Partnerwahl vor 9.000 Jahren

Die Bewohner des neolithischen Basta im südlichen Jordanien bevorzugten Partner aus der eigenen Verwandschaft. Das schließen Forscher aus der Häufung einer erblichen Zahn-Anomalie, die sie bei den 9.000 Jahre alten Skeletten feststellten.

Oberkiefer Basta
Bei diesem im südjordanischen Basta gefundenen Oberkiefer fehlen die Plätze für die äußeren Schneidezähne (12 und 22). Die Häufung dieser erblichen Anomalie unter den steinzeitlichen Bewohnern Bastas ist ein Hinweis auf eine endogame Lebensweise. Bild: PLOS one, doi:10.1371/journal.pone.0065649.g001

Ein internationales Forschungsteam hat erstmals direkte Hinweise darauf gefunden, wie eine der ersten Bauerngruppen sozial organisiert war: Die Steinzeit-Menschen, die sich vor 9.000 Jahren in Basta im Süden Jordaniens niederließen, lebten in endogamen Strukturen – sie gingen fast ausschließlich Beziehungen mit Personen innerhalb der Verwandtschaftsgruppe ein. Die Forschungsergebnisse wurden in der elektronischen Fachzeitschrift »Plos One« veröffentlicht. Das Vorhaben fand im Rahmen des Freiburger SIGN-Projekts statt, das vom Eliteprogramm für Post-Doktorandinnen und -Doktoranden der Baden-Württemberg Stiftung und der Albert-Ludwigs-Universität gefördert wurde.

Dr. Marion Benz vom Institut für Vorderasiatische Archäologie der Universität Freiburg, Prof. Dr. Werner Vach vom Institut für Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik des Universitätsklinikums Freiburg, Prof. Dr. Kurt W. Alt vom Institut für Anthropologie der Universität Mainz sowie weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Mainz, London/England, Göttingen und Berlin und des Naturhistorischen Museums Wien/Österreich untersuchten die Sozialstrukturen in einem Steinzeitdorf. Bei Ausgrabungen wurden dort Skelettreste von mehr als 50 Verstorbenen gefunden. »Früher standen uns hauptsächlich die Ruinen der Häuser sowie Gräber zur Verfügung, um die soziale Organisation zu rekonstruieren«, sagt Benz. Nun konnten die Wissenschaftler die Zähne und Kiefer der ehemaligen Dorfbewohnerinnen und -bewohner untersuchen. Sie stellten fest, dass bei über einem Drittel die seitlichen oberen Schneidezähne fehlten: Eine ungewöhnlich hohe Anzahl, denn dieses Merkmal kommt nur bei etwa ein bis zwei Prozent aller Menschen weltweit vor. Dass die erbliche Zahn-Anomalie bei den Untersuchten derart weit verbreitet ist, lässt auf eine endogame Lebensweise schließen. Nur so konnten sie das seltene Merkmal fortlaufend weitervererben.

Endogame Lebensweise war eine bewusste Wahl

Weitere Funde stützen die These: Die Forscherinnen und Forscher haben in den Zähnen der Steinzeit-Bauern bestimmte Isotopen gemessen, die sich während der Bildungsphase des Zahnschmelzes darin ablagerten. Art und Mengenverhältnis der Isotope lassen Rückschlüsse auf den Lebensraum der Menschen zu. Demnach wuchsen beinahe alle Personen in Basta auf und wurden zudem dort bestattet. Gleichzeitig belegen andere Rohstoffe, dass die Bewohner nicht räumlich isoliert waren. Die Wissenschaftler fanden an der Ausgrabungsstätte beispielsweise Korallen aus dem Roten Meer. Die Lage des Ortes war also kein Grund für ein endogames Leben.

Die endogame Lebensweise sei stattdessen eine bewusste Wahl dieser frühen Bauern gewesen. Möglicherweise wollten sie so den Zugang zu wertvollen Ressourcen wie Nahrung auf die eigene Verwandtschaft beschränken. Vielleicht war Endogamie ein Mittel, um den Zusammenhalt in der Gruppe zu stärken und Streitigkeiten beiseite zu schaffen, spekulieren die Forscher – eine Form des steinzeitlichen Konfliktmanagements.

Publikation

Alt, Kurt/Benz, M./Müller, W./Berner, M./Schultz, M./Schmidt-Schultz, T. H./Knipper, C./Gebel, H.-G. K./Nissen, H. J./Vach, W. (2013): Earliest Evidence for Endogamy in the 9,000-Year-Old-Population of Basta, Jordan. Plos One. http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0065649

Ruinen von Basta
Die Ruinen von Basta im Süden Jordaniens. © Marion Benz
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