Pilze, Paranüsse, Teewärmer und eine Schattenseite des Mondes

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"Was der Mond uns ist, das sind wir dem Mond.
Und er sieht uns einmal als Sichel, einmal als Halbkreis,
einmal voll und einmal nicht."Bertolt Brecht: Leben des Galilei

1. Einführung

Die Erforschung geistesgeschichtlich prägender Erscheinungen, ihrer Verbreitung in Kulturen der Vergangenheit und ihres Fortwirkens bis in die Gegenwart hinein ist ein wesentlicher Bestandteil des Abenteuers Archäologie. Schon jetzt mag sich manch vorsichtiger Leser fragen, was der Begriff Abenteuer in einer Abhandlung über vermeintlich so wenig aufregende Objekte wie mittelalterliche Schwertknäufe zu suchen hat. Nicht nur in Deutschland besagt eine von zahlreichen Fachleuten vertretene Ansicht, die Archäologie habe mit einem Abenteuer nichts gemein, sie beruhe vielmehr auf buchhalterischem Zusammentragen von Informationen und deren systematischer Kategorisierung. Dabei kann es bisweilen vorkommen, dass vor lauter wissenschaftlicher Akribie und Zurückhaltung bei der Deutung eines Forschungsgegenstandes der Ausblick auf größere Zusammenhänge auf der Strecke bleibt. Aus dieser Not - dem Rückzug in die viel zitierten akademischen Elfenbeintürme - eine Tugend zu machen steht nicht nur im Widerspruch zum Geist objektiver Forschung, sondern stellt bei genauer Betrachtung die Existenzberechtigung der Altertumswissenschaften in der Gegenwart in Frage. Archäologische Methoden wie die Formenkunde (Typologische Methode) sind dann kontraproduktiv, wenn sie zum Selbstzweck und nicht zur Grundlage weiter reichender kulturhistorischer Interpretationen werden. Dass Deutungsvorschläge gemacht, dieselben durch neue Erkenntnisse wiederum verworfen oder bestätigt werden, ist der ideale Gang der Dinge in der wissenschaftlichen Praxis. Hier soll nun eine "abenteuerlich" einfache Beobachtung als Beitrag zur Kulturgeschichte des Mittelalters zur Diskussion gestellt werden. Dieselbe hat ihren Ursprung einmal mehr in der Begegnung mit den Überresten der Kultur des alten Japan. Der vorliegende Artikel ist als Vorbericht für eine ausführlichere Publikation gedacht, zu deren Abfassung die notwendigen Quellen dem Verf. in Japan nicht zur Verfügung standen.

2. Anmerkungen zur Forschungsgeschichte

Durch neue Funde und Forschungsansätze wird der hohe Stellenwert der Himmelsbeobachtung in Europa und Vorderasien seit der Jungsteinzeit immer offenbarer. Mit der 2002 begonnenen Untersuchung und Auswertung der 1999 durch Raubgräber aufgefundenen „Himmelsscheibe von Nebra“ (ca. 1600 v. Chr.) rückte die Archäoastronomie verstärkt ins Blickfeld öffentlichen Interesses [1]. Die bisherigen Forschungsergebnisse zu prähistorischen Steinsetzungen und bspw. dem bronzezeitlichen „Sonnenwagen von Trundholm“, sowie den derselben Epoche angehörenden „Goldhüten“ mit astronomischem Bezug machen weitere Anstrengungen zur Erhellung prähistorischer Astronomie unabdingbar [2]. Dasselbe gilt für eine – noch genauer zu überprüfende - revolutionäre Theorie zum Ursprung der Sternbilder [3]. Was vor dem Hintergrund der Begeisterung für die frühesten astronomischen Leistungen der Menschheit momentan ein wenig ins Hintertreffen gerät ist der Umstand, dass die Beobachtung der Gestirne in allen Epochen bis in die Gegenwart fortgeführt worden ist. Besonders der Beobachtung des Sonnenstandes und der Mondphasen kam für die Entwicklung von Kalendersystemen raum- und epochenübergreifend entscheidende Bedeutung zu. Was den Mond anbelangt, veranschaulichen dies nicht nur archäologische und historische Erkenntnisse, sondern auch populäre Veröffentlichungen der Gegenwart (s.u.a. Mondkalender). Immer ist zu bedenken, dass bis weit in die Neuzeit hinein nicht scharf zwischen Astronomie und Astrologie, d.h. zwischen „wissenschaftlichen“ und „esoterischen“ Beweggründen für die „Sternguckerei“ unterschieden werden kann.

Ein noch kaum erforschter Zeitabschnitt in der Geschichte der Himmelsbeobachtung ist das hohe Mittelalter. In der vorliegenden Abhandlung ist das Hauptaugenmerk daher auf die Zeitspanne zwischen dem 9. und dem 13. Jahrhundert gerichtet. Werke des späten Mittelalters mit astrologischem Inhalt wie z.B. das in der Familie von Waldburg-Wolfegg überlieferte „Mittelalterliche Hausbuch“ [4] (um 1480) mit seinen Darstellungen der Planetenkinder, bereiten eine gut dokumentierte Blütezeit von Astronomie und Astrologie im Zeitalter der Renaissance bis ins ausgehende 17. Jahrhundert vor.

Die bisher erstellten Systeme zur Typisierung von Schwertern aus dem Zeitraum zwischen dem ausgehenden 9. und dem frühen 16. Jahrhundert beruhen auf Gliederungen nach formenkundlichen und metrischen Gesichtspunkten. Sie haben die Erfassung von Entwicklungslinien zum Ziel, die eine genauere zeitliche und räumliche Zuordnung der symbolträchtigen Waffen ermöglichen sollen. Ein Fernziel der Forschung ist dabei die Erfassung von Werkstättenkreisen sowohl für die Klingen, als auch für ihre Gefäße. Letztgenannte bestehen aus Knauf-, Parier- und Griffelementen (Gehilz/Hilze). Ein Standardwerk zur Einteilung von in Norwegen gefundenen „Wikingerschwertern“ des 8. bis 10. Jahrhunderts wurde 1919 von J. Petersen verfasst [5]. Eine umfassende Typologie von Schwertknaufformen des Mittelalters wurde 1964 von E. Oakeshott zusammengestellt und durch denselben Autor 1991 weiter ergänzt [6]. Ebenfalls 1991 veröffentlichte A. Geibig eine grundlegende Studie zur Formentwicklung des Schwertes im Mittelalter, in der Schwertklingen und Gefäßbestandteile vom 8. bis ins 12. Jahrhundert behandelt werden [7]. Ein Novum innerhalb seiner typologischen Gliederung stellt die ausführliche Auswertung der einzelnen Abmessungen eines Schwertbestandteils dar.

Die Schwertknauftypen in den Arbeiten von Petersen, Geibig und Oakeshott sind neutral mit Buchstaben oder Zahlen bezeichnet. Oakeshott benennt - wie zahlreiche Autoren vor ihm - seine Typen zudem aufgrund subjektiver Assoziationen. In der deutschsprachigen Blankwaffenkunde haben sich Hilfsbezeichnungen wie „Pilzknauf“, „Paranussknauf“ und „Scheibenknauf“ zur Kennzeichnung der im hohen Mittelalter am weitesten verbreiteten Knaufformen durchgesetzt. E. Oakeshott hat in seinen Beiträgen zur Formenkunde mittelalterlicher Schwerter außerdem noch Begriffe wie „tea-cosy-pommel“(„Teewärmerknauf“), „cocked-hat-pommel“(„Dreispitzknauf“) „boat-shaped pommel“ („Bootsknauf“) und „crescent-shaped pommel“ („Mondsichelknauf“) geprägt, die auch in jüngere englischsprachige Publikationen Aufnahme gefunden haben. In bisherigen Arbeiten zur Kategorisierung hochmittelalterlicher Schwertknäufe wurde bislang noch kein Versuch unternommen, die einzelnen Formen unter dem Gesichtspunkt ihrer ursprünglichen Bedeutung zu untersuchen.

3. Mondschein für tote Tokugawa-Shogune

Mein Interesse am ursprünglichen Sinngehalt der hochmittelalterlichen Knaufformen wurde durch die verschiedenen Formausprägungen des so genannten „Paranussknaufs“ geweckt, von denen zwei in Abb. 1-2 wiedergegeben sind. Bei zahlreichen Museumsbesuchen widmete ich daher nicht nur dem wesentlichen Bestandteil der dort bewahrten Schwerter, ihren Klingen, sondern auch den Knäufen besondere Aufmerksamkeit. Eine erste Vermutung bestand darin, dass die mittelalterlichen Knaufschmiede bei der Formgebung ihrer Produkte wohl weder Pilze und Paranüsse (letztere wurden erst ab dem 17. Jh. nach Europa eingeführt), noch – und das gilt auch und besonders für das mittelalterliche England - Teewärmer im Sinn hatten.

Wo aber kommt in der Natur eine Form vor, die als unmittelbares Vorbild für die variationsreichen „Paranussknäufe“ in Frage käme? Wie nicht nur in der Geschichte der Wissenschaften gelegentlich der Fall, verbarg sich der Wald zwischen einer kaum absehbaren Menge von Bäumen. Obwohl die hier vertretene Antwort auf die eben gestellte Frage auch am heimatlichen Himmel schon immer sichtbar war, fiel sie mir erst im Tokioter Ueno-Park auf dem Weg zur Arbeit ins Auge. Die ursprünglich aus China und Korea im 6. Jahrhundert zusammen mit dem Buddhismus nach Japan eingeführten Steinlaternen weisen an zwei ihrer Lichtauslassöffnungen zumeist Darstellungen verschiedener Mondphasen auf. Es kommen Durchbrechungen in Form des abnehmenden und zunehmenden, des Halb- und Vollmondes, sowie solche in Form von Phasen einer Mond-/Sonnenfinsternis vor (Abb. 3). Der Neumond wird in Form einer im Relief gestalteten Mondscheibe ohne Durchbrechung dargestellt.

Das sich stetig wandelnde Erscheinungsbild des Mondes am klaren Nacht- und Taghimmel war den Menschen seit der Frühzeit ein vertrauter und stets beobachteter Begleiter. Durch das Betrachten der Monddarstellungen an den Steinlaternen vor den Mausoleen der Tokugawa-Shogune in Ueno und Nikkô öffnete sich der Zugang zu einer fundierten Deutung hochmittelalterlicher Schwertknaufformen in Europa. Dieselbe ist dazu hin nicht auf das Formenspektrum der „Paranussknäufe“ beschränkt, sie trifft auf die überwiegende Mehrzahl der bisher an „ritterlichen Schwertern“ erfassten Knaufformen des 10. bis 13. Jahrhunderts zu.

4. Mond und Waffendesign im Hochmittelalter

Eine Wandlung im Erscheinungsbild von Schwertknäufen zeichnet sich im archäologischen Fundmaterial spätestens seit dem 9. Jahrhundert ab. Sie verläuft zeitgleich mit einem technologischen Umbruch in der Herstellung von Schwertklingen. Letzterer bestand im Übergang von aufwendig hergestellten Klingen mit Schweißmustern - zumeist in Form gewundener Schlangen/Würmer („wurmbunte Klingen“) - zu im Querschnitt deutlich einfacher aufgebauten Klingen. Im 10. Jahrhundert nimmt der Anteil an während der Karolingerzeit weit verbreiteten Schwertknaufformen mit 3-, 5- oder 7-fach untergliederter Knaufkrone in Mitteleuropa so stark ab, dass dort eine Einstellung ihrer Herstellung evtl. schon vor dem 10. Jahrhundert anzunehmen ist. Eine westeuropäische Ausnahme stellt Oakeshotts Typ M dar, der ihm zufolge in England an Schwertern des 13. und 14. Jahrhunderts nachgewiesen ist. Der konvex bogenförmige Verlauf der Basislinie von Typ M allerdings kann wie bei Geibigs Typ 7 als Zugeständnis an die wohl schon im 9. Jahrhundert einsetzende „Mondmode“ bei der Knaufgestaltung gewertet werden. In diesem Kontext gibt eine Mondsicheldarstellung aus einem in Canterbury um 1300 abgefassten Manuskript weiteren Aufschluss (Aufschlussreich ist die unter der Mondsichel gezogene konvexe Linie, die den Mondschatten oder möglicherweise einen Mondhof andeuten soll. Der Umriss des unbeleuchteten Bereichs ließe sich mit dem Begriff „paranussförmig“ anschaulich umschreiben, Abb. im Internet).

Um dem Leser einen Überblick über das Formenspektrum vom 8. bis ins 12. Jahrhundert zu verschaffen ist eine online zugängliche Zusammenfassung geeignet, die vereinfachend die von A. Geibig entwickelte, umfangreiche Knauftypologie wiedergibt [8]. In der Online-Version sind allerdings weder scheiben-, noch kugelförmige Knaufformen wiedergegeben. Die zeitlich breiter angelegte Knauftypologie von E. Oakeshott ist in geraffter Form ebenfalls online einsehbar [9]. Auf beide Typologien muss im Folgenden häufiger Bezug genommen werden.

4.1. Pilz-, Teewärmer-(„tea-cosy“) und Paranussknäufe

Eine Entwicklungslinie, die bereits im 8. Jahrhundert einsetzt, umfasst unverzierte schmiedeeiserne Schwertknäufe, die aus zwei Elementen - der Knaufstange und der Knaufkrone (Benennung nach Geibig 1991) – aufgebaut sind. Die oberen Umrisslinien der Knäufe bewegen sich zwischen dreieckig mit gerundeter Spitze bis bogenförmig, zur geraden Basislinie hin nimmt die Gesamtbreite ab (Geibig Typ 1, 5, 8). Nimmt man eine lineare Entwicklung innerhalb dieses Entwicklungsstrangs an, können die sog. Pilzknäufe mit etwas gestauchtem halbkreisähnlichem oberem Umriss und gerader – oder minimal konvex geschwungener - Basis als nächste Stufe angesehen werden (Geibig Typ 8). Oakeshott zieht für die Exemplare mit gerader Basislinie den Begriff „tea-cosy-pommel“ (=„Teewärmerknauf“) vor. Vermutlich frühe Formen bestehen noch aus den erwähnten zwei Konstruktionselementen und weisen bisweilen eine Zoneneinteilung auf, wie sie für die aufwendiger verzierten karolingerzeitlichen Knäufe charakteristisch ist (Abb. 5). Einen weiteren Schritt stellen aus einem Stück hergestellte „Pilz-„ bzw. „Teewärmerknäufe“ dar (Oakeshott Typ B1, s. Abb. 6, 7). Spätestens in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts kommen neben den einteiligen „Pilzknäufen“ die charakteristischen Schwertknäufe mit stärker konvex ausgeprägter Basislinie auf (Geibig Typ 12, 15, 16vI, Oakeshott Typ A, B, s. Abb. 8). Eine frühe bildliche Darstellung eines „Paranussknaufs“ findet sich im Reichenauer Evangeliar, das um das Jahr 1000 angefertigt worden ist (Das Schwert in der Hand des Schwertträgers auf der rechten Seite besitzt einen klassischen Mondschatten- ('Paranuss'-) knauf. Aus Mitteleuropa ist dies die älteste bisher bekannte bildliche Darstellung dieses Knauftyps, Abb. im Internet). Es ist anzunehmen, dass es sich bei dem abgebildeten Schwert um eine Waffe handelt, die zum Zeitpunkt der abgebildeten Zeremonie bereits über einen längeren Zeitraum überliefert worden war. Die so bezeichneten Knäufe erfahren ihre größte Verbreitung im 11. und 12. Jahrhundert (Geibig Typ 12, 14, 15,18, 16vI, 16vII, Oakeshott Typ A, B).

Unterzieht man die am ausführlichsten in der umfassenden Studie von A. Geibig dokumentierte Variationsbreite der „Pilz-“, „Paranuss-“ und „Teewärmerknäufe“ zuerst einem Vergleich mit den Monddarstellungen auf japanischen Steinlaternen und schließlich mit dem am Nachthimmel immer noch regelmäßig erscheinenden Original, werden vorerst zwei Zusammenhänge deutlich: die bisher als Pilz- bzw. Teewärmerknäufe  bezeichneten Gefäßelemente haben eine verblüffende Ähnlichkeit mit den monatlich zweimal auftretenden Halbmondphasen (Abb. 9, 10). Der Verlauf der Trennlinie zwischen dem von der Sonne angeleuchteten und dem im Schatten liegenden Bereich ist zum Zeitpunkt des Halbmondes ohne optische Hilfsmittel nicht scharf zu erkennen und kann subjektiv entweder als gerade oder minimal zur Schattenseite hin gekrümmt erscheinen. In der Folge dieser Beobachtung möchte ich für die so genannten Pilz- und Teewärmerknäufe (tea-cosy-pommels) den Begriff „Halbmondknauf“ vorschlagen. Eine Differenzierung zwischen den beiden am häufigsten vorkommenden Varianten kann durch den Zusatz „mit gerader/konvexer Basislinie“ vorgenommen werden.

Wie aber ist der relativ flach linsenförmige Umriss klassischer Paranussknäufe mit dem Mond in Zusammenhang zu bringen? Zieht man die Mondphasen auf Abb. 11 zu Rate, wird deutlich, dass die von der Sonne beleuchtete Mondseite nur zweimal pro Monat entfernt Ähnlichkeit mit einer extrem rundlichen Paranuss hat: zwei Tage nach Halbmond bei zunehmendem und zwei Tage vor Halbmond bei abnehmendem Mond. Tatsächlich könnte man auch diese Mondphase mit Typ B nach Oakeshott und den Typen 14 und 18 nach Geibig anschaulich wiedergeben. In Ermangelung einer griffigeren Formulierung schlage ich für die nach oben und unten stärker ausgebauchten Paranussknäufe den Begriff „Nahhalbmondknauf“ vor.

Der flachere und schärfer begrenzte Umriss des am häufigsten dokumentierten Paranussknauftyps liegt auf der, der Erde zugewandten, Schattenseite des Mondes und ist – unter Ergänzung der Sichelhörner zu einem Kreis - etwa 5 Tage vor und 5 Tage nach Neumond zu beobachten. Als ein weiterer möglicher Ursprung für diese charakteristische Knaufform kommt der im Erdschatten liegende Bereich des Vollmonds zum Zeitpunkt einer Mondfinsternis in Frage (Abb. 12). Diese Assoziation drängte sich beim Betrachten der Monddarstellung an einer modernen Steinlaterne im Ueno-Park auf (Abb. 13). Für die flacheren Varianten des „Paranussknaufs“ möchte ich daher den Begriff „Mondschattenknauf“ vorschlagen. Immerhin war der Mondschatten im antiken und mittelalterlichen Bewusstsein nachweislich fester verankert, als die brasilianische Paranuss.

Aufgrund fehlender optischer Hilfsmittel mussten sich die mittelalterlichen Knaufschmiede bei der Gestaltung ihrer Mondphasen in Stahl zu Beginn zwangsläufig auf subjektive Eindrücke verlassen.

Die Tatsache, dass die Freiheit bei der Formgestaltung auch durch funktionale Erfordernisse eingegrenzt war, versteht sich von selbst und war von grundlegender Bedeutung für die dreidimensionale Gestaltung der Schwertknäufe. Eine dieser Anforderungen bestand im Ausbalancieren der Klinge, d.h. der Gleichgewichtspunkt des Schwertes sollte möglichst zum Gefäß hin verschoben werden, was die Führigkeit der Waffe positiv beeinflusst. Ebenfalls mag die aus heutiger Sicht etwas eigenwillig anmutende Auffassung von akkuraten Monddarstellungen in der frühmittelalterlichen bis gotischen Kunst als eine Erklärung für ein gewisses Maß an Abstrahierung/Stauchung bei der schmiedetechnischen Umsetzung der Mondphasen dienen. Tatsächlich lässt sich schon am „Design“ der unverzierten Eisenknäufe des 8. und 9. Jahrhunderts ein Trend zu einfachen geometrischen Formen ablesen, der etwa zeitgleich an der Fassade der „Königshalle“ des Klosters Lorsch und in der entwickelten romanischen Kunst z.B. an architektonischen Zierelementen abzulesen ist. Ein Beispiel ist die gestalterische Umdeutung von Schlangenlinien (s. germanische Tierstile und Flechtbandmotivik) zu zickzackförmig verlaufenden Mustern, die in der romanischen Architekturterminologie als Chevron-Muster bezeichnet werden. Ob sich auch an Elementen der romanischen und gotischen Architektur vergleichbar offensichtliche Bezüge zur mittelalterlichen Mondbeobachtung ablesen lassen wie an den Schwertknäufen dieser Epochen bleibt von kunsthistorischer Seite zu überprüfen.

4.2. Kugel- und Scheibenknäufe

Oakeshotts Typ R ist durch seine Kugelform (Abb. 14) definiert und wird laut der oben angeführten Online Zusammenfassung folgendermaßen datiert: „Die meisten Beispiele scheinen aus dem 9. und 10. Jahrhundert zu stammen. Wie dem auch sei, es finden sich noch Beispiele aus dem 16. Jahrhundert“. So genannte Scheibenknäufe (engl. „wheel-„ oder „disc-shaped-pommels“, Abb. 15) sind im 11. Jahrhundert - den Bildquellen zufolge – schon so weit verbreitet, dass die Möglichkeit ihres Aufkommens schon im frühen 10. Jahrhundert – evtl. sogar noch früher – in Betracht gezogen werden sollte. Zahlreiche Bildbelege für Schwerter mit kreisförmigen Knäufen, bei denen es sich sowohl um Kugel-, als auch um Scheibenknäufe handeln könnte, finden sich bspw. auf dem so genannten „Teppich von Bayeux“ (1070 - 1077), der die Geschichte der Eroberung Englands durch die Normannen 1066 wiedergibt. Abbildungen von kugel- und scheibenförmigen Schwertknäufen finden sich u.a. in der „Maciejowski-Bibel“ (Pierpont Morgan Library, New York, Ms M. 638), deren Abbildungen online zugänglich sind [10].

Die in der Frontalansicht scheibenförmigen Knäufe kommen vom 10. bis ins 16. Jahrhundert in größerer Formenvielfalt vor als die paranussförmigen, deren Herstellung wohl schon im Verlauf des 12. Jahrhunderts eingestellt worden ist. Oakeshott unterteilt die „wheel-pommels“ in 9 Varianten (Typ G, G1, G2, H, I, J, J1, K, W). Charakteristisches Merkmal der Typen I, J, K ist eine zweite, erhaben ausgearbeitete, Kreisform auf der Vorder- und Rückseite der Knäufe. Ob hiermit ursprünglich ebenfalls ein astronomisches Phänomen (Mond-/Sonnenfinsternis) dargestellt, oder schlicht ein weiteres Zierelement angebracht werden sollte, sei dahingestellt. Ab dem 13. Jahrhundert finden sich häufiger scheibenförmige Knäufe aus Bronze, deren ursprünglich goldfarbenes Erscheinungsbild weniger auf den Mond-, als vielmehr auf die Sonnenscheibe bezogen werden könnte. In der Mitte von scheibenförmigen Schwertknäufen kommen im 13. und 14. Jahrhundert gelegentlich Kreuzsymbole vor, die bisweilen auch in Bunt- oder Edelmetall tauschiert sind. Ab dem 13. Jahrhundert kommen allmählich neue Knaufformen auf. Ihr Erscheinungsbild zeugt in noch höherem Masse von Zweckorientierung und von einem - von Formen der aufkommenden Gotik beeinflussten - Zierbedürfnis, als dies bei den mit heidnischer und christlicher Symbolik beladenen Schwertklingen und Schwertgefäßen des hohen Mittelalters der Fall war.

Für die hier aufgestellte These von einem engen Zusammenhang zwischen hochmittelalterlichen Schwertknaufformen und verschiedenen Mondphasen spielt die Unterscheidung zwischen Kugel- und Scheibenform eine untergeordnete Rolle. Tatsache ist, dass beide Knaufformen ohne ein Übermaß an Phantasie  als Darstellung des Vollmonds gedeutet werden können. Eine Benennung als „Vollmondknauf“ mit dem Zusatz „in Scheiben-/Kugelform“ kommt dem ursprünglichen Sinngehalt der beiden Knaufformen meiner Einschätzung nach näher, als die neutraleren Hilfsbezeichnungen.

4.3. Boots- und mondsichelförmige Knäufe (“boat-“ and “crescent-shaped-pommels”)

Die Ähnlichkeit dieser beiden Knaufformen mit der Mondsichel, wie sie 3-4 Tage vor und nach Neumond sichtbar ist, hat E. Oakeshott zur Benennung des „Mondsichelknaufs“ („crescent-shaped pommel“) veranlasst. Dass eine weitere geschmiedete Wiedergabe der Mondsichel Ähnlichkeit mit einem einfachen Bootskörper hat, berücksichtigte Oakeshott ebenfalls. Zu den mondsichelförmigen Knäufen zählen Oakeshott´s Typen N und O, sowie Geibigs Typen 17vI und 17vII. Eine übergeordnete Bezeichnung als „Mondsichelknäufe“ in Anlehnung an Oakeshotts Benennung bietet sich für die genannten Knaufformen an. Die mondsichelförmigen Knäufe kommen mit hoher Wahrscheinlichkeit erst im 12./13. Jahrhundert auf und repräsentieren so die jüngste Gruppe der „Mondknäufe“. Schöne Beispiele für mondsichelförmige Knäufe finden sich u.a. in der figürlichen Ausstattung des Freiburger Münsters aus dem 13. und 14. Jahrhundert.

4.4. Mondsichelförmige Knäufe mit Mittelhöcker

Die letzte Gruppe der hier behandelten hochmittelalterlichen Schwertknäufe findet sich bei Oakeshott in die Typen C, D, E, P, bei Geibig in die Typen 13vI, 13vII und 19 unterteilt. Oakeshott fasst seine Typen C, D und E auch unter dem Begriff „cocked-hat-pommel“ (=“Dreispitzknauf“) zusammen. P ist eine Sonderform, deren Zugehörigkeit zur oben genannten Gruppe fraglich ist. Für Geibigs Typ 13vI ist der Zusammenhang mit einer freien Wiedergabe einer Mondphase ebenfalls nicht offensichtlich. Eine Verbindung ließe sich nötigenfalls aus einem subjektiven Eindruck der von einem Hof umgebenen Mondsichel herleiten, wie sie am Nachthimmel gelegentlich zu beobachten und in ähnlicher Form auf mittelalterlichen Abbildungen wiedergegeben ist. Typ 13vII (Abb. im Internet) dagegen entspricht einer Tradition in der Wiedergabe der Mondsichel, deren Ursprünge in römischer Zeit an den so genannten Lunula-Amuletten abzulesen sind. Oakeshotts Typ E stimmt insofern mit Geibigs Typ 19 überein, als der Mittelhöcker die ganze Breite des Knaufes einnimmt und in Form eines Dreiecks mit leicht gerundeter Spitze ausgeführt ist. Eine Erklärung für diese Darstellungsweise einer Mondphase besteht darin, dass das Sonnenlicht im Bereich der Trennlinie zwischen beleuchtetem und unbeleuchtetem Bereich des Mondes regelmäßig (?) auf höher liegendes Terrain fällt. Das Licht dringt daher in der Mondmitte etwas in den Schattenbereich vor und unterteilt die Trennlinie in zwei extrem flache Bögen. Der optische Eindruck dieser Mondphasen ist auch ohne optische Hilfsmittel am Nachthimmel nachzuvollziehen. Spätestens seit dem 14. Jahrhundert wird der Mond in Manuskripten und der Glasmalerei mit menschlichen Gesichtszügen versehen. Für die übergeordnete Knaufgruppe möchte ich den Begriff „Mondsichelknauf mit Mittelhöcker“ vorschlagen.

5. Himmlische Indizien

Wie eingangs erwähnt lässt sich die Beobachtung der Mondphasen und ihre bildliche Umsetzung in Europa bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgen. Für die Bronzezeit zeichnet sich auch aufgrund der Entdeckungen der letzten Jahre die hohe Bedeutung der Mondbeobachtung immer deutlicher ab. Zu den anerkannten Monddarstellungen auf der „Himmelsscheibe von Nebra“ und den von W. Menghin eingehend untersuchten „Goldhüten“ gesellen sich ebenfalls der Bronzezeit zugehörige Stücke wie die als Halsschmuck gedeuteten goldenen Lunulae aus Irland und die mondsichelförmigen „Feuerböcke“ auf dem Kontinent. Ob bereits in der Bronzezeit ein Zusammenhang zwischen Himmelsbeobachtung und Blankwaffen mit kreis- und/oder sichelförmigen Zierelementen (z.B. bisher als typologisches Rudiment gedeutete „Nietköpfe“ an Vollgriffschwertern aus Bronze, annähernd kreisförmige Einfassung der Klingenschultern) bestanden hat, bleibt zu überprüfen. In jedem Fall verdient der Umstand Beachtung, dass die Nebraer Scheibe u.a. zusammen mit zwei aufwendig gearbeiteten Bronzeschwertern gefunden worden ist.

Auch die so genannten Antennenschwerter und -dolche der ausgehenden Bronze- und beginnenden Eisenzeit, sollten vor dem Hintergrund der jüngsten Erkenntnisse der Archäoastronomie neu untersucht werden. Dass dieselben als Vorläufer der aus der jüngeren Eisenzeit überlieferten Schwerter mit Gefäßen in Form eines menschlichen Körpers gedeutet werden könnten, ist unbestritten. Ebenso unbestritten ist, dass an den relativ kurzen Klingen der letztgenannten Schwerter aus den letzten Jahrhunderten vor Christi Geburt bisweilen Mond- und Sonnensymbole anzutreffen sind [11]. Dieselben Symbole kommen auch als eingepunzte Marken auf Langschwertklingen der jüngeren Eisenzeit vor, wie sie aus Mitteleuropa und England dokumentiert sind. Es wird vermutet, dass neben der iberischen v.a. die Schmiedetradition der spätkeltischen Bevölkerung im heutigen Frankreich und im Gebiet der steyrischen Eisenvorkommen im heutigen Österreich die Entwicklung der römischen Schwertschmiedekunst entscheidend beeinflusst hat.

An Schwertern der römischen Kaiserzeit sind mondsichelförmige Gefäß- und Scheidenbestandteile gut dokumentiert. Eine gängige archäologische Deutung als Amulett wie sie für Lunula-Anhänger als Schmuck und u.a. als Bestandteil des Pferdezaumzeugs verbreitet ist, lässt sich auch auf die Monddarstellungen an Schwertzubehör übertragen. Ohne im Rahmen dieser Abhandlung weiter ins Detail gehen zu können: die Mehrzahl der häufig aus organischem Material bestehenden Schwertknaufformen der römischen Kaiserzeit weist weitgehende Übereinstimmungen mit den hier als „Mondknäufe“ interpretierten, ab dem 10. Jahrhundert weit verbreiteten hochmittelalterlichen Knaufformen auf. Diese reichen bis zur zonalen Gliederung der Knäufe wie sie in etwas abgewandelter Form vom 7. bis ins 9. Jahrhundert vorkommt. So beinhaltet das kaiserzeitliche Formenspektrum halbmondförmige, mondsichelförmige, sowie scheiben- und kugelförmige Knäufe, die bisweilen durch horizontal (Schwertgefäß oben, Schwertspitze/Ort unten) verlaufende Linien unterteilt sind. Im Gegensatz zu den hochmittelalterlichen Stücken ist das „Design“ der Parierelemente – von „Parierstangen“ kann noch nicht die Rede sein – an dasjenige der Knäufe angelehnt. Knauf- und Parierelemente weisen etwa dieselbe Breite auf. Eine ebenfalls im Internet zugängliche Bildsammlung ermöglicht es dem Leser sich einen ersten Überblick über diese Aspekte zu verschaffen [12].

Vom 5. bis ins 7. Jahrhundert geht die Gestaltung der Klingen, der Gefäß- und Zubehörteile im germanischen Einflussbereich stilistisch eigene Wege, auf die im Rahmen dieser Abhandlung nicht eingegangen werden kann. Ob in diesem Zeitraum bereits ein gestalterisch abstrahierter Zusammenhang zwischen Schwertknäufen und den später offensichtlichen Mondphasendarstellungen bestanden hat, ist noch unklar. Es kann immerhin als gesichert gelten, dass der hohe Symbolwert des Schwertes im frühen Mittelalter    eher durch die aufwendige Schmiede- und Oberflächentechnik der „wurmbunten“ Klingen, als durch die künstlerische Gestaltung der Gefäßbestandteile zum Ausdruck kam [13]. Die um 500 mit der Taufe Chlodwigs wieder einsetzende Ausbreitung des Christentums und die von Karl dem Grossen (um 742-814) geförderte Rückbesinnung auf antike Traditionen hatten m.E. größeren Einfluss auf die Formen und die schmiedetechnische Entwicklung des Schwertes im Mittelalter, als technologischer oder kampftechnischer Fortschritt.

Darstellungen von Sonne, Mond, Sternen und verschiedenen astrologischen Symbolen sind  als gestempelte Marken oder Gravuren auf Schwertklingen seit dem späten Mittelalter bis in die Neuzeit hinein weit verbreitet [14]. Im 16. und 17. Jahrhundert sind Mondsicheldarstellungen auf im deutschsprachigen Raum hergestellten Schwertern als Symbol für den Islam verbreitet (Abb. 28). Auch die wahrscheinlich im italienischen Lucca hergestellten Klingen mit den charakteristischen Sichelmarken fallen in diesen Zeitraum.  Sie wurden möglicherweise im Zusammenhang mit der Bedrohung durch die osmanische Expansion und den daraus folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen auf  Schwertklingen graviert. Eine umfassendere Zusammenstellung und Aufarbeitung der astrologischen Zeichen auf Schwertklingen und an Schwertzubehör stellt einen besseren Überblick über den Zusammenhang zwischen astronomischen Erscheinungen und den Blankwaffen verschiedener Kulturräume und Epochen in Aussicht.

6. Wie kommt der Mond aufs Schwert? Erste Ansätze zu einer Deutung

Die hier vorgeschlagenen Anhaltspunkte zur kulturgeschichtlichen Einordnung hochmittelalterlicher Schwertknaufformen beruhen zum einen auf der Basis bekannter Fakten aus der Frühgeschichte der Himmelsbeobachtung, zum anderen auf Funden von Schwertern, die in Europa seit dem 3./4. Jahrhundert v. Chr. auf der Klinge oder den Gefäß- und Zubehörteilen Astraldarstellungen aufweisen.

Die astrologische Lehre von den Planeten, bzw. von ihren Auswirkungen auf die in ihrem Zeichen Geborenen (Planetenkinder) stellte wie der Tierkreis eine Grundlage der antiken (ab dem 5. Jh. v. Chr.) und mittelalterlichen Astrologie dar. In der römischen Kaiserzeit ist das hohe Ansehen der Astrologie unter manchen Herrschern anhand von Schriftquellen gut zu belegen [15].

Über den religiösen Stellenwert des Himmelsgewölbes beim römischen und den romanisierten Völkern geben die archäologisch zahlreich nachgewiesenen bildlichen und figürlichen Darstellungen der Planetengötter Mars, Merkur, Jupiter und Venus ebenso Aufschluss, wie eine kaum absehbare Vielfalt an Mondsichelamuletten. Die römische Göttin des Mondes, Luna, geht auf  die griechischen Mondgöttinnen (u.a. Selene, Danaë und Artemis) und letztlich auf die weiblichen Mondgottheiten im Zweistromland und in Ägypten  zurück. So erklärt sich die klassische Deutung des Mondes als weiblich. Auch in den spätmittelalterlichen Darstellungen der Planetenkinder ist der Mond, Luna, als junge Frau abgebildet, wohingegen die Sonne, Sol, als Mann dargestellt ist. Bei der Darstellung der Luna aus dem so genannten „Mittelalterlichen Hausbuch“ (um 1480) verdient die Darstellungsweise des Mondes rechts neben der Göttin im Zusammenhang mit den hier erörterten Schwertknauftypen  besondere Beachtung (Abb. im Internet).

Nach dem Niedergang des römischen Westreiches blieben die astronomischen/astrologischen Schriften der Antike im germanischen Einflussbereich möglicherweise bis ins 8. Jh. hinein unbeachtet. Als einen Grund für das Aufkommen der im Hochmittelalter bereits weit verbreiteten „Mondknauftypen“ möchte ich daher die Wiederbelebung der antiken Astronomie/Astrologie durch die Reformen Karls des Grossen im 8./9. Jahrhundert zu bedenken geben. Ein Anlass für diese Renaissance waren Anstrengungen zu einer genaueren Berechnung des Osterdatums [16]. Zu diesem Zweck war unter anderem eine intensive Neubeobachtung und Auseinandersetzung mit den Mondphasen notwendig, da die Stärke der am karolingischen Hof zugänglichen astronomischen Lehrgedichte eher auf literarischem, als auf naturwissenschaftlichem Gebiet lag. 

Um 830-40 wurde am Hof von Karls Sohn, Ludwig dem Frommen, die so genannte Aratea [17] in Auftrag gegeben, die auf der dichterischen Beschreibung von Himmelsphänomenen („Phainomena“) durch den griechischen Gelehrten Aratos (um 310 - um 245 v. Chr.)  beruht [18]. Die Handschrift enthält Darstellungen der Planetengötter, unter denen die Göttin Luna in einem von zwei Ochsen gezogenen Wagen dargestellt war [19]. Inwieweit der Austausch des karolingischen Hofes mit dem islamischen Orient zum Wiederaufleben der antiken Astronomie beigetragen haben könnte, bleibt zu klären.

Ebenfalls in die Zeit der karolingischen Herrschaft fällt ein grundlegender Wandel in der Herstellungstechnik von Schwertklingen, der in Mitteleuropa erst um das Jahr 1000 abgeschlossen war. Die durch extrem aufwendige Schmiedetechniken erzeugten Schlangenlinienmuster in den Klingenoberflächen der meisten zweischneidigen Schwerter des 5. bis 8. Jahrhunderts wichen allmählich den in einem christlichen Umfeld unverfänglicheren Verzierungen in Form von Klingeneinlagen und Tauschierungen, deren Verwandtschaft zu den ursprünglich heidnischen Mustern anfangs noch offensichtlich ist. Ich schreibe den Wandel in der Klingen- und Gefäßherstellung dem Einfluss des sich ausbreitenden Christentums zu, das den in der germanischen Mythologie zum Teil positiv besetzten Vorstellungen von Schlangen und Drachen entgegenwirken wollte. Auch die zumindest über 3 Jahrhunderte hinweg mit heidnischer Symbolik verzierten Schwerter sollten zu einem Werkzeug des christlichen Glaubens umfunktioniert werden. Dieser Trend ist ebenfalls an der spätestens im 10. Jahrhundert aufkommenden und ab dem 11. bis ins frühe 16. Jahrhundert weit verbreiteten Kreuzform der Gefäße  mit deutlich verlängerter Parierstange (s. engl. „cross“) abzulesen. Vereinzelt kommen auch schon im Frühmittelalter Schwerter mit längeren Parierstangen vor.  Unter rein funktionalen Gesichtspunkten sind lange Parierstangen nicht notwendig, wie Vergleiche mit zeitgleichen Blankwaffen Asiens und den vor- und nachmittelalterlichen Blankwaffen unseres Kulturkreises nahe legen.

Die hier im Zusammenhang mit Schwertern nur kurz angerissene Schlangensymbolik der Germanen umfasste auch eine Deutung von Schlangen (oft synonym mit Drachen/Würmern) als Symbol für die Unendlichkeit wie sie an Darstellungen von sich in den Schwanz beißenden und zweiköpfigen Schlangen zum Ausdruck kommt: kein Anfang und kein Ende. Diese Motive sind an Hunderten von frühmittelalterlichen Schwertklingen und  Schwertzubehörteilen archäologisch nachweisbar. So genannte gegenständige Drachenpaare kommen bereits auf Schwertscheiden der jüngeren Eisenzeit vor (ab dem 3./4. Jh. v. Chr.). Der in China ebenfalls über zumindest 2300 Jahre, in Japan über 1400 Jahre zurückreichende Zusammenhang zwischen Schwertern und Drachen, sowie astronomischen Erscheinungen/Sternbildern, macht eine vergleichende Auswertung zusammen mit den europäischen Funden und Befunden  erforderlich.

Eine spekulative Kombination anerkannter Tatsachen könnte jedoch schon zum jetzigen Zeitpunkt eine fruchtbare Diskussion anregen: zahlreiche archäometallurgische Erkenntnisse belegen, dass der Höchststand der Eisenverarbeitung seit dem Aufkommen der frühesten Kurzschwerter aus Stahl im westlichen Iran (Provinz Luristan) um 1000 v. Chr. bis ins 18. Jahrhundert an Schwertklingen zum Ausdruck kommt. Warum ist das so? An gebrauchstüchtige Stahlschwerter mussten überall, nicht nur in Japan, widersprüchliche Ansprüche gestellt werden: der Klingenkörper musste einerseits flexibel genug sein, um bei starker Beanspruchung nicht zu zerbrechen, andererseits aber eine gewisse Steifigkeit aufweisen  um sich nicht dauerhaft  verbiegen zu lassen. Als dritte Anforderung sollten gute Stahlschwerter scharfe Schneiden aufweisen, die ein vorteilhaftes Verhältnis von Härte bei gleichzeitiger Zähigkeit in sich vereinten.

Um diesen widersprüchlichen Anforderungen Rechnung zu tragen, wurden seit Beginn der Schwertherstellung Eisenwerkstoffe mit unterschiedlichen Kohlenstoffgehalten und Raffinationsgraden kombiniert und mehr oder weniger glücklich gehärtet. Neben den angesprochenen Faktoren spielte immer auch die Gestaltung des Klingenquerschnitts eine entscheidende Rolle. Das Gewicht eines einhändig geführten Schwertes sollte 1,5 kg nicht überschreiten. Der Grundstoff eines Stahlschwertes ist Eisen, das in Form von Meteoriteisen bereits vor dem 3. vorchristlichen Jahrtausend in Sumer und Ägypten zu Schmuck und kleinen Artefakten (u.a. Speerspitzen) verarbeitet worden ist. Im nahen Osten wurde das vom Himmel gefallene Eisen folgerichtig etwa als „Himmelsmetall“ bezeichnet. Der französische Begriff „siderurgie“ ist eng verwandt mit dem griechischen Begriff „sideros“ (= Stern). Eine gedankliche Verbindung zwischen der drachenspezifischen Eigenschaft des Feuerspeiens und dem Eintreten von verglühenden Meteoriten in die Erdatmosphäre ist  bereits gezogen worden. Das Sternbild Draco (Drache) gehört zu den Sternbildern, die von Ptolemäus im 2. Jahrhundert n. Chr. beschrieben worden sind. Dass die Überlieferung dieses Sternbildes bereits zum damaligen Zeitpunkt weiter zurückreichte, ist zu vermuten.

Die Phasen des Mondes können sowohl als Symbol für die Vergänglichkeit, als auch für den ständigen Kreislauf von Werden und Vergehen gedeutet werden, was eine Erklärungsmöglichkeit für ihr Vorkommen auf  Schwertklingen und Gefäßbestandteilen darstellt. Eine solche Deutung war der mittelalterlichen Vorstellungswelt zweifellos nicht fremd, worauf z.B. die ununterbrochene Drehung des Rades der Fortuna – auch Lebensrad genannt - hinweist (Abb. 16). So konnte einer der zahlreichen ursprünglich durch heidnische Schlangen/Drachen transportierten Bedeutungsinhalte durch ein im Christentum unbelastetes Symbol wiedergegeben werden. Dieselbe Tendenz geht aus einer Vielzahl von Inschriften auf hochmittelalterlichen Schwertklingen hervor, die oft heidnische und christliche Symbolik miteinander vereinen (Abb. 17).

Auch die silberne  Farbe geschliffenen und polierten Eisens wird dem Mond zugeschrieben, wohingegen die Sonne meist in Gold wiedergegeben wird. Ein mittelalterlicher Kämpfer, der täglich den Umgang mit der Waffe übte, musste damit rechnen im Kampf getötet zu werden. Aus einem solchen Blickwinkel erschien die Zuflucht zu mythisch-religiösem Gedankengut, das den Schrecken des Todes relativiert – wenn nicht gar überwindet - mit Sicherheit als ein Gebot der Vernunft und nicht als esoterische Schwärmerei. Das Vorkommen von christlicher und heidnischer Symbolik auf ein- und derselben Schwertklinge kann dabei als Rückversicherung im entscheidenden Moment gedeutet werden. Das hochmittelalterliche Kampfschwert war in der Tat so mit Symbolik beladen, dass es über seine hochwertige Stahlklinge und die einfachen schmiedeeisernen Gefäßteile hinaus kaum weiteren Schmuck benötigte.

An keiner anderen Artefaktgruppe ist das Fortbestehen vorchristlicher Vorstellungen bis ins späte Mittelalter hinein so eindrücklich zu belegen wie an Schwertern, vor allem an ihren Klingen. Als Belege für diese Aussage dienen Darstellungen von Schwertern mit Schlangenlinien in der Hohlkehle, wie sie in der Manuskriptillumination, auf emaillierten Reliquiaren  und in der Glasmalerei des 13. und 14. Jahrhunderts in großer Zahl vorkommen. Ein weiterer Beleg für diese Kontinuität ist die erst im 13. Jahrhundert abklingende Gepflogenheit Schwerter in Gewässern zu versenken, wie sie in der späten Eisenzeit ihren Anfang nahm. Ein Grund für die bewusste Deponierung von Schwertern in Seen und Flüssen ist die konkret belegbare – auch heute noch nachvollziehbare – Vorstellung vom Schwert als einer Brücke zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt [20].

Ein weiterer Grund besteht in der schon vor dem frühen Mittelalter im keltischen Kulturbereich verbreiteten Überzeugung, das Schwert habe ein Eigenleben, wovon die  zahlreichen Schwertnamen und ausführlichen Charakterisierungen von Schwertern in der altirischen, wallisischen  und altnordischen Literatur beredtes Zeugnis ablegen. Dem Schwert wurde durch die kunstreiche Kombination der Elemente Erde (Erz, Holzkohle) Luft, Feuer und Wasser (Abschreckhärtung)  „Leben eingehaucht“. Die archäologischen und naturwissenschaftlichen Hinweise darauf, dass Schwerter bis ins 13. Jahrhundert durch dieselben Elemente (Ausglühen und/oder Versenken) im übertragenen Sinn „entseelt/getötet“ wurden, sind zahlreich, harren aber noch einer eingehenden Auswertung. Die Relevanz dieser Einschätzung erklärt sich aus dem Umstand, dass die meisten hochmittelalterlichen Schwerter mit „Mondknäufen“ als Einzelfunde bei Baggerarbeiten an und in Gewässern zutage kamen und kommen. Allgemein scheint die fast religiöse Verehrung von Schwertern im europäischen Rittertum ab dem 13. Jahrhundert allmählich zu erlöschen. Vielleicht wurde sie gerade deswegen in den Ritterromanen, Sagas und Chroniken des 13. und 14. Jahrhunderts ein letztes Mal ausführlich gewürdigt und als ebenso vorbildlich für den ritterlichen Nachwuchs dargestellt, wie die Verehrung und der Respekt vor der Damenwelt.

Der Mond als Verkörperung eines weiblichen Prinzips wurde schon vor dem hohen Mittelalter christlich umgedeutet. Das Motiv der mit dem Mond dargestellten Muttergottes basiert auf dem in der Apokalypse geschilderten Kampf zwischen dem Erzengel Michael und dem Drachen, dem eine schwangere, vom Drachen verfolgte Frau beiwohnt: „Und es geschah ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau mit der Sonne bekleidet und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen (Apokalypse 12,1). Die älteste überlieferte bildliche Darstellung der Muttergottes mit dem Mond stammt wie das Rad der Fortuna aus dem „Hortus Deliciarum“ (um 1180) der Herrad von Landsberg, Äbtissin des Klosters auf dem Odilienberg im Elsass. Ab dem 13. Jahrhundert wird die Abbildung der auf dem Mond stehenden Muttergottes zum Topos in der gotischen Kunst, der zum kunstgeschichtlichen Terminus „Mondsichelmadonna“ (Abb. 18) geführt hat.

Das Minneideal des christlichen Ritters von der unerfüllten Liebe zu einer unerreichbaren Dame konnte so im übertragenen Sinne aus dem Schwert(-knauf) selbst hergeleitet werden. Ebenso war der Trost durch Leidensweg und Auferstehung Christi - in Form der Verbindung der langen Parierstange mit der Klinge - im wahrsten Sinne des Wortes bequem zur Hand.  Neben der Funktionalität ihrer mit Inschriften versehenen Klingen und ihrer durch eine lange Parierstange bedingten Kreuzgestalt, konnten Schwerter mit Knäufen in Mondform die Muttergottes, das Prinzip des Weiblichen und den Kreislauf des Lebens ins Gedächtnis rufen. Bei dem hohen Symbolgehalt der mittelalterlichen Schwerter kann es kaum noch verwundern, dass sich die Helden der mittelalterlichen Dichtungen möglichst nicht von ihren Schwertern trennten, bzw. verhindern wollten, dass sie in unwürdige Hände gelangten.

Das Vorkommen von Schwertknäufen in Form verschiedener Mondphasen wirft natürlich auch die ganz konkrete Frage nach der spezifischen Bedeutung der einzelnen Mondphasen in der astrologischen Lehre des Mittelalters auf. Die Datierung der einzelnen mittelalterlichen Schwerttypen und Knaufformen steht aufgrund verschiedener Unwägbarkeiten  bislang noch keineswegs auf festem Grund. Dieselben bestehen unter anderem in den Gepflogenheiten bei der Vererbung von Schwertern und ihrer in Mittel- und Westeuropa häufigen Überlieferung als Einzelfunde ohne genauer zu datierende Beifunde. In Skandinavien sind die zonal gegliederten, im 8. und 9. Jahrhundert am weitesten verbreiteten Knaufformen noch länger verbreitet als im Kerngebiet des karolingischen Reiches.

Auch für die 3-, 5- oder 7-fach gegliederten Knaufformen der Karolingerzeit will dem Verf. folgende Deutung als Darstellungen der Mondphasenabfolge als nicht ganz abwegig erscheinen: entsprechend der fotographischen Darstellung der Mondphasen in Abb. 5 kann der mittlere Höcker an den zonal gegliederte Knäufen, der oft über die anderen hinausragt, als der einmal monatlich vorkommende Vollmond gedeutet werden. Die zum Rand hin kleiner werdenden Höcker stünden entsprechend für die je zweimal monatlich vorkommenden Halbmond- und die sichelförmigen Mondphasen. So könnten diese typisch karolingerzeitlichen Knaufformen als früheste Stufe der ab dem späten 9./frühen 10. Jahrhundert aufkommenden Mondknauftypen gewertet werden. Im Zusammenhang mit der Reform der Himmelskunde unter Karl dem Großen sollte auch diese vorläufige Deutung überprüft werden. Die hier vorgestellten Beobachtungen und Interpretationsvorschläge werfen neue Fragen auf, eröffnen aber immerhin auch einen neuen Zugang zum Feld der mittelalterlichen Himmelsbeobachtung. Ist man bereit einigen der hier gezogenen Schlussfolgerungen zu folgen, erweitert sich der Zeitraum entscheidend, in dem ein Zusammenhang zwischen Schwertern und Himmelserscheinungen bisher nachweisbar war.

7. Schwertknäufe und Himmelsbeobachtung zusammengefasst

Die Grundaussage der vorliegenden Arbeit besteht in folgender Beobachtung: bei den bisher in der deutsch- und englischsprachigen Fachliteratur unter anderem als Pilz-, Paranuss-, Scheiben-, Teewärmerknäufe bezeichneten Schwertknaufformen des Zeitraums zwischen dem 9./10. und dem 13. Jahrhundert handelt es sich eindeutig um Darstellungen verschiedener Mondphasen. Als auch vom Bedeutungsinhalt her direkte Vorläufer dieser Knauftypen mit konkretem Bezug zur Abfolge der Mondphasen sollten die 3-, 5-, oder 7-fach gegliederten Knauftypen der früheren Karolingerzeit in Betracht gezogen werden. Dieselben werden vom Verf. bis zum Aufkommen einer stimmigeren Interpretation als Darstellung der Mondphasen mit dem Vollmond als Mittelhöcker und den seitlichen Höckern als Sinnbilder für die Halbmond- und Mondsichelphasen gedeutet.  Für die bisher so genannten Pilz- und Teewärmerknäufe wird der Begriff „Halbmondknäufe mit konvexer, bzw. gerader Basislinie“ vorgeschlagen. Die kugelförmigen und so genannten Scheibenknäufe werden als „Vollmondknäufe in Kugel-, bzw. Scheibenform“ bezeichnet. Für die extrem bauchigen Ausprägungen der so genannten Paranussknäufe wird der zugegebenermaßen etwas kantige Begriff „Nahhalbmondknäufe“ geprägt. Die am weitesten verbreiteten flachen Varianten der Paranussknäufe werden aufgrund einer Übereinstimmung mit der von der Sonne unbeleuchteten, der Erde zugewandten, Mondseite als „Mondschattenknäufe“ bezeichnet. Von E. Oakeshott so benannte Boots- und Mondsichelknäufe werden unter dem Begriff „Mondsichelknäufe“ zusammengefasst. Eine letzte Gruppe, die von Oakeshott mit der Hilfsbenennung „Dreispitzknäufe“ versehen worden ist, bezeichne ich als „Mondsichelknäufe mit Mittelhöcker“.

Damit ist erst die Grundlage für ein neues typologisches System gelegt, das unter umfassender Einbeziehung der bisher bekannten Sachzeugnisse erstellt werden müsste.  Es ist nicht meine Absicht den Aussagewert bestehender Typologien in Frage zu stellen. Dennoch ergibt sich aus der Beobachtung von weitgehenden Übereinstimmungen zwischen Schwertknaufformen, den Mondphasen und ihrer Wiedergabe z. B. in der mittelalterlichen Manuskriptillumination eine Notwendigkeit zur Aufarbeitung der kulturgeschichtlichen Bedeutung des Schwertes in Europa. Dazu gehört neben dem Verfolgen des zeitlich parallelen Zusammenhangs zwischen Schwertern, Drachen und Himmelskörpern in Ostasien auch die Überprüfung bisher bestehender, ausschließlich formal und metrisch begründeter typologischer Systeme.

Eine zeitliche Abfolge deutet sich an, bleibt aber eingehender zu überprüfen, was mir am gegenwärtigen Arbeitsort nicht möglich war. Halbmond- und Vollmondknäufe bilden möglicherweise die Basis, auf die Nahhalbmond- und Mondschattenknäufe folgen. Mondsichelknäufe und Mondsichelknäufe mit Mittelhöcker scheinen die jüngsten Ausprägungen der Mondknaufgruppe darzustellen. Ein möglicher Ursprung der „Mondmode“, die sich an Schwertknäufen ab der späteren Karolingerzeit in größerem Umfang abzeichnet, ist das von Karl dem Grossen in Angriff genommene Reformenspektrum, das unter anderem eine Wiederbelebung der antiken Astronomie/Astrologie zum Inhalt hatte. Sollte die hier vorgeschlagene Deutung ein gewisses Maß an Anklang finden, müsste das  - von der historischen Forschung bisher als von untergeordneter Bedeutung eingestufte - Aufleben von Astronomie und Astrologie unter Karl dem Grossen neu bewertet werden. Als mögliche Vorläufer der unter den  Karolingern aufkommenden „Mondknaufmode“ sind auch die meist aus organischem Material hergestellten Knäufe in Scheiben-, Kugel, und Halbkreisform, sowie anderes Zubehör  an Schwertern der römischen Kaiserzeit von Interesse. Ob auch verschiedene Knaufformen des 5. bis 8. Jahrhunderts Bezüge zu astronomischen Erscheinungen aufweisen ist aus ihrer Form heraus nicht zu bestimmen. Hier wäre eine Auswertung der häufig auf Schwertgefäßen dieses Zeitraums vorkommenden Tauschierungsmotive hilfreich.   Zum Bedeutungswandel des Schwertes im Zusammenhang mit der fortschreitenden Christianisierung und zu verschiedenen Bedeutungsebenen des Mondes im Mittelalter wurden am Beispiel der Schlangensymbolik auf Schwertern des 5. bis 10. Jahrhunderts einige Fakten erläutert und Deutungsvorschläge zur Diskussion gestellt.

Bis die hier vorgeschlagene Deutung hochmittelalterlicher Schwertknaufformen als Darstellungen verschiedener Mondphasen von der Fachwelt überhaupt zur Kenntnis genommen, geschweige denn auf ihre kulturgeschichtliche Tragweite überprüft werden wird, vergehen im Idealfall nur Jahre. Als ein Versuch den gewöhnlichen Gang der Dinge etwas zu beschleunigen, steht daher am Ende dieser Abhandlung kein gewöhnlicher Ausblick, sondern eine Aufforderung an die Fachwelt und interessierte Laien: ich bitte, die These von einem Sinngehalt mittelalterlicher Schwertknäufe als Darstellungen verschiedener Mondphasen zu überprüfen und gegebenenfalls mit besseren Argumenten, bzw. mit einer mindestens ebenso schlüssigen  Interpretation, zu widerlegen. Als eine Grundlage sei hier die Beobachtung eines wolkenarmen bis wolkenlosen Nachthimmels angeregt, denn  nicht nur die Sonne, auch der Mond scheint für alle.

Fussnoten
  1. Meller, H. (Hrsg.), Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren. Ausstellungskatalog (Stuttgart 2004).

  2. Menghin, W. (Hrsg.): Der Berliner Goldhut und die goldenen Kalendarien der alteuropäischen Bronzezeit. Acta Praehistorica et Archaeologica 32, 2000, 31-10

  3. Wirth, K.H.: Der Ursprung der Sternzeichen. Ein prähistorisches Navigationssystem oder das Nautische Internet (Books-on-Demand 2000).

  4. Chr. v. Waldburg-Wolfegg: Venus und Mars. Das Mittelalterliche Hausbuch aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg (München, New York 1997).

  5. Petersen, J., 1919: De Norske Vikingesverd (Kristiania (Oslo) 1919).

  6. Oakeshott, E.: The Sword in the Age of Chivalry (London 1964, 21994). - Ders., 1991: Records of the Medieval Sword (Woodbridge 1991).

  7. Geibig, A., 1991: Beiträge zur morphologischen Entwicklung des Schwertes im Mittelalter. Eine Analyse des Fundmaterials vom ausgehenden 8. bis zum 12. Jahrhundert aus Sammlungen der Bundesrepublik Deutschland. Offa Bücher Bd. 71 (Neumünster 1991).

  8. www.myarmoury.com/feature_geibig.html, s. Graphik zu „pommel-forms“

  9. www.myarmoury.com/feature_oakeshott3.html

  10. www.medievaltymes.com/courtyard/maciejowski_bible.htm

  11. Fitzpatrick, A.P., 1996: The symbolism of astral signs on Later Iron Age Anthropomorphic short swords. Proceedings of the Prehistoric Society 62, 1996, 373-398.

  12. www.romancoins.info/MilitaryEquipment-Attack.html

  13. Mäder, S.: Stähle, Steine und Schlangen. Zur kultur- und technikgeschichtlichen Einordnung dreier Schwertklingen aus dem alamannischen Siedlungsraum. Dissertation Humboldt Universität Berlin 2001, bislang nur einsehbar auf Microfiche. Veröffentlichung in Vorbereitung. S. besonders Kapitel zu Klinge B. Eine einfach zugängliche Zusammenfassung der Arbeit: Mäder, 2005: Stähle, Steine und Schlangen – ein neuer Blick auf alte Schwerter. Karfunkel Combat 1, 2005, 49-51. Siehe auch: Mäder, S.: Scott´s „Talisman“, Damastsalat und Nanodraht. Archäologie Online 2006:
    www.archaeologie-online.info/artikel/2006/scotts-talisman-damastsalat-und-nanodraht/

  14. Rambaldi, K., 1922: Waffen mit astrologischen und kabbalistischen Zeichen. Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde Bd. 9, H. 4, 1922, 128-138.

  15. S. de.wikipedia.org/wiki/Astrologie

  16. Borst, A., 1998: Die karolingische Kalenderreform (Hannover 1998).

  17. Angefertigt in Lotharingien, heute aufbewahrt in der Bibliothoek der Rijksuniversiteit Leiden, Ms. Voss. Lat. Q. 79.

  18. www.kzu.ch/fach/as/material/Realien/aratea/text03.htm

  19. Leider wurde aus dem Aratea-Manuskript die Darstellung der Luna wohl im16. Jh. entfernt. Um 1000 wurde im Kloster St. Bertin in St. Omer jedoch eine Kopie der Handschrift angefertigt (Bibliothèque municipale, Boulogne, Ms. 188), in der die Luna-Darstellung erhalten und in der beschriebenen Weise wiedergegeben ist.

  20. Mäder, in Vorbereitung: Das Schwert als Brücke in die nächste Welt. Textbelege von der Antike bis ins frühe Mittelalter (Arbeitstitel).