Archäologische Untersuchung der Wüstung Dorf Anhalt bei Harzgerode

Die mittelalterliche Burg Anhalt gab einem ganzen Landesteil ihren Namen. Ganz in der Nähe lag eine Siedlung, die vom 10./11. bis zum 15. Jahrhundert prosperierte und dann wüst fiel. Hier wollen Archäologen der Martin-Lufther-Universität Halle-Wittenberg die mittelalterliche Besiedlungsgeschichte der Region im Harz erforschen, deren wirtschaftliche Grundlage zu wesentlichen Teilen auf dem Bergbau beruhte.

Das Seminar für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg führt in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt seine diesjährige Lehrgrabung auf der Wüstung Dorf Anhalt in unmittelbarer Nähe zur Burg Anhalt von Anfang August bis Anfang September durch. Sie stellt den Auftakt zu einer geplanten Forschungskampagne zur mittelalterlichen Besiedlungsgeschichte des Oberen Selketals dar.

Im hohen Mittelalter (ungefähr 1050 bis 1250) kam es im Harz zu umfangreichen Siedlungsprozessen – in einer Intensität, die weit über die heutige Besiedlung hinausgeht. Wurde Deutschlands nördlichstes Mittelgebirge zuvor nur punktuell und in Randbereichen regelmäßig aufgesucht und besiedelt, so entstand hier während des Mittelalters ein bedeutender Wirtschaftsraum. Dieser beruhte vor allem auf dem Montanwesen. Hierfür lieferte das Gebirge nicht nur die Erze selbst, sondern in besonderem Maße auch die für den Bergbau benötigten Energieträger: (Brenn-)Holz und Wasser. Daneben spielte aber auch der durch die schnell wachsende Bevölkerung steigende Bedarf an landwirtschaftlichen Nutzflächen eine Rolle, sodass es im Zuge des Landesausbaus zu zahlreichen Siedlungsgründungen kam.

Der Forschungsstand zu diesen zentralen Entwicklungen stellt sich jedoch sehr unterschiedlich dar. Während für den Oberharz mittlerweile über 30 Jahre intensive (montan-)archäologische Forschung vorzuweisen ist, ist der Unterharz bisher weniger beachtet worden. Zwar sind zahlreiche Fundstellen und Siedlungsplätze durch Lesefunde, und hierbei auch besonders durch die ehrenamtliche Arbeit von Heimatforschern, bekannt. Systematische archäologische Untersuchungen jedoch fanden bislang kaum statt. So fehlten bisher stichhaltige Informationen zu Datierung, Umfang und Rolle dieser Plätze. Zusammen mit der spärlichen schriftlichen Überlieferung reichen diese Kenntnisse kaum aus, um ein zusammenhängendes Bild der mittelalterlichen Besiedlungsgeschichte des Harzes zu zeichnen. Das gilt nicht zuletzt für das Bergbauwesen an sich, das erst ab dem 15. Jahrhundert Eingang in die schriftliche Erwähnung findet.

Hier setzt die Ausgrabung im ehemaligen Dorf Anhalt an. Es liegt oberhalb des Selketals und ist der auf dem Großen Hausberg gelegenen Ruine der Burg Anhalt auf einem Geländeplateau vorgelagert. Bei der Burg Anhalt handelt es sich um den Ort, der dem heutigen Landesteil Anhalt seinen Namen gab. Die Siedlungsstelle des ehemaligen – inzwischen aufgegebenen und verlassenen beziehungsweise wüstgefallenen – Dorfes besticht nicht nur durch den deutlichen Bezug zur historisch wichtigen Burg. Sondern auch einerseits die obertägig sichtbaren Überreste einer Kirche, zahlreicher Hausstellen, eines Steinbruchs sowie andererseits die Relikte des Bergbauwesens wie mehrere Pingenfelder (tagebauartige Kleinstbergwerke), künstliche Terrassen und Schlackefunde weisen auf das große wissenschaftliche Potenzial dieser archäologischen Fundstelle hin. Schriftquellen und die zahlreich aufgelesenen Keramikfunde lassen dabei eine Nutzung des Platzes vom 10./11. bis ins 15. Jahrhundert vermuten.

Dieser Zeitraum wird vorläufig durch das keramische Fundmaterial der Grabung bestätigt, wobei sich eine Hochphase vom 12. bis 14. Jahrhundert abzeichnet. Daneben konnte bislang eine Reihe von Eisenfunden mit dörflichem aber auch herrschaftlichem Kontext gemacht werden. Neben einer Reihe von Herdstellen und Siedlungsgruben zählt der Nachweis umfangreicher Geländeveränderungen zu den bemerkenswertesten Befunden. So konnten flächige Aufschüttungen, Planierungen, Erosionsschutzmaßnahmen und Fundamentierungen nachgewiesen werden, deren Zweck allerdings noch zur Diskussion steht und sich im Fortgang der laufenden und kommenden Ausgrabungskampagnen genauer fassen lassen wird.

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