Was hat Archäologie mit Zahngesundheit zu tun?

Rund 140 Wissenschaftler aus 26 Ländern diskutieren vom 27. bis zum 30. August 2008 während eines Internationalen Symposiums über die außerklinische und klinische Bedeutung der Zähne. Das 14th International Symposium on Dental Morphology gilt weltweit als eines der renommiertesten Fachtreffen auf dem Gebiet der "Zahnforschung".

Zahnsteinbildung im Mittelalter
Massive Zahnsteinbildung und Abbau des knöchernen Zahnhalteapparates (ca. 50 bis 70 Jahre alt gewordener Mann aus dem Mittelalter). Foto: K.W. Alt

Das Thema Zähne spielt heute nicht nur in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft eine wichtige Rolle. Angesichts der enormen Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist die Erhaltung der Zähne bis ins hohe Alter eine Herausforderung für jeden Einzelnen.
Daraus ergeben sich zahlreiche Fragestellungen, mit denen sich die Experten disziplinübergreifend auseinandersetzen. Dieser Tatsache tragen die Organisatoren des Symposiums mit einer breiten thematischen Ausrichtung Rechnung.

Ganz bewusst werden Grundlagenwissenschaftler und Kliniker zusammengebracht, da es nur durch die Diskussion über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen zu einer Neuorientierung bei Prävention und Behandlung von Zahn- und Kiefererkrankungen kommen kann.
In vielen Ländern der Welt erfolgt die Grundlagenforschung an Zähnen nicht allein im (zahn)medizinischen Bereich, sondern bevorzugt auch in der Biologischen Anthropologie und in der Archäologie.

"Über den dentalen Fingerabdruck können wir die Biographie eines Menschen zum Beispiel aus der Vorgeschichte rekonstruieren. Wir erfahren dabei unter anderem auch, unter welchen Zahnerkrankungen die Menschen damals litten. Veränderungen an den Kieferknochen berichten uns von Zahnfleischerkrankungen oder Karies, die unbehandelt schwere Entzündungen im Kiefer auslösten und tödlich enden konnten. Heute wissen wir, dass solche Entzündungen das Herzinfarktrisiko erhöhen." Das erklärt Prof. Dr. Kurt W. Alt vom Institut für Anthropologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Mitorganisator des Symposiums.

Die interdisziplinäre Herangehensweise, wie sie auf dem Kongress in Greifswald praktiziert wird, bringt Zahnmediziner, Anthropologen, Anatomen, Evolutionsbiologen, Archäologen und weitere Disziplinen zusammen und eröffnet neue Sichtweisen im Umgang mit den Zähnen. So werden folgende Themenschwerpunkte diskutiert:

  • Evolution der Zähne (z. B. Warum haben wir überhaupt Zähne?)
  • Zahnmorphologie (z. B. Wechselwirkung zwischen Form und Funktion der Zähne)
  • Struktur und Bedeutung der Zahngewebe (z. B. Mikrostrukturen)
  • Wachstum und Entwicklung der Zähne (z. B. Entwicklungsstadien)
  • Klinische Aspekte der Zahnmorphologie (z. B. 3-D Daten)
  • Bedeutung der Zähne zur Rekonstruktion ur- und frühgeschichtlicher Bevölkerungen

Die weltweit als renommiert angesehene Veranstaltung bringt seit 1961 alle drei Jahre die führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der "Zahnforschung" zusammen. Bei der Veranstaltung in Greifswald sind 72 Vorträge und 50 Poster geplant. Fachkollegen unterschiedlichster Wissenschaftsgebiete aus insgesamt 26 Ländern und aller Kontinente präsentieren und diskutieren den aktuellen Stand der Forschung vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in den Industrienationen.

Abnutzung der Schneidezähne (Mittelsteinzeit)
Benutzung der Schneidezähne im Oberkiefer als "Dritte Hand" mit Eröffnung der Zahnhöhle und anschließendem Absterben der Zahnnerven (ca. 30-jährige Frau aus der mittleren Steinzeit). Foto: K.W. Alt
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