Einführung in die Forschungsgeschichte der Burgenarchäologie im Friaul

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Burgenforschung und -archäologie haftet in ganz Europa nach wie vor ein zweifelhafter Ruf an, der die Burgenkunde des 19. Jh. mit der sich ab der Wende zum 20. Jh. entwickelnden Burgenforschung gleichsetzt. Angesichts zahlreicher Restaurierungsmaßnahmen unterschiedlicher Phasen der jüngeren Geschichte an Burgen im Friaul, erscheint eine Übersicht zur Forschungsgeschichte und den in Italien gebildeten Schulen notwendig. Eine allgemeine Geschichte der Burgenforschung soll dabei nicht neu geschrieben werden.

Diese trennt sich zusehend von den militärhistorischen Schwerpunkten des letzten Jahrhunderts, welche vom Militär mit besonderen Interesse am Burgenbau geformt wurden. So lassen sich die eigentlichen Wurzeln der Burgenforschung bereits zum Ende des Mittelalters im Zusammenhang mit Befestigungsbau ausmachen [Albrecht Dürer (*1471, † 1528) nutzte z.B. die Romantik der Burgen als landschaftsprägendes Element in seinem graphischen Werk, entwarf aber gleichzeitig Festungsarchitektur]. Während weniger positive Aspekte episodenhaften Charakter erhielten, wurde stets die Schutzfunktion der Burg für ein gesellschaftliches Umfeld betont - zur Legitimation eigener Bestrebungen auf Basis konstruierter Ursprünge. Daraus entwickelte sich, obwohl seit geraumer Zeit widerlegt und selbst in der einschlägigen, traditionellen Literatur abgelehnt (z.B. CABOGA 1951, 10), die bestehende statuarische Genealogie vom römischen Kastell zur Festung der Neuzeit. Die spezifische italienische Geschichte wirkt nach wie vor einer Abkehr dieser durch Nationalismus und italienischem Faschismus weiter geprägten Leitmaximen entgegen.

Die Kriege und das Erdbeben von 1976 führten in Friaul zu einer in den 80er Jahren intensivierten Konzentration auf Rekonstruktion und Wiederaufbau, nachdem die Beeinträchtigungen für Bevölkerung und Industrie beseitigt worden waren. Nachdem dies z.T. ohne Rücksicht auf den historischen Bestand erfolgte, wurden einige dieser Arbeiten erst Mitte der 90er Jahre abgeschlossen (z.B. Dom von Venzone). Wegen des Umfanges der vom Erdbeben betroffenen Objekte halten andere noch an oder werden erst aufgenommen. Entsprechend finden sich in Friaul alle neueren Dogmen von Bauforschung und für Rekonstruktion.

Dieses von Aktion geprägte Klima behinderte neue Ansätze in Mittelalterforschung und -archäologie. Romantische und heroisierende Klischees von Burg und -inhaber wurden unkritisch weitergetragen, auch wenn die Realität des Mittelalters bei der hohen Zahl von Anlagen, wirtschaftlichen und politischen Einschränkungen und starker Konkurrenz in Machtinteressen zu sehr sparsamen, geradezu ärmlichen Verhältnissen führte. Das zentrale Thema blieb die herrschaftliche Burg in einer idealisierenden Sicht. Ländliche Kombinationen von befestigter Siedlung, Burg-Siedlung oder Burg-Villa (z. B. Villa Albana) wurden ausgeblendet und die Suche nach zuvor festgelegten, römischen Ursprüngen hielt weiter an.

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