Historisch bedeutender »Grabfund von Malaja Pereščepina« wird wissenschaftlich neu betrachtet

Das Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) plant gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnern die gründliche und vielseitige Analyse des aus dem 7. Jahrhundert stammenden einzigartigen archäologischen Fundkomplexes. Das gesamte Fundensemble soll mit Hilfe modernster Methoden und Technologien in seiner ursprünglichen Zusammensetzung rekonstruiert und anschließend zum ersten Mal vollständig der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Forschungsverbund
Vertreter und Vertreterinnen des neu gegründeten interdisziplinären Forschungsverbundes bei einem Arbeitstreffen im Februar 2020. Foto: GWZO/ RGK

Das Dorf Malaja Pereščepina (heute Mala Pereščepina südlich von Poltava in der Ukraine) war 1912 Schauplatz eines der reichsten frühmittelalterlichen Grabfunde Europas. Er besteht aus mehreren hundert Einzelteilen, überwiegend aus Gold und Silber. Seine zentrale Bedeutung für die Frühgeschichte Osteuropas zeigt sich nicht nur in der großen Zahl qualitativ hochwertiger Objekte, sondern vor allem auch in seiner heterogenen Zusammensetzung.

Russische und deutsche Institutionen haben sich dazu in einem interdisziplinären Forschungsverbund zusammengeschlossen, darunter die Staatliche Eremitage in St. Petersburg, wo die Objekte aufbewahrt werden. Weitere Kooperationspartner neben dem GWZO sind die Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (RGK, Frankfurt am Main), die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf mit dem Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA, Schleswig) und das Institut für Geschichte der materiellen Kultur der Russischen Akademie der Wissenschaften (IHMC RAS, St. Petersburg). Die Zusammenarbeit ist vorerst auf fünf Jahre angelegt und hat anfangs zum Ziel, ein internationales Projekt ins Leben zu rufen. Es wird ein gemeinsamer Projektantrag erarbeitet, der im März 2021 eingereicht werden soll. Projektbeginn ist für Herbst 2021 geplant. Schon im Herbst 2020 soll ein Pilotprojekt in St. Petersburg starten.

Im Fokus der Forschungen steht die Erstellung von »Objektbiographien«, die eine Brücke zwischen Vergangenheit (Herstellung, Gebrauch und Niederlegung der gefundenen Objekte) und Gegenwart (Entdeckung des Fundes, Eingang in die Sammlung der Staatlichen Eremitage St. Petersburg, »Schicksal« in der Sammlungsgeschichte) schlagen sollen. Dazu müssen bislang unveröffentlichte Archivalien ausgewertet und gefundene Objekte mikroskopisch sowie metallographisch-archäometrisch systematisch untersucht werden. Abschließend soll der gesamte Fund kulturhistorisch neu eingeordnet werden. Die Ergebnisse sowie der gesamte Fund sollen im Anschluss unter anderem in einer Ausstellung in der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg und im Rahmen einer virtuellen Schau präsentiert werden.

Das Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) erforscht in vergleichender Perspektive die historischen und kulturellen Phänomene und Prozesse in dem Raum zwischen Ostsee, Schwarzem Meer und Adria vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart. Die am Institut tätigen WissenschaftlerInnen repräsentieren verschiedene Disziplinen der Geisteswissenschaften, darunter Archäologie, Geschichte, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft. In seiner Forschungsarbeit stützt sich das GWZO auf ein dichtes Netz an Kooperationsbeziehungen mit Wissenschaftseinrichtungen in Europa und Übersee.

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