 3 mm. Die Schrift aus damasziertem Draht wurde in zuvor ausgehobene Vertiefungen eingehämmert. Der Nickelanteil, der das zu Buchstaben eingefügte Eisen zu einem frühen Vorläufer von Edelstahl macht, spricht gegen das oft vermutete Aufschweißen.

Eine spannende Frage ist, ob die Klingen einzeln oder mit bereits fertigen Griffen verhandelt wurden, die Griffe also von einheimischen Handwerkern dem örtlichen Geschmack angepasst wurden. Dieses Schwert jedenfalls war voll ausgestattet und sicherlich kein Halbfertigprodukt. Die chemischen Analysen haben gezeigt, dass der Griff mit Blechen aus einer Zinn-Blei-Legierung und der Knauf zusätzlich mit zwei sich kreuzenden Lederbändern verziert ist.

Nach der Form der Klinge, der Parierstange, des Knaufes, der Schreibweise der Ulfberhteinlage auf der Klingenvorderseite und der Marke auf der Klingenrückseite lässt sich dieses Schwert typologisch in das 10. Jahrhundert datieren. Die Klinge des niedersächsischen Neufundes gehört mit der Ulfberht-Signatur und der rückseitigen Marke zu den geläufigsten dieses Typs. Hiervon unabhängig ist die Gestaltung des Griffes, der sich in vielen Varianten findet. Die einzige direkte Parallele zum niedersächsischen Schwert in der Kombination von Klinge und Griff wurde in der Ukraine gefunden.

Die lateinischen Buchstaben in einer karolingischen Ausprägung wiesen schon immer darauf hin, dass die Schwerter nicht in ihrem Hauptverbreitungsgebiet im Wikingischen Norden hergestellt worden sein können, sondern im fränkischen Reich. Es wurde stets vermutet, dass diese Ulfberhtschwerter im Rheinland hergestellt wurden. Diese Vermutung konnte von Linguisten untermauert werden, die sich mit der Namenssignatur und den beiden Kreuzen beschäftigt haben. In jüngerer Zeit wird gemutmaßt, dass die Produktion diese Schwerter wie auch anderer Waffen an Bischofssitzen oder in Klöstern im fränkischen Kerngebiet erfolgte.

Aufgrund der Isotopenanalyse der Bleianteile der Griffverzierung kann eine hessische Lagerstätte im Rheinischen Schiefergebirge, genauer im Hintertaunus zwischen Rhein, Lahn und Wetterau als Materialquelle identifiziert werden. Wenn man von der gut untermauerten Vermutung ausgeht, dass diese Schwerter in Klöstern hergestellt wurden, kommen am ehesten Lorsch oder Fulda in Betracht, denn die anderen in Erwägung gezogenen Klöster konnten sich leichter anderer Bleilagerstätten bedienen. Für beide Klöster ist eine Waffenproduktion historisch belegt.

Die chemischen Methoden

Die Wissenschaftler/innen im Institut für Anorganische Chemie (ACI) können mit modernen Analyseverfahren eine Fülle von Fragen aus der Archäologie beantworten. So können Aussagen zur Echtheit von Fundobjekten oder Manipulationen getroffen, die Herkunft eingesetzter Materialien bestimmt, angewandte Herstellungs- und Bearbeitungstechnologien erschlossen und Hinweise auf Umweltbedingungen in historischen Zeiten gewonnen werden. Mit mobiler Analysetechnik können Materialien noch am Ausgrabungsort klassifiziert werden. Die Ergebnisse erlauben z.T. Altersabschätzungen, Aussagen zum Nutzungsgrad oder zu historischen Handelsbeziehungen.

Die Erforschung hochkarätigen Kulturguts sollte möglichst ohne oder mit nur geringstem Substanzverlust verbunden sein. Durch neue nicht- bzw. minimalinvasive Methoden sind heute Analysen möglich, die vor kurzem wegen des notwendigen Materialverbrauchs noch vielfach abgelehnt wurden. Im ACI bzw. bei seinen Kooperationspartnern kommt eine ganze Palette unterschiedlicher Verfahren zum Einsatz. Zerstörungsfrei ist die Infrarot- und Ramanspektroskopie, die Rasterelektronenmikroskopie (REM), Ionenstrahl-Verfahren wie die Rutherford-Rückstreu-Spektrometrie (RBS) und die Teilchen-induzierte Röntgen-Emissions-Spektroskopie (PIXE) sowie die Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA). Letztere hat den Vorteil, dass Mikrobereichs- und Spurenanalysen sowohl stationär als auch portabel möglich sind.

Bei minimalinvasiver Beprobung, für die oft nur Mikrogramm an Probenmaterial für eine Analyse entnommen werden, können hochauflösende massenspektrometrische Verfahren eingesetzt werden. Mit diesen Methoden können Spurenelementfingerabdrücke oder auch Isotopenverhältnisse ermittelt werden und durch Kombination der erhaltenen Informationen lassen sich dann Aussagen zur Provenienz der verarbeiteten Metalle bzw. Materialien gewinnen. Während bei metallischen Objekten die Isotopenverhältnisse die Herkunft der eingesetzten Erze bzw. Metalle widerspiegeln, erlaubt das Spurenelementmuster Aussagen über die Herstellungstechnologie, den Recyclinggrad sowie im Optimalfall eine Feinunterscheidung der Herkunft.

Für die Analyse von Beil und Schwert wurde ein Laser für den Probenabtrag mit einem hochauflösenden Massenspektrometer gekoppelt. Je nach verwendeter Kombination aus Laser und Massenspektrometer können sowohl die Bleiisotopenverhältnisse als auch die Spurenelementfingerabdrücke zur Identifizierung der Herkunft der verwendeten Metalle bestimmt werden. Gegenüber herkömmlichen nasschemischen Verfahren liegen die Vorteile dieser Methodenkombination nicht nur in der geringen erforderlichen Probenmenge, sondern auch in der ortsaufgelösten Spurenanalyse. Bei der LA-ICP-MS wird ein fokussierter Laserstahl von definiertem Durchmesser im Mikrometerbereich und hoher Energie auf die Probe geleitet. Ein Großteil der eingestrahlten Energie wird von der Probe absorbiert und ein kleines Probenvolumen innerhalb einiger milliardstel Sekunden auf bis zu 10.000°C erhitzt und dadurch explosionsartig zum Verdampfen gebracht. Der so erzeugte Abtrag von Probematerial im Nanogrammbereich ist für das menschliche Auge nicht sichtbar (10-9 g) und die entstehenden Abtragskrater haben Durchmesser von oft kleiner als 50 Mikrometer (zum Vergleich: ein menschliches Haar hat eine Dicke von etwa 100 Mikrometer). Die über der Abtragstelle entstandene Probenwolke, die hauptsächlich Konglomerate von Atomen und Ionen enthält, wird mit einem Gasstrom zum Massenspektrometer geleitet, wo die vorher ionisierten Teilchen getrennt und einzeln gezählt werden. Wegen der oft nur minimalen oder gar nicht notwendigen Probenpräparation eignet sich diese Methode zur quasi-zerstörungsfreien Analyse von forensischen und wertvollen Objekten, wie Kunstgegenständen, Edelsteinen und archäologischen Artefakten. In den Laboratorien des Instituts für Anorganische Chemie der Universität Hannover wurde diese Methode bereits erfolgreich für Kunstwerke mit Weltkulturerbe-Status, wie den Godehardschrein aus dem Hildesheimer Dom oder dem Dreikönigenschrein aus dem Kölner Dom, sowie den Goldhort von Gessel angewendet.