Antike Mathematik in drei Dimensionen

Hilprecht-Sammlung der Universität Jena richtet am 12. November interdisziplinären 3D-Workshop aus

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Tontafel aus der Jenaer Hilprecht-Sammlung
Noch zweidimensional: Eine Tontafel aus der Jenaer Hilprecht-Sammlung, die in Kürze als 3D-Scan vorliegen soll. Foto: Hilprecht-Sammlung/FSU

Es ist ein recht ungewöhnliches Zusammentreffen, das Entwicklungsbiologen, Architekten, Kunsthistoriker und Computerspezialisten heute im Rahmen eines gemeinsamen Workshops in die Hilprecht-Sammlung der Friedrich-Schiller-Universität führt. "Wir wollen uns über Erfahrungen im Umgang mit 3-dimensionalen digitalen Abbildungen aus diesen ganz unterschiedlichen Fachgebieten austauschen", erklärt Prof. Dr. Manfred Krebernik von der Jenaer Universität die außergewöhnliche Kooperation. Der Inhaber des Lehrstuhls für Altorientalistik und Leiter der Hilprecht-Sammlung hat den Workshop gemeinsam mit dem Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und dem Kunsthistorischen Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Florenz organisiert.

Im Mittelpunkt des Jenaer Workshops steht die Präsentation des neuen 3D-Scanners der Hilprecht-Sammlung. Das rund 100.000 Euro teure Gerät wird den Altorientalisten der Uni Jena vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin zur Verfügung gestellt. "Damit planen wir unseren gesamten Keilschrift-Bestand zu digitalisieren", kündigt Krebernik an. In den kommenden Jahren sollen so sämtliche der rund 3.300 auf Tontafeln geschriebenen Keilschrifttexte aus dem antiken Zweistromland dokumentiert und online zugänglich gemacht werden.

Zwar sind die meisten Texte der Hilprecht-Sammlung bereits wissenschaftlich ediert. Zusätzlich werden derzeit rund 350 bislang unveröffentlichte Wirtschaftstexte aus altbabylonischer Zeit im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes bearbeitet. Dazu werden die Texte transkribiert, kommentiert, gezeichnet und fotografisch dokumentiert. "Die dreidimensionale Darstellung liefert aber weit umfassendere Informationen der einzelnen Objekte", macht Prof. Krebernik deutlich. "Die Tontafeln haben eine ausgeprägte räumliche Struktur, viele von ihnen sind beidseitig beschrieben oder liegen in einzelnen Fragmenten vor." All dies lasse sich in einem 3D-Scan abbilden und archivieren. "Aus den gewonnenen 3D-Daten können später sogar detailgetreue Abgüsse der vermessenen Objekte hergestellt werden", so Krebernik.

Beginnen wollen die Jenaer Altorientalisten ihre Scan-Arbeiten mit Tontafeln, auf denen sich vorrangig mathematisch-metrologische Texte finden. Diese Tafeln stammen aus der einstigen Stadt Nippur (im heutigen Irak) und datieren größtenteils in die altbabylonische Zeit (1. Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr.). Später sollen neben den Tontafeln auch die sogenannten "Zauberschalen" und weitere archäologische Funde der Sammlung gescannt werden.

Die Sammlung des Gelehrten Hermann Vollrath Hilprecht (1859-1925) ist seit seinem Tode im Besitz der Jenaer Universität und nach dem Vorderasiatischen Museum in Berlin die zweitgrößte Keilschrift-Sammlung in Deutschland.

Altorientalist Prof. Dr. Manfred Krebernik
Altorientalist Prof. Dr. Manfred Krebernik von der Universität Jena. Foto: Stephan Laudien/FSU