Einzigartiges Zeugnis der westfälischen Industriegeschichte

Derartiges haben die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) bisher noch nicht gesehen: In Nottuln schlummert der am besten erhaltene historische Ziegelbrennofen Westfalens im Boden. Bislang wirft der Befund aus dem 18./19. Jahrhundert, der bei Ausgrabungen im Vorfeld des Baus der Ortsumgehung Nottuln zutage kam, noch mehr Fragen als Antworten auf.

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Mit der Drohne eingefangen: Die Spuren des Brennofens sind deutlich im Boden zu erkennen. Foto. LWL/C. Richter

Wenn die Ortsumgehung entsteht und modernen Anforderungen an Infrastruktur und Verkehrswege den Weg ebnet, wird der Brennofen unter den Baggerschaufeln unwiederbringlich verschwinden. Damit nachfolgende Wissenschaftlergenerationen auch mit womöglich neuen Methoden in der Zukunft diesen besonderen Fund auswerten können, kommen jetzt die modernsten Techniken zum Einsatz, um den Ziegelbrennofen in allen Einzelheiten zu dokumentieren. »Sonst würden uns wertvolle archäologische und historische Erkenntnisse verloren gehen«, so LWL-Fachmann Dr. Christoph Grünewald. Der gesamte Komplex wird dreidimensional dokumentiert und kann auf diese Weise im digitalen Sinne begangen werden.

Entdeckt worden war der Ziegelbrennofen bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst hatte im Vorfeld der geplanten Ortsumgehung das Gelände mit geomagnetischen Geräten untersucht. Dabei sendeten die physikalischen Wellen Hinweise auf rechteckige Baustrukturen im Boden und auf weitere unterirdische Strukturen, die durch menschliche Bautätigkeiten entstanden sein müssen. In den Archiven der Archäologen fanden sich keine Hinweise darauf, worum es sich dabei handeln könnte. In Abstimmung mit Straßen NRW Coesfeld, den Planern der Ortsumgehung, erfolgte im April eine Probegrabung. Dabei kamen auf eine Fläche von 1.100 Quadratmetern so viele Indizien zutage, dass am Ende klar war: Hier liegt ein Ziegelbrennofen unter der Erde begraben. Die Brennkammer, eine Rampe als Zugang, Schürkanäle zur Befeuerung: Das alles konnten die Archäologen schon jetzt erkennen und festhalten. Die Experten vom LWL-Industriemuseum, Ziegelei Lage, und von der LWL-Denkmalpflege wurden ebenfalls hinzugezogen.

Offen blieb bislang die Gesamtausdehnung des Betriebsgeländes. Gruben zur Aufbereitung des Tons, Bereiche und Vorrichtungen zum Trocknen der Ziegel, Lager für das Brennholz und für die fertigen Ziegelprodukte, Halden für die Abfälle: Das wollen die Archäologen jetzt lokalisieren und erforschen. Dabei erhoffen sich die Fachleute auch Aufklärung zu der Frage, wann dieser Ofen genau genutzt wurde. Bislang können sie aufgrund fehlender schriftlicher Hinweise und Einträge nur vermuten, dass die Anlage vor 1826 in Betrieb war und vielleicht mit dem Wiederaufbau der Stadt nach einem verheerenden Brand im Jahr 1748 im Zusammenhang stehen könnte. Darüber hinaus sollten die Ausgrabungen auch Hinweise auf die genaue Konstruktion des Ziegelbrennofens geben.

Die Ausgrabungen haben bereits begonnen. Schwerpunkte der Untersuchungen sind aktuell die Untersuchung der Brennkammer und der Schürkanäle. Damit nehmen die Archäologen das Herzen der Anlage, in der Ziegel als Baumaterialien hergestellt wurden, in den Fokus. Gemeinsam mit Straßen NRW Coesfeld wurden die Ausgrabungen so geplant, dass die Straßenbaumaßnahmen ohne Verzögerung beginnen können. Ende März sollen die Ausgrabungen abgeschlossen sein.

Der Ziegelbrennofen mit den Schürkanälen und dem Graben, der für die Versorgung mit Brennmaterial diente. Foto: LWL
Geschichtete Ziegel des letzten Brennvorgangs. Foto: LWL