Ein Kreisgraben an der Kreuzung alter Fernhandelswege

Bereits seit 1998 bringen archäologischen Arbeiten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) am westlichen Stadtrand von Paderborn Erkenntnisse über die Besiedlungsgeschichte im Saatental. Nun werden letzte Areale im Vorfeld eines Bauvorhabens untersucht - mit neuen Ergebnissen: Ein jungsteinzeitlicher Kreisgraben, der vermutlich ein Grab umschließt, sowie Befunde und Funde aus der Zeit der römischen Okkupation um Christi Geburt.

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Ausgrabung eines neolithischen Grubenhauses
Dokumentation des flach im Boden erhaltenen jungsteinzeitlichen Grubenhauses, gesehen von Westen. Foto: Archäologie am Hellweg

Das Saatental liegt in unmittelbarer Nähe einer Kreuzung dreier alter Fernhandelswege: dem großen Hellweg (heute etwa B 1), dem aus Paderborn-Wewer kommenden Haarweg (in Wewer: Alter Hellweg; in Paderborn: Barkhauser Straße) sowie dem Frankfurter Weg, der durch das südliche Bergland bis in das Rhein-Main-Gebiet zog.

LWL-Stadtarchäologin Dr. Sveva Gai: »Diese Routen wurden schon seit etwa 3.700 vor Christus genutzt, als hier Menschen lebten, die wir Archäolog:innen der Michelsberger Kultur zuordnen. Das am Knotenpunkt gelegene Saatental bildet den reichhaltigsten Siedlungsplatz dieser Zeit in Nordwestdeutschland.«.

Laborproben, Kreisgräben und ein Backofen

Nachdem 1998 bis 2003 die Stadt Paderborn in Kooperation mit dem Kreis und dem LWL Saatental großflächig erforscht hat, wird hier von einer archäologischen Fachfirma seit 2020 erneut ausgegraben.

Dr. Bernhard Sicherl ist Grabungsleiter und kennt das inzwischen rund 7,6 Hektar große Untersuchungsareal gut: »Auf einem Teil der Fläche, der in früheren Kampagnen noch nicht untersucht wurde, soll nun ein Firmengebäude entstehen. Die vor dem Bau nötigen Ausgrabungen gaben uns die Gelegenheit, Lücken im Gesamtbild zu schließen.«

Neben Keramikscherben und Steingeräten aus der Jungsteinzeit kam auch umfangreiches Holzkohlematerial aus dem Boden, welches nun im Labor untersucht werden soll. Hieraus können die Fachleute wichtige Informationen zu Klima, Umwelt, Landwirtschaft und Viehzucht in dieser fernen Epoche gewinnen.

»Ein Kreisgraben war allerdings eine große Überraschung,« sagt Sicherl. Der ringförmige flache Graben hat einen Durchmesser von etwa 7,6 Metern. »Wir gehen davon aus, dass er einen Grabhügel umschloss und wie vereinzelte früher gefundene Gräber im Saatental an das Ende der Jungsteinzeit zu datieren ist.« In Westfalen seien solche Befunde bislang relativ selten, erklärt Sicherl: »Der Graben selbst kann zur rechtlich-rituellen Abgrenzung der Bestattung gedient haben. Möglich ist auch, dass in ihn Pfosten oder Steine gesetzt waren, die die Hügelschüttung stützten. Es kommt jetzt auf die genaue Auswertung aller Indizien an.« Den Kreisgraben sollen nun die Archäolog:innen bei besserem Wetter weiter bearbeiten, damit der Befund keinen Schaden durch Regen oder Trockenheit nehmen kann.

Ein paar Tausend Jahre jünger sind die Funde der Zeit um Christi Geburt, als Westfalen durch die römischen Eroberungskriege und den Aufstand des Arminius in den Blick der lateinischen Historiker geriet. Die Archäolog:innen entdeckten Spuren zweier neuer Hofstellen und dreier großer Wohnstallhäuser samt Nebengebäuden. Auch einen Backofen konnten die Fachleute noch nachweisen, ebenso wie Funde, die darauf schließen lassen, dass vor Ort eine Schmiede betrieben wurde.

Für Grabungsleiter Sicherl sind dies entscheidende Puzzleteile, die das Gesamtbild der bisherigen Grabungen ergänzen: »Insgesamt können wir in der Hochzeit der Besiedlung im 1. Jahrhundert nach Christus von bis zu elf Hofarealen von etwa 70 mal 100 Metern Größe ausgehen, die den Streifen zwischen dem Alten Hellweg und der Terrassenkante der Alme einnahmen. Die Weideflächen der Mischbetriebe mit starkem viehwirtschaftlichem Schwerpunkt dürften in der Almeaue, die Ackerflächen östlich der Barkhauser Straße gelegen haben«, so der Archäologe.

Über die Art der gefundenen Keramik ergeben sich laut der Expert:innen Hinweise darauf, dass die Römer hier Germanen aus dem Herrschaftsgebiet des Marbod (König der Markomannen, gest. 41 n. Chr.), dem späteren Gegner des Arminius, ansiedelten. Diese leisteten Dienst zur Kontrolle der strategisch wichtigen Fernwegekreuzung. Die meisten Hofstellen werden am Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus aufgegeben, das Areal wird danach hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt. Zu Beginn des Mittelalters entsteht ein wenig nördlich das Dorf Balhorn, das im Laufe der Zeit mit der wachsenden Domstadt Paderborn verschmolz.

Die Ergebnisse zur vor- und frühgeschichtlichen Besiedlungsgeschichte des Saatentals mündeten bereits in ein wissenschaftliches Auswertungsprojekt, dessen Ergebnisse in einem Sammelband veröffentlicht wurden.

Kreisgraben
Drohnenfoto. Im Zentrum der Grabungsfläche ist die Kreisförmige Spur des Kreisgrabens zu erkennen, des allerletzten Restes eines jungsteinzeitlichen Grabhügels. Foto: LWL-Archäologie/S. Gai
Archäologische Befunde im Planum
Die gerade freigelegte südliche Teilfläche, in der sich die archäologischen Befunde als dunkle Verfärbungen abzeichnen. Foto: Archäologie am Hellweg