Weberei an der A2

Im Süden von Hamm begleitete ein Team von Archäologen die Bauarbeiten einiger Windkraftanlagen nördlich der A2. Dabei kamen auf rund 3.300 Quadratmetern untersuchter Fläche 180 archäologische Befunde ans Licht. Das Besondere: Die Experten entdeckten eine seltene Webgrube aus vorchristlicher Zeit, der erste Fund dieser Art in Westfalen-Lippe.

Grube mit Webgewichten
Die negativ ausgenommene Grubenhälfte verdeutlicht den ungewöhnlichen Aufbau dieses Befundes. An der Basis lagen zahlreiche tönerne Webgewichte bzw. deren Fragmente. Foto: Archaeologie.de/S. Senczek.

Eisenzeitliche Siedlung vermutet

»Die Flächen grenzen an eine bereits bekannte, ausgedehnte Siedlungskammer der Eisenzeit auf Bönener und Hammer Gebiet, die durch frühere Ausgrabungen freigelegt wurde«, sagt Dr. Eva Cichy, Archäologin und wissenschaftliche Referentin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Daher überraschten die vielen archäologischen Befunde auch die Fachfirma nicht, die die aktuellen Grabungen durchführte.
»Im Westen der untersuchten Fläche haben wir Spuren eines weiteren Gehöfts der mittleren bis jüngeren Eisenzeit, also etwa 400 vor Christus bis zur Zeitenwende, freigelegt«, erklärt Grabungsleiter Dr. Sebastian Senczek.
Die meisten der archäologischen Befunde, für das ungeübte Auge nur erkennbar an Verfärbungen des Erdreichs, sind für die Fachleute sogenannte Pfostengruben, aus denen sich kleine Gebäude rekonstruieren lassen.

Webhandwerk in Hamm-Weetfeld vor Christi Geburt

Eine der größeren Gruben stellte sich als seltener Befund heraus, der sich schon auf den ersten Blick von den anderen unterschied, so Senczek. Die Grube war im oberen Bereich mit Brandschutt verfüllt, ihre Sohle zusätzlich mit einem dünnen, hellgrauen Band aus Lehm ausgelegt. Unterhalb dieser Grube befand sich eine weitere kleine, ovale Grube mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern und einer Tiefe von 40 Zentimetern.
»An der Oberfläche dieser kleineren Grube, direkt unterhalb des hellen Lehmbandes, befanden sich etwa 20 in einem Paket gegeneinander gedrückte tönerne Webgewichte unterschiedlichen Typs«, sagt Senczek.
Obwohl Webgewichte laut der Fachleute an sich nicht selten in eisenzeitlichen Siedlungen entdeckt werden, bringt der Fund dennoch eine Besonderheit mit sich: »Die große Anzahl und die Kombination verschiedener Typen ist äußerst ungewöhnlich«, bestätigt auch LWL-Archäologin Cichy.

Sencek, der sich in seiner Doktorarbeit mit eisenzeitlichen Siedlungen befasste, ordnet weiter ein: »Die verschiedenen Typen in Zusammenhang mit ihrer Lage und Anordnung sprechen dafür, dass es sich hierbei um eines der wenigen Beispiele einer eisenzeitlichen Webgrube handeln dürfte.«
Die Kettfäden des Webstuhls wurden durch die tönernen Gewichte in der tiefer hinabreichenden Grube auf Spannung gehalten, der Webstuhl selbst muss sich also unmittelbar über der Webgrube befunden haben, vermuten die Expertinnen und Experten.
»Eine solche Anzahl gut erhaltener Webgewichte unterschiedlicher Art in ihrer ursprünglichen Lage anzutreffen ist ein Glückstreffer. Vergleichbare eisenzeitliche Webgruben sind mir zum Beispiel aus dem mittelosteuropäischem Raum bekannt«, schließt Senczek.

Die Ergebnisse werden noch ausgewertet, naturwissenschaftliche Untersuchungen stehen noch aus, aber schon jetzt ist die neue Fundstelle laut der Fachleute für die Region von besonderer Bedeutung. Den Standort eines Webstuhls in einer derartigen Webgrube aus der Vorrömischen Eisenzeit war bisher in Westfalen unbekannt.

»Nun müsste man auch andere Siedlungsbefunde noch einmal mit frischem Blick überprüfen«, ergänzt Cichy. Denn es sei nun klar, wie diese Webstuhlbefunde der Eisenzeit in Westfalen aussehen können. Bisher waren den Archäolog:innen hier nur längliche Rinnen als Webgruben der folgenden Römischen Kaiserzeit bekannt.

Webgewicht aus Ton
Manche der Webgewichte aus Ton waren vollständig erhalten und wie dieses pyramidenstumpfartige Stück weisen auf der Unterseite kreuzförmige Einkerbungen auf. Foto: LWL-Archäologie/M. Baales
Grubenprofil
Ein Befund zeigte ein ungewöhnliches Profil: Gefüllt mit viel Brandschutt und Keramik zeigte sich unterhalb einer größeren noch eine kleinere Grube. Foto: Archaeologie.de/S. Senczek.
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