Aktuelle Forschungen zum Gräberfeld und Bergwerk in Hallstatt

Seit der Gründung des Naturhistorischen Museums (NHM) in Wien im Jahr 1870 sind die Hallstatt-Forschung und das Haus an der Wiener Ringstraße eng miteinander verbunden. Von 1846 bis 1863 wurde das eisenzeitliche Gräberfeld in Hallstatt erstmals systematisch untersucht und unter dem ersten Intendanten des Museums in Wien, Ferdinand von Hochstetter (1829–1884), kamen durch weitere Grabungen von 1877 bis 1878 die Grabbeigaben von 27 freigelegten Gräbern nach Wien in das neue Hofmuseum. Aktuell wird dieses eisenzeitliche Gräberfeld neu untersucht und auch im prähistorischen Salzbergwerk kann seit Kurzem die älteste bekannte Schachtanlage erforscht werden.

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Johann Rudorfer in Hallstatt
Johann Rudorfer in Hallstatt (© NHM Wien)

In der archäologischen Welt ist dieser Ort im Dachsteingebirge vor allem durch Funde aus einem Gräberfeld der älteren Eisenzeit (ca. 800 v. Chr. bis 450 v. Chr.) berühmt, die Hallstatt namensgebend für eine Epoche in ganz Europa werden ließen: Die Hallstattzeit. Neben dem Gräberfeld mit seinen außergewöhnlich reichen Grabbeigaben sind inzwischen auch die Funde aus den prähistorischen Bergwerken weltweit bekannt, die Dank der Erhaltungsbedingungen im Salzberg ein außergewöhnlich breites Spektrum umfassen. Die interdisziplinären Forschungen der Prähistorischen Abteilung des NHM Wien vernetzt mit internationalen Forschungspartnerinnen und -partnern konzentrieren sich derzeit neben der Untersuchung des Gräberfeldes und der Bergbauanlagen auch auf das Wirtschaftssystem im Umland.

Neu-Untersuchungen des Gräberfelds

Veranlasst durch den Bau eines Kanals und einer Druckrohrleitung in den Jahren 1993 und 1994 am nördlichen Rand des bekannten Gräberfeldes, begann die Prähistorische Abteilung des NHM Wien zuerst mit baubegleitenden Untersuchungen und führt seitdem die alljährlichen systematischen Arbeiten im Hochtal weiter. Die archäologische Grabungssaison des NHM Wien beginnt jedes Jahr im Sommer und reicht bis in den Herbst hinein.

Aktuell errichtet die Wildbach- und Lawinenverbauung Oberösterreich ein Steinschlagwerk, das den Ort Hallstatt vor Felsbrüchen schützen soll. Dieses Bauvorhaben quert genau das eisenzeitliche Gräberfeld, das 1846 vom Bergmeister der Saline Johann Georg Ramsauer (1795–1874) entdeckt und bis 1863 systematisch archäologisch untersucht wurde. Ramsauer entdeckte damals rund 1.000 Gräber mit reichen Beigaben, die Gegenstände seiner Grabungen kamen größtenteils nach Wien. Von seinen Grabungen existieren umfangreiche Protokolle, Grabbeschreibungen und Gräberfeldpläne sowie viele Aquarelltafeln mit Grabanlagen und Fundtypen. Seine akribische Arbeit, insbesondere die genaue Dokumentation der reichen Grabinhalte, trug dazu bei, dass der Fundort namensgebend für eine ganze Epoche der europäischen Kulturgeschichte wurde, die Hallstattzeit.

Die aktuellen Verbauungen nehmen sich die Archäologinnen und Archäologen nun zum Anlass, die Untersuchungen am eisenzeitlichen Gräberfeld aus dem 19. Jahrhundert neu aufzurollen und zu überprüfen. "Da wir davon ausgehen, dass damals nicht alle Bestattungen erfasst wurden, möchten wir diese Zone neu untersuchen," erklärt Mag. Johann Rudorfer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Prähistorischen Abteilung, Leiter der Obertag-Forschungsgrabungen des NHM Wien und zuständig für die baubegleitenden archäologischen Maßnahmen im Rahmen der Wildbach-, Lawinen- und Steinschlagschutzmaßnahmen in Hallstatt. "Auch die seinerzeit angewandte Grabungsmethode wurde nicht klar überliefert, und wir können davon ausgehen, dass sich auch noch Reste von damals dokumentierten Gräbern im Boden befinden."

Die Fundstellen wurden im 19. Jahrhundert zwar zeichnerisch exakt dokumentiert, jedoch wurden vielen der Funde, die aus damaliger Sicht wenig Wert hatten, wohl im Boden zurückgelassen. Erwartet werden in der aktuellen Grabungssaison menschliche Überreste und Grabbeigaben wie etwa Keramikgefäße. Keramik entnahm man im 19. Jahrhundert wegen des schlechten Erhaltungszustandes nur in seltenen Fällen aus der Erde.

Im Vorfeld der Ausgrabungen wurden gemeinsam mit GeoSphere Austria Bodenprospektionsarbeiten durchgeführt, um die Lage etwaiger Fundstellen genauer bestimmen und dadurch die notwendigen Grabungen besser koordinieren zu können. Diese werden von der Salinen Austria AG und dem Bundesdenkmalamt finanziert. Die Grabungsarbeiten werden von der Wildbach- und Lawinenverbauung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasser finanziert, die Fundverwaltung, Restaurierung und wissenschaftliche Aufarbeitung der Grabungsergebnisse werden vom NHM Wien finanziert. Die Grabungsarbeiten beginnen am 30. Mai und werden bis August 2023 andauern.

Nicht nur vor Ort in Hallstatt wird geforscht. Im NHM in Wien läuft aktuell die Auswertung der seit 1993 geborgenen "neuen" Gräberfunde und ihrer jeweiligen Befundsituation weiter und hat zahlreiche neue Fragestellungen ergeben. "Es soll überprüft werden, ob die in den neuen Grabungen festgestellte hohe Belegungsdichte der Gräber auch in dem untersuchten Bereich des 19. Jahrhunderts nachgewiesen werden kann. Dasselbe gilt für die Feststellung der ursprünglichen Grabkonstruktion. Es liegen zwar zahlreiche Beschreibungen und wunderschöne Aquarelle vor, aber auf dieser Datengrundlage ist heute etwa nicht mehr festzustellen, ob es sich ausschließlich um Flachgräber handelt, oder ob nicht doch auch vereinzelt Grabhügel über den Bestattungen aufgeworfen worden waren", erklärt Dr. Georg Tiefengraber, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Prähistorischen Abteilung im NHM Wien und Kurator der Sammlung Bronze- und Eisenzeit. Auch noch nicht entdeckte Gräber können bei den neuen Forschungsarbeiten zum Vorschein kommen. Die neuen Erkenntnisse, die aus dem Boden geholt werden, können das Wissen um die Hallstattzeit, das Bild des Gräberfelds und die archäologische Forschungsgeschichte maßgeblich erweitern.

Archäologische Arbeiten im Salzbergwerk

Im Jahr 1960 begann die Prähistorische Abteilung des NHM Wien mit der Untersuchung der archäologischen Bergwerksanlagen. Erfasst wurden bislang vorwiegend Spuren des hallstattzeitlichen und des bronzezeitlichen Bergbaus (1500 v. Chr. bis 1.000 v. Chr.), die einen außergewöhnlichen Einblick in die Lebens- und Arbeitswelt der prähistorischen Menschen erlauben. Es werden Organisation und Abbautechnik untersucht, die sich unter Tage fassen lassen. Aufgrund der einmaligen Umgebungsbedingungen haben organische Materialien im Hallstätter Salzberg die Zeit nahezu unbeschadet überdauert. Daher gibt es zahlreiche Reste von Werkzeugen und Geräten, aber auch von ausgefeilten technischen Hilfsmitteln, die eine detaillierte Rekonstruktion der Arbeitsabläufe im prähistorischen Bergbau ermöglichen. Die Ausgrabung der durch den Bergdruck wieder geschlossenen Stollen liefert zudem einzigartige Überreste von Nahrung und Kleidung der Menschen der Bronze- und Hallstattzeit.

Sanierung des untertägigen Welterbes

"Die Fundstellen wurden im Zuge der Bergbautätigkeit in den letzten 400 Jahren beim Bau von Stollen und Abbauräumen entdeckt. Heute wird in viel tieferen Bereichen des Salzberges produziert und die Stollen, die zu den prähistorischen Abbaurevieren führen, sind für die aktuelle Salzproduktion nicht mehr notwendig und verfallen. Sind diese Stollen nicht mehr begehbar, ist der zentrale Teil des Welterbes nicht mehr erreichbar und verloren", erklärt Dr. Hans Reschreiter, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Prähistorischen Abteilung im NHM Wien und Leiter der Ausgrabung und Forschung im prähistorischen Salzbergwerk, sein Projekt. Um das zu verhindern wurde 2018 ein 2 Millionen Euro schweres Sanierungsprojekt, getragen vom Land Oberösterreich, dem Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS), dem Bundesdenkmalamt (BDA) und der Salinen Austria AG sowie dem NHM Wien, gestartet. Vor wenigen Tagen konnte von Bergleuten der Salinen Austria AG und von Archäologinnen und Archäologen des NHM Wien ein wichtiges Etappenziel erreicht werden: die älteste bekannte Schachtanlage aus dem 12. Jahrhundert v. Chr. ist nun wieder gefahrlos erreichbar.

Vermittlungsprogramm gemeinsam mit den Salzwelten Hallstatt

Den Archäolog*innen über die Schulter schauen
03.07 bis 04.08.2023 - Montag bis Donnerstag, 10:00 bis 16:00 Uhr

Hallstatt 7000: Den Archäolog*innen über die Schulter schauen - Grabung obertage
Besuche unsere Ausgrabungen im prähistorischen Gräberfeld. Die Wissenschafter*innen des Naturhistorischen Museums Wien lassen sich gerne auch über die Schulter schauen und erzählen von ihrer spannenden Forschungsarbeit im Hallstätter Hochtal, einem der bedeutendsten Fundorte der frühen Eisenzeit, die daher auch "Hallstattzeit" genannt wird.

Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos.
Preise für die Auffahrt mit der Salzbergbahn: Salzwelten Hallstatt: Öffnungszeiten & Preise


Sonderführung "Prähistorische Expedition"
Juli & August jeden Dienstag und Donnerstag um 10:00 Uhr

Gemeinsam mit Archäolog*innen abseits der regulären Führungsstecke im ältesten Salzbergwerk der Welt. Die prähistorische Expedition macht dies möglich! Die 4-Stunden-Insidertour ist ab 10 Jahren geeignet und setzt etwas körperliche Fitness und keine Angst in engen Stollen voraus. Erwachse: € 80,- Kinder (10 bis 15 Jahre): € 40,-
Anmeldung erforderlich per mail: info@salzwelten.at oder telefonisch unter 06132/200 2400


Archäologie am Berg
16. und 17.09.2023 von 10:00 bis 17:00 Uhr
Veranstaltung zum Mitmachen, Ausprobieren und Entdecken der prähistorischen Forschung

"Archäologische Forschung – einst und heute"
Einblicke in die Arbeitsmethoden der Archäolog*innen vor 175 Jahren bis in die Gegenwart:
Wie wurde zu Zeiten von Georg Ramsauer ein prähistorisches Gräberfeld und Salzbergwerk ausgegraben, dokumentiert und geforscht und wie geschieht dies heute? Es werden ausgewählte Funde der Grabungssaison 2023 direkt vor Ort präsentiert!

Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos.
Preise für die Auffahrt mit der Salzbergbahn: Salzwelten Hallstatt: Öffnungszeiten & Preise

Hans Reschreiter in Hallstätter Salzberg
Hans Reschreiter in Hallstätter Salzberg (© NHM Wien)
Schwert aus der Hallstattzeit
Schwert aus der Hallstattzeit. Untersucht von Georg Tiefengraber (© NHM Wien)