Magdeburg: Grab eines Erzbischofs aus dem 12. Jh. entdeckt

Bei dem Bestatteten handelt es sich vermutlich um Erzbischof Wichmann

Die archäologischen Ausgrabungen im Magdeburger Dom haben erneut einen spektakulären Grabfund erbracht. An zentraler Stelle des ottonisch-romanischen Vorgängerbaus wurde die reich ausgestattete Bestattung einer hoch gestellten Persönlichkeit entdeckt. Der beigegebene Bischofsstab, der feuervergoldete Kelch und der Ring weisen den Toten als Erzbischof aus, den man mit einer Mitra aus golddurchwirktem Brokat und mit goldverzierten Schuhen beigesetzt hatte. Heute wurde der bereits im Januar vermeldete Fund erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

Gewand, Silberkelch, hölzerner Bischofsstab und Handschuh mit Ring
Bischofsgrab: Gewand, Silberkelch, hölzerner Bischofsstab und Handschuh mit Ring. (Foto: Andrea Hörentrup, LDA Sachsen-Anhalt)

Der Tote wurde in ein aus Sandsteinplatten und Mörtel konstruiertes Grab gebettet, das eine Kopfnische aufweist. Das Grab ist, anders als vergleichbare Bestattungen, wie etwa die ebenfalls im Rahmen der Magdeburger Domgrabungen geborgene Bestattung Ottos von Hessen, seit dem Mittelalter nicht wieder geöffnet worden. Die Erhaltung der Beigaben, insbesondere auch der Textilfunde, ist daher außergewöhnlich gut. Es handelt sich um das erste ungestörte und komplett überlieferte erzbischöfliche Grab aus dem Magdeburger Dom. Eine Bestattung dieser Qualität ist in Deutschland seit Jahrzehnten nicht entdeckt worden.

Die Lage des Grabes deutet eindeutig auf eine besondere Persönlichkeit hin. Es befindet sich in einem langen Nord-Süd-Schnitt, der die Ausdehnung des Vorgängerbaus klären sollte. Hier wurden nördliches Seitenschiff, Mittelschiff und südliches Seitenschiff des Vorgängerbaus nachgewiesen, dessen rekonstruierte Breite im Außenmaß ca. 33m betrug. Ein weiterer Mauerrest in einem südlicheren Grabungsschnitt stellt wohl die Ecke des im Osten liegenden Querhauses dar. Das nun geöffnete Grab lag damit am Rande der Vierung des Vorgängerbaus und somit an zentraler Stelle, direkt südlich des Lettners des nachfolgenden gotischen Baus. Das erzbischöfliche Grab schneidet das mittlere von drei älteren, ebenfalls gemauerten Gräbern, die aufgrund der Beigaben wie einem Löwenköpfchen, das vom Ende eines Bischofsstabes stammt, ebenfalls als Erzbischofsgräber anzusprechen sind. Die über diesen drei älteren Bestattungen liegende Schicht besteht aus Verfüllmaterialien des 11./ 12. Jahrhunderts und einem Fußboden möglicherweise des 12. Jahrhunderts, welcher Brandspuren trägt, die wohl auf den Dombrand 12o7 zurückzuführen sind. Darüber wiederum liegt zum großen Teil der Abbruchhorizont des Vorgängerbaus mit Wand-, Mauer- und Bodenresten. Das nun geöffnete Grab dürfte zeitgleich mit dem genannten Fußboden sein. Auch die umgebenden Schichten sprechen für eine Datierung in das 12.Jh. Somit ergeben Lage und zeitlicher Horizont eine recht genaue Eingrenzung auf eine geringe Zahl möglicher Erzbischöfe, die hier in so aufwändiger Weise in dem gemauerten Grab beigesetzt worden sein könnten. Am  wahrscheinlichsten ist es, dass es sich bei dem Bestatteten um den Erzbischof Wichmann von Seeburg handelt.
Dieser wurde 1152 von Kaiser Friedrich Barbarossa zum Erzbischof von Magdeburg ernannt und galt als mächtigster Kirchenmann seiner Zeit. Er starb im Alter von ca. 80 Jahren im Jahr 1192 und wurde laut einer Chronik im Magdeburger Dom vor dem Kreuzaltar beigesetzt. Seine bronzene Grabplatte ist im Magdeburger Dom erhalten und zeigt den Erzbischof in seiner liturgischen Kleidung mit Bischofsstab zur Rechten, wie es der Fundlage im Grab entspricht. Obwohl die Indizien für Wichmann sprechen, kann es doch zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem Bestatteten um einen seiner direkten Vorgänger, etwa Konrad von Querfurt oder Friedrich von Wettin handelt, die sehr viel kürzer im Amt waren.

Das erzbischöfliche Grab aus dem Vorgängerbau des Magdeburger Doms stellt in der Qualität und Erhaltung der Beigaben und in der Bedeutung des Bestatteten einen außerordentlichen Fund dar. Seine Sicherung und Bergung muss daher unter Einhaltung strenger konservatorischer Bedingungen erfolgen. Aus diesem Grund ist das Grab von einer Klimakammer eingefasst worden, in der sich nur eine begrenzte Zahl von Personen in entsprechender Schutzkleidung aufhalten darf. Die Bestattung wird in einer Blockbergung gehoben werden, die allerdings dadurch wesentlich erschwert wird, dass das Fundament des gotischen Lettners mit seiner Südwestecke auf der nordöstlichen Ecke des Grabes aus dem Vorgängerbau aufliegt. Die sich dort noch befindende letzte Deckplatte des Grabes kann daher nur um einige Zentimeter angehoben werden, um genügend Raum für die Blockbergung zu schaffen, was das Verfahren sehr aufwändig macht.

Die Ausgrabungen im Magdeburger Dom werden in Kooperation zwischen der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt, dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Landeshauptstadt Magdeburg durchgeführt. Die Grabungen fanden in mehreren Kampagnen zwischen 2006 und 2010 statt. Grabungsleiter ist Rainer Kuhn, das Grabungsteam besteht aus 12 Mitarbeitern. Die Erforschung der Geschichte des Magdeburger Doms liegt in den Händen einer interdisziplinären Forschergruppe.

 

Erzbischof Wichmann von Seeburg

Erzbischof Wichmann (geb. vor 1116) gilt als der bedeutendste Magdeburger Erzbischof und war einer der einflussreichsten Kirchenfürsten seiner Zeit. Als enger Vertrauter Kaiser Friedrichs I. Barbarossa nahm Wichmann an zwei Feldzügen gegen die Polen teil. Eine wichtige Rolle spielte er bei der Kolonisierung Brandenburgs seit 1158 sowie insbesondere bei den Verhandlungen zum Frieden von Venedig zwischen Kaiser Friedrich I. Barbarossa und Papst Alexander III. im Jahr 1177. Daneben förderte er die Entwicklung der Städte Magdeburg, Halle und Leipzig, beispielsweise durch die Stärkung der erzbischöflichen Klöster und Stifte. Auch Neugründungen gehen auf ihn zurück, so etwa die Begründung des Moritzstifts in Halle (1184). Für Magdeburg von besonderer Bedeutung war seine Erneuerung des »Magdeburger Rechts«, das für viele Stadtrechtsverleihungen von Norddeutschland bis weit nach Osteuropa das Vorbild darstellte. Erzbischof Wichmann starb am 25. August 1192 in Könnern bei Köthen und wurde von seinem Nachfolger Dietrich von Halberstadt im Magdeburger Dom beigesetzt.

Erzbischofsgrab von oben
Gesamtansicht des Grabes. (Foto: Juraj Lipták)
Mitra aus golddurchwirktem Brokat
Die Mitra aus golddurchwirktem Brokat. (Foto: Andrea Hörentrup, LDA Sachsen-Anhalt)
Anhebung der Grabplatte
Mit Gold verzierter Schuh. (Foto: Claudia Hartung, Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt)
Klimakammer
Anhebung der ersten Deckplatte innerhalb der über dem Grab errichteten Klimakammer. (Foto: Andrea Hörentrup, LDA Sachsen-Anhalt)
Die Klimakammer über dem Grab des Erzbischofs. (Foto: Claudia Hartung, Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt)
Gewand, Silberkelch, hölzerner Bischofsstab und Handschuh mit Ring
Bischofsgrab: Gewand, Silberkelch, hölzerner Bischofsstab und Handschuh mit Ring. (Foto: Andrea Hörentrup, LDA Sachsen-Anhalt)
Blog-Beiträge durchblättern
Mit unserem kostenlosen Newsletter können Sie sich regelmäßig alle aktuellen Infos von Archäologie Online bequem in Ihr Postfach senden lassen.