Schlachtenbummel

Drei Ausstellungen um einen Mythos

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Museen & AusstellungenDeutschlandKonflikte & Krisen

2000 Jahre nach einer Schlacht, deren Protagonisten in den letzten 500 Jahren bis zur Unkenntlichkeit von Mythen und Legenden umrankt wurden, kann man sich nun auf den Weg machen Wahrheit von Mythos und Fakten von Legenden zu trennen. Drei große Ausstellungen und zahlreiche kleinere Veranstaltungen rund um das Thema, bieten uns viele Möglichkeiten und neuen Informationen uns diesem Thema zu nähern.

IMPERIUM: Varus als Krisenmanager und das „Goldene Zeitalter Roms“

Die Ausstellung „IMPERIUM" des LWL-Römermuseums in Haltern am See verfolgt vereinfachend ausgedrückt zwei rote Fäden: sie zeichnet den Lebensweg und die Karriere des Varus nach und verbindet dies mit einer umfassenden Darstellung der augusteischen Epoche des römischen Imperiums, das sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seiner Macht und Kultur befand.

Die Person des Varus wird bis heute im öffentlichen Bewusstsein als behäbiger Verwaltungsfachmann wahrgenommen, der von Kriegsführung wenig verstand. Doch die Realität sah definitiv anders aus. Bis zu seiner Niederlage hatte Publius Quinctilius Varus eine tadellose Karriere im Römischen Reich gemacht, er war militärisch erfahren, hoch dekoriert und diplomatisch erfolgreich. Als junger Mann begleitete er den Kaiser auf eine diplomatische Mission in den Osten des Imperiums, im Jahr 13 v. Chr. bekleidete Varus mit dem Konsulat sogar das offiziell höchste Amt im römischen Staat. Vor allem als Statthalter in der Provinz Syrien hatte er in den Augen der Mächtigen seine Kompetenz bewiesen.

Varus muss, so der Leiter des Römermuseums Haltern, für Kaiser Augustus so etwas wie der Mann für besonders schwierige Fälle gewesen sein, heute würde man dies einen Krisenmanager nennen. Auch in Germanien konnte Varus zunächst wichtige Erfolge erzielen. Die Gebiete rechts des Rheins schienen bereits eine befriedete römische Provinz zu sein, als Augustus 9 n. Chr. die Hiobsbotschaft von der Niederlage in den germanischen Wäldern erreichte. Die Behauptung aber, Varus sei der typische Verlierer gewesen, kam erst Jahrzehnte nach seinem Tod auf. Das Zerrbild hat bis heute überlebt.

Die Lebensgeschichte des Varus wird mit der augusteischen Epoche des römischen Imperiums verflochten. Mehr als 300 Exponate aus internationalen Museen lassen die kulturelle Blüte des „Goldenen Zeitalters" zur Zeit des Kaisers Augustus wiederauferstehen. Die aufwändig inszenierte Sonderausstellung zeigt, wie sich Rom von einem Dorf auf sieben Hügeln zu einer Weltmacht entwickelte, die unter Augustus über den gesamten Mittelmeerraum herrschte. In einem sechs Meter hohen, goldfarben ausgeschlagenen Raum ist als Beispiel für die bildende Kunst auf ihrem Höhepunkt eine Bronzestatue des Apollo, Schutzherr des Augustus und Gott der schönen Künste, aus Pompeji zu sehen. Prachtvoll gestaltete Silberbecher belegen das Niveau des Kunsthandwerks dieser Zeit.

Die Ausstellung beleuchtet auch die herausragenden Leistungen des Augustus in der Innen- und Außenpolitik. Durch Kriege und diplomatisches Geschick gelang es ihm, sein Imperium weiter auszudehnen und langfristig zu sichern. Auch Personen im Schatten des Kaisers - seine Verwandten, Freunde und politischen Weggefährten wie Varus - waren maßgeblich an dieser Erfolgsgeschichte beteiligt. Wie Varus ausgesehen hat, zeigen Münzen aus der nordafrikanischen Stadt Achulla. Mit Hilfe von Fahnundungsexperten des LKA Düsseldorf wurden aus diesen Münzen und anderen Hinweisen auf das Aussehen von Varus ein Phantombild erstellt.

KONFLIKTzonen

Die Sonderausstellung „KONFLIKT" im Museum und Park Kalkriese blickt vor allem in die Zeit nach der Varusschlacht und widmet sich den Ursachen und Folgen kriegerischer Konflikte in der germanischen Welt. Zwar greift die Darstellung von Ursachen, Verlauf und Konsequenzen kriegerischer Auseinandersetzungen zeitlich bis in die vorrömischen Eisenzeit aus, doch liegt der Fokus auf den Jahrhunderten nach dem Ende der expansiven Germanienpolitik Roms.

Den Mittelpunkt der Sonderausstellung bilden drei regionale Fallbeispiele, die sogenannten „Konfliktzonen". Hinzu kommen mehrere thematische Aspekte, die für das Verständnis der Art und des Verlaufs kriegerischer Konflikte zwischen germanischen Stämme einerseits und zwischen Germanen und Römern andererseits von Bedeutung sind.

Die Markomannenkriege stehen im Zentrum der ersten Konfliktzone. Sie sind ein gutes Beispiel für die Probleme des römischen Imperiums mit ihren Nachbarn und späteren Gegnern und für die Komplexität der dabei auftretenden Konflikte. Im Mittelpunkt der Präsentation steht das Königsgrab von Musov (Tschechien), das eindrucksvoll zeigt, wie sehr die germanischen Eliten den gehobenem römischem Lebensstil in ihr Leben integriert hatten.

Die Funde von Kriegsbeuteopfern aus der „Konfliktzone" des südwestlichen Ostseeraum veranschaulichen die rein innergermanischen Auseinandersetzungen zwischen dem 2. und 5. Jahrhundert. Die ausgestellten rund 500 Exponate aus dem Kriegsbeuteopfer im dänischen Illerup veranschaulichen die Dramatik der innergermanischen Auseinandersetzungen. Die Sieger opferten nach gewonnener Schlacht die Ausrüstungen ihrer besiegten Gegner im Moor. Dadurch sind die Ausstattungen von mehreren hundert Mann starken Kriegstruppen überliefert, die nach mehr als 1500 Jahren wie keine andere Quelle einen detaillierten Einblick in die innere Organisation und die Ausstattung der germanischen Heeresverbände ermöglichen.

Der Schatzfund von Neupotz (Rheinland-Pfalz) steht im Zentrum der dritten Konfliktzone entlang des Rheinlimes. Der Schatz aus mehr als 1000 zum Teil sehr wertvollen Stücken und einem Metallgewicht von mehr als einer Tonne illustriert die Plünderungszüge tief ins Römische Reich.

Darüber hinaus beleuchtet die Sonderausstellung drei weitere wichtige Aspekte des germanischen Kriegswesens: Die Rolle der germanischen Söldner in Diensten des römischen Heeres ebenso wie das Gefolgschaftswesen und die Elitenbildung in der germanischen Gesellschaft.

Wie aus dem historischen Ereignis ein MYTHOS wurde

Nur wenige Kilometer vom 1875 eingeweihten Hermannsdenkmal zeigt das Lippische Landesmuseum Detmold in seiner Ausstellung, wie aus dem historischen Ereignis der Varusschlacht und dem germanischen Cheruskerfürsten Arminius/Hermann ein MYTHOS wurde. Ein Mythos der schon in der Römerzeit, vor allem aber seit dem ausgehenden Mittelalter bis in die Gegenwart für jeweils aktuelle politische Auseinandersetzungen und nationale Ziele dienstbar gemacht wurde. Heute würde sich kaum noch jemand für diese historische Gestalt interessieren, wäre Arminius/Hermann nicht in den letzten 500 Jahren zu einer der wichtigsten Symbolfiguren der Deutschen stilisiert worden.

Die Grundlage für das Verständnis der Germanen im neuzeitlichen Deutschland bildete Tacitus' ethnografische Schrift Germania. Dieses notgedrungen subjektive Bild wird im Rahmen der Ausstellung modernen archäologischen Forschungsergebnissen gegenübergestellt, die eine Überprüfung ausgewählter römischer Nachrichten erlauben. Wie sahen die Römer ihre Nachbarn aus dem rechtsrheinischen Barbaricum? Wer waren die Germanen und wie lebten sie? Neben den Einblicken in die germanische Alltagskultur und Gesellschaftsstruktur wird es dem Ausstellungsbesucher gleichzeitig ermöglicht, Bezüge zur Rezeptionsgeschichte herzustellen: Viele von den seit dem 15. Jahrhundert für die Germanen und damit für die Deutschen reklamierten Tugenden entsprechen nicht der historischen Realität. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Beschreibung des Arminius in den römischen Quellen. Auch seine Person wird stark von den zeitgenössischen Interessen der römischen Autoren überzeichnet und tritt uns sowohl als Verräter als auch als charismatischer Befreier entgegen.

Mit der Wiederentdeckung der antiken Schriften begann im 15. Jahrhundert die zweite große Karriere des Arminius. Vom Kämpfer gegen die römische Kurie zum internationalen Opern- und Theaterhelden, vom „Einiger und Befreier Deutschlands" zum patriotischen Nationalhelden der Befreiungskriege, vom Gründungsvater der Deutschen Nation zum entpolitisierten Werbeträger: in der Person des Arminius kristallisierten sich zu allen Zeiten historisch-politische Sehnsüchte und Befindlichkeiten der Deutschen, die allesamt um das Thema nationale Einigung, kriegerische Selbstbehauptung und kulturelle Identität kreisten. Und wenn das eigentliche Ziel der Ausstellung die Rezeptionsgeschichte des Arminius, der Germanen und der Varusschlacht ist, so spiegelt diese Geschichte jedoch das Bild wieder, das sich die Deutschen im Laufe der letzten Jahrhunderte von sich selbst gemacht haben.

Hinweis

Der Artikel entstand im Rahmen der Sonderausstellung »Imperium - Konflikt - Mythos« des Landesverband Westfalen-Lippe von Mai bis Oktober 2009.

Weiterführende Links

In unserem Guide im Bereich Themen / Varus-Schlacht finden Sie eine Zusammenstellung von Links zum Thema.

Medien-Tipps

Weitere Buchtipps finden Sie in der Rubrik Varus-Schlacht der Bibliothek.