Was 300.000 Jahre alte Eierschalen über die Umwelt der Altsteinzeit verraten

Am ehemaligen See in Schöningen brüteten Singschwäne

Bei Ausgrabungen in der altpaläolithischen Fundstelle Schöningen in Niedersachsen hatten Archäologen der Universität Tübingen Überreste von Eierschalen entdeckt, die nun verschiedenen Vogelarten zugeordnet werden konnten. Der Fund könnte ein Indiz dafür sein, dass Vogeleier eine saisonal wichtige Nahrungsquelle der frühen Menschen gewesen sein könnten.

Cygnus cygnus Ei
Saisonale Paläo-Spezialität? Ei eines Singschwans (Naturhistorische Sammlung des Museums Wiesbaden. Foto: Klaus Rassinger, Gerhard Cammerer; Auschnitt durch AB, Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 de (Kurzfassung). Originaldatei: Cygnus cygnus MWNH 1960.

Die Entdeckung der ältesten vollständig erhaltenen Holzwaffen des Menschen, die zwischen den Überresten von circa 25 Pferden gefunden wurden, hat die altsteinzeitliche Fundstelle Schöningen in den 1990er Jahren international bekannt gemacht. In den 300.000 Jahre alten Ablagerungen eines ehemaligen Seeufers im heutigen Niedersachsen blieben organische Materialien ausgezeichnet erhalten: So auch Eierschalen, die Dr. Jordi Serangeli und Professor Nicholas Conard von der Universität Tübingen gemeinsam mit Kollegen von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und vom niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege nun als Eierschalenreste verschiedener Vogelarten identifizieren konnten. Von der systematischen Auswertung der Eierschalen, einer höchst seltenen Fundgattung, erwarten die Forscher in den nächsten Jahren einen entscheidenden Beitrag zur Rekonstruktion der Klimaverhältnisse während der damaligen Warmzeit sowie neue Einblicke in das Verhalten der Zugvögel und die menschliche Ernährungsweise vor 300.000 Jahren.

Dank der akribischen Arbeitsweise bei der Ausgrabung wurden die nur wenige Millimeter bis Zentimeter großen Funde in den Überresten der Sedimente entdeckt. Diese wurden sorgfältig mithilfe von Sieben geschlämmt. Der makroskopische und mikroskopische Vergleich der Funde mit Eiern heutiger Vögel im Naturhistorischen Museum Braunschweig und in der Naturwissenschaftlichen Sammlung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erlaubte bislang die Bestimmung von fünf hervorragend erhaltenen Fragmenten: Eines zeigte eine sehr gute Übereinstimmung mit den Eierschalen des Kranichs (Grus grus), ein weiteres Fragment kann einer Ente (vermutlich Stockente, Anas platyrhynchos) zugewiesen werden. Drei weitere Bruchstücke finden ihre beste Entsprechung in den Eiern heutiger Singschwäne (Cygnus cygnus). Diese Vögel brüten heute in der Regel in subarktisch-kühlen Regionen wie Island, Skandinavien und Sibirien. Hier ist die Landschaft von einer niedrigen Vegetation geprägt, und die Temperaturen sind um einige Grad niedriger als in Mitteleuropa.

Die Eierschalen werfen die Frage auf, ob neben Pferdefleisch nicht auch Vogeleier jeweils im Frühjahr von Ende März bis Mai eine wichtige Nahrungsquelle der Jäger und Sammler bildeten. Sie könnten ein weiterer Grund dafür gewesen sein, dass Menschen das Seeufer aufsuchten.

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