Schönebeck: »Deutsches Stonehenge« II - nur ohne Steine

Bei Schönebeck südlich von Magdeburg wird derzeit eine frühbronzezeitliche Kreisgrabenanlage ausgegraben. Das vorgeschichtliche Heiligtum liegt in Sichtweite der Anlage von Pömmelte-Zackmünde, die als »deutsches Stonehenge« durch die Medien ging. Die Archäologen gehen davon aus, dass es sich um den direkten Nachfolger des Kultplatzes von Pömmelte handelt. Die Anlage hatte vermutlich die gleiche Bedeutung wie die berühmte Megalithanlage von Stonehenge, sagte Sachsen-Anhalts Landesarchäologe Harald Meller am Montag bei der Präsentation der ersten Grabungsergebnisse.

Luftbild der Kreisgrabenanlage von Schönebeck.
Luftbild der Kreisgrabenanlage von Schönebeck. Foto: R. Schwarz, © LDA Halle

Die aus zwei konzentrischen Ringgräben bestehende Schönebecker Anlage mit ihrem Durchmesser von ca. 80 m vom Mittelpunkt bis zum Hauptgraben war durch Luftaufnahmen bereits seit den 1990er Jahren bekannt. Eine erste geophysikalische Voruntersuchung sowie eine Sondagegrabung erfolgten in den Jahren 2004 und 2005. Dabei wurden frühbronzezeitliche Keramikfragmente und Tierknochen gefunden, die Anlage konnte mit Hilfe von Radiokarbondaten in die Zeit zwischen 2136 und 1776 v. Chr., d.h. in die frühe und entwickelte Frühbronzezeit (2200–1600 v. Chr.), die Zeit der Himmelsscheibe von Nebra, datiert werden. Damit ist die Kreisgrabenanlage von Schönebeck nicht nur der unmittelbare Nachbar der etwa 1,3 km entfernt in Sichtweite gelegenen, bereits vollständig ausgegrabenen Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde, sondern auch deren direkter Nachfolger: Das Pömmelter Monument kann  in das ausgehende 24. bis beginnende 20. Jh. v. Chr. datiert werden.

Komplexe Kultanlage

Die seit Mai dieses Jahres stattfindende Ausgrabung offenbart die Komplexität der Kreisgrabenanlage von Schönebeck. Ähnlich wie der Vorgängerbau bei Zackmünde besteht sie aus insgesamt sechs oder sieben konzentrischen Ringen. Von außen nach innen wird sie aus einem äußeren »Grabenring«, einem Pfostenkreis, einem inneren Ringgraben, einem »Palisadenring« sowie zwei weiteren Pfostenkränzen gebildet. Entgegen aller vorherigen Befürchtungen, große Teile könnten durch Erosion und landwirtschaftliche Nutzung bereits zerstört sein, waren in der Grabungsfläche sämtliche Ringe weitgehend vollständig vorhanden, wenngleich die erhaltene Tiefe der einzelnen Befunde teils sehr gering ist. Auf Luftaufnahmen und Magnetogrammen erkennbare, bisher als Zeugen großer Zerstörungen gedeutete »Befundlücken« erwiesen sich im Zuge der Grabung keineswegs als Fehlstellen, sondern gehen auf die Konstruktionsweise der jeweiligen Strukturen zurück. So bildete der »Palisadenring« innerhalb des inneren Ringgrabens lediglich in der Südosthälfte eine blickdichte Palisade, während er in der Nordwesthälfte als Ring einzeln stehender Pfosten angelegt war. Ähnlich der äußere »Grabenring«: Er besaß nur in der nordwestlichen Hälfte der Anlage die Form eines durchlaufenden Grabens. In der Südosthälfte bestand er aus einzelnen, länglichen Gruben von offenbar nur geringer Tiefe. In einer frühen Phase hatte allerdings der »Grabenring« auch im Nordwestbereich aus solchen langschmalen Gruben bestanden, die erst in einem zweiten Schritt miteinander zu einem Graben verbunden wurden. Dies verbindet eine frühe Phase der Schönebecker Anlage mit dem Vorgängerbau von Pömmelte-Zackmünde: Auch hier verlief vor dem eigentlichen Kreisgraben ein Ring aus einzelnen Gruben. Eine weitere Gemeinsamkeit stellt die Lage der Zugänge in das Innere der beiden Anlagen dar: Die bisher lokalisierten Zugänge der Schönebecker Anlage weisen ebenso wie die großen Zugänge des Ringheiligtums von Pömmelte nach Ostsüdost und Nordwest. Bei beiden Anlagen ist der Hauptzugang nach Ostsüdost gerichtet. Das grundlegende Bauschema des Heiligtums von Pömmelte wurde also für die Schönebecker Anlage übernommen und nur geringfügig modifiziert.

Im Gegensatz zu Pömmelte allerdings erbrachte die Schönebecker Anlage bislang nur wenige Funde. Zumeist handelt es sich um Keramik, darunter Fragmente größerer (Vorrats?-) Gefäße und eine geringe Anzahl von Scherben kleinerer, dünnwandiger Gefäße. Auch Tierknochen wurden gefunden, vornehmlich Skelettreste größerer Säuger, meist von Rindern. Silexfunde lassen auf eine zweckorientierte Feuersteinindustrie zur Herstellung spontan benötigter Geräte schließen. Zu den herausragenden Funden zählen ein menschlicher Oberschenkelknochen im äußeren Grabenring sowie zwei »Kissensteine«: kleine Steinquader, die wohl bei der Metallverarbeitung zum Einsatz kamen. Die Oberfläche des vollständig erhaltenen Exemplars aus festem dunkelgrauem Gestein (Amphibolit?) zeigt zahlreiche Schlagnarben, die seine Benutzung belegen. Die Lage der beiden »Kissensteine« direkt nebeneinander weist darauf hin, dass sie absichtlich niedergelegt wurden.

Neben den Konstruktionselementen der Kreisgrabenanlage wurden auch mehrere Gräber freigelegt. Aufgrund der ungünstigen Erhaltungsbedingungen waren nur noch sehr wenige Skelettreste erhalten, die kaum Aussagen über die Bestatteten und ihre Lage im Grab erlauben. Allerdings befand sich der Schädel fast immer im östlichen Teil der Grabgrube. Beigaben enthielten die Gräber nicht, jedoch fanden sich insgesamt drei kleine, vom Trachtschmuck stammende Bronzeringe. Die Gräber stammen mit einiger Wahrscheinlichkeit aus dem Endneolithikum oder der Frühbronzezeit. Eine kleinere Grube unmittelbar neben einem der Gräber enthielt eine kleine, unverzierte Bronzescheibe mit Öse auf der Rückseite und eine kleine bronzene Drahtspirale, die wahrscheinlich auf einer Unterlage aus organischen Material (eventuell einer Grasmatte) lagen und die Datierung des Befunds in die entwickelte Frühbronzezeit ermöglichen. Jedoch ist unklar, ob die Grube und die Bestattungen aus der Zeit der Kreisgrabenanlage stammen, zumal sich ihre Lage nicht an dieser orientiert.

Während der späten Bronzezeit oder der frühen Eisenzeit diente der Ort schließlich als Bestattungsplatz. Zeugnis hierfür sind über 40 kleine Kreisgräben, die bereits im Luftbild sichtbar waren. Mehrere von ihnen wurden freigelegt, im Zentrum von zwei Kreisgräben sind die Grabgruben der Zentralbestattung vorhanden. An drei Stellen wird die Kreisgrabenanlage eindeutig von den kleinen Grabenringen überlagert. Zum Zeitpunkt ihrer Anlage war das frühbronzezeitliche Heiligtum also bereits nicht mehr an der Geländeoberfläche sichtbar.

Henge-Monumente sollen touristisch erschlossen werden

Die bisherigen Ausgrabungsergebnisse bestätigen die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhangs der Schönebecker Anlage mit der benachbarten Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde. Beide weisen in ihren grundsätzlichen Ähnlichkeiten mit ringförmigen Heiligtümern auf den Britischen Inseln, wie z. B. dem bekannten Stonehenge, auf europaweit gültige Glaubensvorstellungen am Ende der Jungsteinzeit und in der frühen Bronzezeit hin. Daneben wird einmal mehr die Stellung beider als untrennbare Teile einer kontinuierlich von verschiedenen Kulturen frequentierten vorgeschichtlichen Monumentenlandschaft im Zentrum Sachsen-Anhalts deutlich, die das Vorhaben einer touristischen Erschließung beider Anlagen im Rahmen einer Erweiterung der Tourismusroute »Himmelswege« nach Norden umso lohnenswerter erscheinen lässt.

Die Ausgrabung in Schönebeck

Seit dem 02.05.2011 legt das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die frühbronzezeitliche Kreisgrabenanlage bei Schönebeck frei. Unterstützt wird die Ausgrabung durch das Jobcenter Salzlandkreis, Regionalstelle Schönebeck, sowie die GESAS mbH, die den Einsatz von etwa 20 Mitarbeitern ermöglichen. Dem engagierten Einsatz dieser Mitarbeiter ist es zu verdanken, dass in den vergangenen Monaten eine Fläche von 6.500 m² untersucht werden konnte. Auch wenn die Ausgrabung voraussichtlich noch bis Ende Oktober dieses Jahres laufen wird, liefert sie bereits jetzt wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Gestalt der Schönebecker Anlage und ihres Verhältnisses zu dem benachbarten Ringheiligtum von Pömmelte.

Magnetogramm Kreisgrabenanlage Schönebeck.
Magnetogramm Kreisgrabenanlage Schönebeck. A. Spatzier, © LDA Halle
Luftbild des Fundstelle Schönebeck im Mai 2011.
Luftbild des Fundstelle Schönebeck im Mai 2011. Foto: A. Poppe, GEO-Metrik, © LDA Halle
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