Neue Entdeckungen bei Stonehenge

Stonehenge, das bekannteste prähistorische Monument der Welt, ist mehr als nur ein Steinkreis. Umgeben von einem Graben und einem Wall steht das Monument im Zentrum hunderter Grabhügel, die bis heute die umliegende Landschaft prägen. Trotz jahrhundertelanger Erforschung blieben die Flächen zwischen den im Gelände sichtbaren Monumenten terra incognita. Nun hat ein internationales Forscherteam das Gebiet rund um das Megalithbauwerk im Rahmen eines mehrjährigen Projektes mit geophysikalischen Methoden genauer unter die Lupe genommen und dabei 17 bisher unbekannte Monumente entdeckt.

Stonehenge Monumente Übersicht
Die Bildmontage aus Luftbildern, LIDAR-Scan- und Bodenradar-Daten zeigt die prähistorischen Monumente rund um Stonehenge, von denen es mehr gibt als bislang angenommen. Die neuen Entdeckungen sind rot hervorgehoben. Bild: © LBI ArchPro, Wolfgang Neubauer

Das Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) hat gemeinsam mit seiner britischen Partnerinstitution - der Universität Birmingham - im Laufe der letzten vier Jahre mit modernsten nicht-invasiven Technologien im Rahmen des Stonehenge Hidden Landscapes Project 120 Tage im Feld verbracht und den Untergrund rund um Stonehenge auf einer Fläche von 12 Quadratkilometern detailliert untersucht. Mit magnetischen Sensoren und Bodenradarantennen hat das internationale Forscherteam Hunderte im Boden verborgene archäologische Strukturen und 17 bisher unbekannte Monumente nach Jahrtausenden digital und virtuell wieder sichtbar gemacht.

Die neuen Entdeckungen umfassen henge-Monumente, enclosures (Einfriedungen), die Landschaft durchziehende Palisadengräben und Tausende von Menschen gegrabene Gruben. Dutzende durch Landwirtschaft eingeebnete Grabhügel konnten durch die Messungen lokalisiert und im Detail erkundet werden, darunter ein sogenannter long barrow. Bei diesem Langhügel handelte es sich um die Begräbnisstätte einer Dorfgemeinschaft, die in der Landschaft um Stonehenge vor ca. 6.000 Jahren gelebt hat. Die Radardaten zeigen die Spuren eines hölzernen Langhauses, wie wir es auch aus der Jungsteinzeit in Kontinentaleuropa kennen. Das 33 Meter lange und durchschnittlich 8 Meter breite massive Gebäude bot auf einer Fläche von 300 Quadratmetern Platz für rituelle Bestattungen, die über Generationen vorgenommen wurden. Die Bestattungsrituale dieser Zeit umfassten eine komplizierte Abfolge von Entfleischung, Leichenzerteilung, Ahnenverehrung im Beisein von Skelettteilen, die auf einem eigenen mit einer hölzernen Fassade umgebenen Vorplatz vorgenommen wurden. Der Zugang in das Haus der Toten wurde durch einen massiven Pfosten blockiert, sodass nur ein schmaler Durchgang in den dunklen Innenraum offen blieb. Gegen Ende der Nutzung wurde das Langhaus mit einem Hügel aus weißem Kreidesediment überschüttet. Das Schüttmaterial wurde aus länglichen, das Haus flankierenden Gruben entnommen, die sich in den Magnetdaten der Forscher deutlich abzeichnen.

Das größte jemals durchgeführte Forschungsprojekt dieser Art hat aber auch überraschende neue Erkenntnisse zu dem seit über hundert Jahren bekannten »super henge« Durrington Walls erbracht. Trotz zahlreicher großer Grabungsprojekte in der Vergangenheit konnten erst durch die großflächigen Messungen mit den motorisierten Bodenradarsystemen unter dem monumentalen Wall, der ein Areal von 20 Hektar umschließt, über 70 große Gruben entdeckt werden. Diese Gruben dienten zur Fundamentierung einer langen Reihe von Monolithen oder großen Holzpfosten, die eindeutig vor der Errichtung des Walls den Umriss der natürlichen Senke weithin sichtbar markiert haben. Die Messdaten aus dem Innenraum zeigen, dass in dieser Senke zwei Quellen entsprungen sind, die aufgrund der Eigenheiten des geologischen Untergrunds nur im Winter Wasser führten. Diese besonderen Quellen dürften auch später ein wichtiger Grund für die Verehrung des Platzes gewesen sein, der schließlich zur Errichtung des super henges führte.

Das von Prof. Vince Gaffney und Prof. Wolfgang Neubauer initiierte und geleitete Großprojekt wurde im Feld durch die Archäologen Klaus Löcker, Eamonn Baldwin, Mario Wallner und einem großen internationalen, interdisziplinären Forschungsteam realisiert.

Das Stonehenge Hidden Landscape Project wurde während der vier Jahre von einem TV-Team begleitet. Die zweiteilige internationale Dokumentation »Operation Stonehenge« entstand als Koproduktion der österreichischen Filmproduktion Interspot Film mit der englischen October Films und der kanadischen Lightship Entertainment in Zusammenarbeit mit BBC, Smithsonian, CBC, France 5, SBS, ORF, ZDF, und SBS,  gefördert von Fernsehfonds  Austria, Creative Europe Media und Canada Media Fund.

Der österreichische Fernsehsender ORF 2 sendet die Dokumentation in der Sendereihe Universum History am 14.11. und 21.11.2014 jeweils um 22:40. Das ZDF wird im Jahr 2015 eine einstündige Zusammenfassung in der Sendereihe Terra X ausstrahlen.

Bodenradarbilder neu entdeckter Monumente bei Stonehenge
Bodenradar-Aufnahmen neu entdeckter prähistorischer Monumente rund um Stonehenge. Bild: © LBI ArchPro, Mario Wallner
Long barrow bei Durrington Walls (Rekonstruktion)
3D-Rekonstruktion und Visualisierung des neu entdeckten long barrow südwestlich von Durrington Walls im Zustand vor der Überdeckung der Holzkonstruktion mit Erde aus den seitlichen Gräben (Blick von NW). Bild: © LBI ArchPro, Joachim Brandtner
Bodenradarmessung bei Stonehenge
Was aussieht wie ein überdimensionierter Rasenmäher ist tatsächlich ein Gerät, das einen Blick in den Boden ermöglicht, ohne eine Ausgrabung vornehmen zu müssen: ein Bodenradar des LBI ArchPro bei den Messungen nahe Stonehenge. Foto: © LBI ArchPro, Geert Verhoeven
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