Überraschender Fund auf dem Kerameikos

Gut erhaltene Marmorporträts des 3. Jahrhunderts n. Chr. entdeckt

Bei Vorarbeiten zur Dokumentation eines Brunnens kamen im Kerameikos in Athen überraschend die Marmorporträts zweier Frauen aus der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. zutage.

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Eines der kürzlich entdeckten Porträts aus dem Brunnen (Foto © J. Stroszeck)
Eines der kürzlich entdeckten Porträts aus dem Brunnen (Foto © J. Stroszeck)

Die beiden Porträts sind in ungewöhnlich gutem Zustand erhalten. Sie zeigen ein junges Mädchen und eine junge Frau mit der gleichen aufwendigen Haartracht: Die langen Haare sind in der Mitte gescheitelt, in Zöpfe geflochten und als breites Band vom Nacken aus über den Hinterkopf bis fast zur Stirn gelegt, dort umgeschlagen und festgesteckt. Diese Form der sogenannten "Scheitelzopffrisur" wurde um 250 n. Chr. von Salonina, der Frau des Kaisers Gallienus (253 - 268 n. Chr.) getragen und damit als Modefrisur im gesamten Imperium Romanum verbreitet.

Die beiden Porträts waren einst vor dem Dipylon aufgestellt: entweder als Ehrenstatuen oder als Grabstatuen bzw. als liegende Figuren auf einem Marmorsarkophag in Klinenform. Sie sind offenbar gleichzeitig abgeschlagen, durch einen gezielten Meißelhieb in zwei Teile gespalten und in den Brunnen geworfen worden. Erst die Fortsetzung der Arbeiten kann Klarheit darüber bringen, zu welchem Zeitpunkt die Zerstörung erfolgt ist.

Gefunden wurden die Skulpturen in einem aus Steinen gemauerten und innen mit hydraulischem Mörtel verputzte Brunnen in 5,20m Tiefe und unterhalb des aktuellen Grundwasserspiegels. Der Brunnen wurde schon 1934 - 1936 entdeckt und weitgehend untersucht, damals aber nicht dokumentiert, wohl wegen des hohen Grundwasserspiegels. Auch die Arbeiten 2013 konnten nur unter gleichzeitigem Einsatz von vier Pumpen ausgeführt werden. Bisher sind drei Bau- und Verwendungsphasen des Brunnens feststellbar: Die Anlage erfolgte im 4. Jahrhundert v. Chr. mit einer Kalkstein-Einfassung und einer fest installierten Schöpfvorrichtung aus einem Balkengestell mit zentriertem Seilzug. Im späten Hellenismus wurde der Brunnenrand mit Tonplatten erhöht und die Innenseite des Brunnens neu verstuckt. In einer letzten Nutzungsphase wurde die Mündung mit Brecciablöcken (Spolien) erhöht und rechteckig eingefasst.

Die Forschungen im Kerameikos werden seit hundert Jahren vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) in Athen ausgeführt. Die Freilegung des Brunnens erfolgte unter Leitung von Dr. Jutta Stroszeck im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Wasserversorgung der klassischen Badeanlage vor dem Dipylon. Das Grabungsteam im Kerameikos besteht 2013 aus griechischen und deutschen Mitarbeitern verstärkt durch eine kleine Gruppe Studenten verschiedener Universitäten (Berlin, Gießen, Mainz und Rostock).

Die aktuelle Grabungsmannschaft (Foto © J. Stroszeck)
Die aktuelle Grabungsmannschaft (Foto © J. Stroszeck)