Das älteste Geld der Welt?

Plattenhornsteine aus Niederbayern könnten vor 7.000 Jahren die Grundlage eines ersten Währungssystems gewesen sein.

Gebänderter Plattenhornstein aus dem Bergwerk von Arnhofen. Rohplatte aus der Arnhofener Lagerstätte; Rohklingen und präparierte Klingensegmente aus dem Produktionszentrum von Regensburg-Pürkelgut (lange Rohklinge links: 8,29 cm) copyright A. Binsteiner
Gebänderter Plattenhornstein aus dem Bergwerk von Arnhofen. Rohplatte aus der Arnhofener Lagerstätte; Rohklingen und präparierte Klingensegmente aus dem Produktionszentrum von Regensburg-Pürkelgut (lange Rohklinge links: 8,29 cm) copyright A. Binsteiner

Die Eigenschaften einer Währung sind klar definiert: Sie ist ein Tausch- und Zahlungsmittel. Währungen dienen zudem als Wertmesser und Wertespeicher. Aber gilt das auch für die Jungsteinzeit?

Nahe einem kleinen Dorf im niederbayerischen Landkreis Kelheim wurde ab dem sechsten Jahrtausend v. Chr. ein Bergwerk betrieben, das zu den größten seiner Art in Europa zählt. Insgesamt rechnet man im Hornsteinabbau von Arnhofen mit 20.000 Schachtanlagen, aus denen gebänderte Knollen- und Plattenhornsteine zu Tage gefördert wurden. Voraussetzung für diesen Megabetrieb war die reichste Hornsteinlagerstätte Süddeutschlands, entstanden in Schichten des Oberen Jura vor rund 150 Millionen Jahren.

Schon lange vor der Entdeckung des Arnhofener Bergwerkes in den 1980er Jahren waren vor allem die gebänderten Plattenhornsteine aus neolithischen Fundinventaren bekannt. Aktuelle Verbreitungsstudien zeigen nun ein rund eine halbe Million Quadratkilometer großes Gebiet zwischen der Ruhr und der Donau bis nahe Wien und dem Rhein-Main-Gebiet bis an die Moldau nach Prag.

Diese enorme Ausbreitung des Arnhofener Materials lässt sich nicht alleine durch den Fernhandel der jungsteinzeitlichen Siedler an der Donau erklären. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sämtliche Stationen des Verbreitungsgebietes direkt mit dem Arnhofener Bergwerk verbunden waren. Vielmehr gelangten die Klingen als Tauschware in den Umlauf und erreichten so Distanzen bis zu 500 km. Das ist ein erstes Argument für eine Verwendung als Zahlungsmittel. Zweifellos besaßen die Arnhofener Klingen einen bestimmten Wert. Wie sonst wären die Importe in Gebiete zu erklären, in denen es genügend eigene Feuersteinressourcen gab. Einzelne Fundkomplexe wie aus der Kreisgrabenanlage von Ölkam bei Linz und der ebenfalls mittelneolithischen Siedlung von Roztoky bei Prag zeigen zudem, dass unbenützte Rohklingen auch auf Vorrat gehalten wurden.

Eine Währung muss fälschungssicher sein.Auch diese Bedingung erfüllten die gebänderten Plattenhornsteine. Es gibt kein Feuersteinmaterial in Mitteleuropa, das man mit den Arnhofener Hornsteinen wirklich verwechseln könnte.
Die weite Verbreitung und die großen Mengen zeigen vor allem zwischen 4.800 und 4.600 v. Chr. eine steigende Nachfrage. Das Megabergwerk von Arnhofen konnte diesen Bedarf jederzeit in gleichbleibender Qualität decken. Auch das sind unbedingte Voraussetzungen für ein allgemein anerkanntes Zahlungsmittel.

In einem kurzen Zeitraum von etwa 200 Jahren überschwemmten die Arnhofener den Markt. Die Vorkommen wurden weitgehend ausgebeutet. Der fehlende Nachschub an Klingen besiegelte das Schicksal des Hornsteinabbaues von Arnhofen. Binnen kürzester Zeit brach das ganze Handelsnetzwerk zusammen. Am Ende des Mittelneolitikums gehen die Funde von Arnhofener Hornsteinen dann deutlich zurück.

Bleibt die Frage, wie der Abbau in Arnhofen organisiert war und wer davon profitierte. Auch dazu gibt es mittlerweile neue Informationen. Die Untersuchung eines Zentrums für die Klingenproduktion in Regensburg zeigt, dass der Zugang zur Hornsteinmine überregional geregelt sein musste. Auch die Anlage der Schächte musste beaufsichtigt werden. Zu groß wäre ansonsten die Einsturzgefahr in den wenig standfesten Deckschichten aus Kies und Sand gewesen. Betreiber des Arnhofener Bergwerkes war die Oberlauterbacher Kultur, eine regionale Gruppe des südostbayerischen Mittelneolithikums. Sie organisierte den Fernhandel und erfand die Feuersteinwährung.

Es deutet aber nichts darauf hin, dass es zwischen dem Regensburger Raum und dem donauabwärts gelegenen Gäuboden zu großem Reichtum gekommen wäre. Weder gab es größere Bauten als die üblichen Langhäuser noch reiche Bestattungen. Auch importierte Handelsgüter von besonderer Qualität sind archäologisch nicht nachweisbar.
Allerdings fällt die große Zahl der Siedlungen und damit die hohe Bevölkerungsdichte an der Donau auf. Die Händler könnten Nahrungsmittel wie Getreide für ihre Klingen eingetauscht haben. Das hätte die Bevölkerung unabhängiger von schlechten Ernten und Hungersnöten gemacht. Das ganze Jahr über ausreichend mit Nahrung versorgt zu sein, war vielleicht der wahre Reichtum dieser neolithischen Gemeinschaften.

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