Archäologischer Nachwuchs blickt pessimistisch in die Zukunft

Viele Nachwuchsarchäologinnen und -archäologen sind besorgt wegen mangelnder beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten und halten es nicht für wahrscheinlich, dass sie dauerhaft in ihrer Wissenschaft arbeiten können. Das ist eines der vor kurzem im European Journal of Archaeology veröffentlichten Ergebnisse einer internationalen Umfrage.

Berufliche Perspektive in der Archäologie?

An der von Dr. Maxime Brami, Prähistoriker an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), koordinierten Umfrage hatten sich 419 Nachwuchsarchäologinnen und -archäologen beteiligt. »Lediglich 21 Prozent der Teilnehmenden halten es für wahrscheinlich, dass sie eine dauerhafte Stelle in der Archäologie bekommen«, sagt Brami. 45 Prozent gaben an, dass unbefristete Stellen extrem selten seien. Außerdem litten 84 Prozent wegen mangelnder beruflicher Perspektiven unter Stress und 61 Prozent benannten die Konkurrenz um Arbeitsplätze als Stressfaktor. Dennoch brennen offenbar viele Nachwuchsarchäologinnen und -archäologen für ihr Fach: 71 Prozent der Teilnehmenden gaben an, in der Wissenschaft bleiben zu wollen.

Anlass für die Umfrage war laut Brami, dass sich in der Vergangenheit immer mehr der rund 1.500 in der »European Association of Archaeologists« (EAA) organisierten Archäologen, vor allem Nachwuchsarchäologinnen und -archäologen, besorgt über ihre berufliche Situation geäußert hätten. Deshalb hätten er und Kolleginnen und Kollegen der »Early Career Archaeologists« (ECA), der Nachwuchsinitiative der EAA, die Umfrage entworfen und im vergangenen Jahr zur Teilnahme veröffentlicht. Die Umfrage umfasste 37 Fragen und wurde über die ECA- und die EAA-Website sowie per Social Media beworben. 86 Prozent der Teilnehmenden stammten aus Europa, 20 Prozent aus Deutschland; 46 Prozent hatten einen Doktortitel, 43 einen Master- oder vergleichbaren Anschluss. Außer den Sorgen um die berufliche Situation war Mobbing ein wichtiges Thema: 47 Prozent der Teilnehmenden berichteten davon, am Arbeitsplatz gemobbt worden zu sein, in den meisten Fällen von Vorgesetzten. Wiederholt wurde das Arbeitsumfeld in der Archäologie als »vergiftet« und als »von starker Konkurrenz geprägt« beschrieben. 62 Prozent der Frauen, aber nur 12 Prozent der Männer, berichteten davon, während ihrer beruflichen Laufbahn aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt worden zu sein.

»In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat es an den Hochschulen sowohl eine starke Zunahme an Doktorandinnen und Doktoranden als auch an kurzen Arbeitsverträgen gegeben, während die Zahl der unbefristeten Stellen stagniert hat. Das hat zu einem Überangebot auf dem akademischen Arbeitsmarkt und zu prekären Arbeitsbedingungen geführt«, sagt Brami über die Ursachen für die schwierige Lage. Eine mögliche Verbesserung für Nachwuchsarchäologinnen und -archäologen sieht er unter anderem darin, den Übergang vom akademischen Abschluss zu einer dauerhaften Beschäftigung an den Hochschulen klarer zu strukturieren. Außerdem sollte der akademische Nachwuchs besser über Unterstützungsmöglichkeiten, zum Beispiel von Gewerkschaften, und über Möglichkeiten gegen Mobbing informiert werden. »Grundsätzlich sollten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler dieselben strukturierten Arbeitsbedingungen erhalten wie dauerhaft Beschäftigte, mit regelmäßigen Fortschrittsberichten und Weiterbildungsmöglichkeiten, damit sie ihre Karrierechancen verbessern können.«

Publikation

M. Brami et al.

A Precarious Future: Reflections from a Survey of Early Career Researchers in Archaeology

European Journal of Archaeology. 03.11.2022
DOI: 10.1017/eaa.2022.41
https://www.cambridge.org/core/journals/...

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