Archäologen entdecken weitere Teile eines 5.000 Jahre alten Wagens

Erfolgreicher Abschluss der öffentlich zugänglichen Grabung von Olzreute-Enzisholz (Landkreis Biberach)

Kurz vor Weihnachten 2016 wurden die Arbeiten auf der Ausgrabung in Olzreute-Enzisholz (Landkreis Biberach) beendet. Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart untersuchten dort eine fast 5.000 Jahre alte Siedlung der Jungsteinzeit. In den vergangenen Jahren waren dort schon einige hölzerne Wagenräder zum Vorschein gekommen. Nun fanden die Forscher kurz vor dem Ende der Geländearbeiten einen weiteren Beleg für die steinzeitliche Mobilität: ein Achsenfragment aus Holz.

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Neolithische Radnabe
Teil einer 5.000 Jahre alten Radnabe kurz nach der Entdeckung. Foto: W. Hohl, »Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart«

Die Ausgrabung fand seit Sommer 2016 parallel zur Großen Landesausstellung »4.000 Jahre Pfahlbauten« in Bad Schussenried und Bad Buchau statt und war zugleich der vorläufige Abschluss von mehrjährigen archäologischen Forschungen im Enzisholz. Hier wurde eine fast 5.000 Jahre alte jungsteinzeitliche Siedlung ausgegraben (2900-2897 v. Chr.), die zum UNESCO Weltkulturerbe »Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen« gehört.

Zu den spannendsten Neufunden der diesjährigen Kampagne gehören ein Achsenfragment von einem Wagen und eine Geweihhacke, beides extrem seltene Objekte. Das Achsenfragment passt zu den bereits vor einigen Jahren in Olzreute Enzisreut gefundenen Rädern und einem ähnlichen Achsenstück [Bild 2]. Die Geweihhacke wurde aus einer Sprosse gefertigt und ist vorne abgebrochen [Bild 1]. Wie auch alle anderen Funde aus organischem Material sind sie dank des feuchten Fundmilieus hervorragend erhalten und geben einen direkten Einblick in das Leben der frühen Bauern am Federsee.

Im Sommer konnten sich über 7.500 Besucherinnen und Besucher davon vor Ort überzeugen, bei den archäologischen Arbeiten zuschauen und einen Blick in die Feldlabors werfen. Außerdem wurden regelmäßig Führungen angeboten und an den Wochenenden erläuterten Expertinnen und Experten des Landesamts für Denkmalpflege ihre Arbeit in Spezialbereichen wie Tierknochenanalyse, Dendrochronologie, Sedimentansprache, Analyse botanischer Makroreste usw. Auf einer aktuellen Ausgrabung konnte so exemplarisch vermittelt werden, wie Feuchtbodensiedlungen ausgegraben werden und welches wissenschaftliche Potential in ihnen steckt. Die Bedeutung der Baden-Württembergischen »Pfahlbauten«, die seit 2011 UNESCO Weltkulturerbe sind, war hautnah (an)fassbar, vom kleinsten verkohlten Getreidesamen bis zu großen Baubefunden.

Publikumserfolg »öffentliche Grabung«

Das Konzept der »öffentlichen Grabung« war ein großer Erfolg und konnte Aspekte der archäologischen Arbeit erfahrbar machen, die normalerweise für die Öffentlichkeit nicht sichtbar sind. Über 7.500 Interessierte fanden den Weg ins versteckt liegende Enzisholz, viele davon »Wiederholungstäter« aus den umliegenden Regionen. Unter diesen waren nicht nur Besucher der Landesausstellung, sondern viele, die sich mehr für den handwerklichen Aspekt des Ausgrabens und das Alltagsleben der Pfahlbauer interessierten. Obwohl die Funde oft unspektakulär wirken, wollten die Besucher gerade alltägliche Objekte aus der Jungsteinzeit wie Hüttenlehm (Reste der mit Lehm verputzten Hauswände, von denen sonst nichts mehr erhalten war) oder kleinste Knochenreste sehen.

Wie geht es weiter im Enzisholz?

Viele Holzelemente waren an der Oberfläche stark ausgetrocknet, was anzeigt, wie gefährdet diese Fundstelle durch Austrocknung und schwankende Wasserstände ist. In trockenen Monaten liegen bis zur Hälfte der Fundschichten über dem Moorwasserpegel, wie während der Grabungen vielfach beobachtet werden konnte. Die 2015 im Enzisholz eingebauten Pegel bestätigen diesen Eindruck. Die UNESCO-Fundstelle ist dadurch einer fortschreitenden Zerstörung ausgesetzt. Bis jetzt konnten nur weniger als fünf Prozent der Siedlungsfläche untersucht werden. Das Landesamt für Denkmalpflege ist verpflichtet, die Fundstelle zu schützen und arbeitet deshalb an einem Konzept zur gezielten Wiedervernässung ausschließlich innerhalb des engeren Siedlungsareals.

Info

Die Siedlungen im Enzisholz

Die Fundstelle Olzreute-Enzisholz wurde bereits Ende der 1940er Jahre beim Torfabbau entdeckt. Bei Grabungsarbeiten im Jahre 2009 und 2015 kamen drei große Scheibenräder, drei kleine Modellräder und das Fragment einer Wagenachse zum Vorschein. Zusammen mit weiteren Radfunden aus dem Federseegebiet zählen sie zu den ältesten Nachweisen von Wagen nördlich der Alpen.

Die Grabungen dieses Jahres bestätigen, dass im Enzisholz nicht nur eine, sondern mindestens zwei, vielleicht sogar drei mehrphasige Siedlungen existierten, die ein Areal von ca. 3000 qm umfassten.

Von den Häusern der jüngeren Bauphase konnten Bretterböden angeschnitten werden, die auf mehreren Lagen von Unterzügen aus Rundhölzern verlegt worden waren [Bild 4]. Im Bereich der Feuerstellen wurde eine andere Unterkonstruktion gewählt und die Brandgefahr durch Lehmlagen verringert. Über die Bauweise der Wände und Dächer kann nichts gesagt werden, da diese Konstruktionselemente nicht mehr vorhanden waren. Bestätigt werden konnte, dass die Häuser in parallelen Reihen angeordnet waren. Es zeigte sich auch, dass jeder geöffnete Schnitt eine andere Geschichte erzählt: Wie und wie oft genau an dieser Stelle gebaut und renoviert wurde.

Unterhalb der Bretterböden und ihrer Unterkonstruktionen konnte nun definitiv bestätigt werden, dass dort eine ältere Bauphase vorliegt, von der aber keine Bretterböden belegt sind. Eventuell handelte es sich hier um abgehobene Gebäude.

Geweihhacke
Eine jungsteinzeitliche Geweihhacke in originaler Fundlage. Foto: W. Hohl, »Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart«
Jungsteinzeitliche Bretterboden
Ein jungsteinzeitlicher Holzbretterboden wird freigelegt. Foto: W. Hohl, »Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart«