Orientalische Architektur im Mittelalter

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Vorderasien/Naher OstenMittelalterArchitektur

Während des 12. und 13. Jahrhunderts herrschte im Vorderen Orient, in Ägypten und Syrien die Dynastie der Ayyubiden. Ihre politische Ordnung, eine Familienkonföderation aus großen und kleinen Fürstentümern, wurde durch schriftliche Quellen überliefert. Die Herrscher-Dynastie setzte auch starke architektonische Akzente. Der Islamwissenschaftler Dr. Lorenz Korn ist den heute teilweise noch sichtbaren Spuren der mittelalterlichen Bautätigkeit nachgegangen und hat die hat die Entwicklungslinien orientalischer Großstädte architekturgeschichtlich untersucht.

Während des 12. und 13. Jahrhunderts existierten in der Landschaft vom Taurus bis zum Golf von Akaba, vom heutigen Syrien bis Ägypten, große blühende Städte wie Aleppo, Damaskus und Kairo mit über 100 000 Einwohnern. Ähnlich groß waren einige Städte im Iran und Irak. In Europa war in dieser Zeit Paris die einzige Stadt, die solch eine Bevölkerungszahl vermelden konnte. Die Städte sind seit dem Mittelalter stark gewachsen, die Grundlinien wurden jedoch schon damals gezogen. Lorenz Korn hat sich bei seinen Nachforschungen in schriftlichen, meist arabischen Quellen aus Chroniken und geographischen Beschreibungen ein umfassendes Bild von der mittelalterlichen Bautätigkeit zu Zeiten der Ayyubiden-Dynastie gemacht. Vor Ort hat er zum Teil auch ayyubidische Bauten entdeckt, die nicht als solche bekannt waren. Wichtige Quellen waren hierbei vielfach die Inschriften an den noch existierenden Gebäuden.

Auf den ersten Blick zeigen sich bei mittelalterlichen orientalische Städte keine großen Unterschiede zu den Städten in Europa. Die Struktur mit Stadtmauer, zentralen öffentlichen Gebäuden und dezentralem Wohnen war hier wie dort verwirklicht. Allein aufgrund des Klimas waren die Häuser jedoch unterschiedlich konstruiert. Zudem waren die Stadtviertel im Orient wesentlich autonomer, zum Teil sogar mit Toren gegeneinander abgeschlossen.
Ein grundlegender Unterschied zwischen europäischen und orientalischen Städten ist jedoch die strenge Trennung der Märkte und Basare von den Wohnvierteln im Orient, während im mittelalterlichen Europa Wohnen und Wirtschaften meistens unter einem Dach stattfand. "Gut informiert sind wir über die Bauten der Oberschicht, öffentliche Einrichtungen, religiöse Bauten wie Moscheen. Wenig wissen wir dagegen über die normale Wohnbevölkerung. Eine Ausnahme bildet Kairo, wo auch mittelalterliche Wohnbebauung frei gelegt wurde", erläutert Korn. Das Baumaterial war regional verschieden. In Syrien wurde viel Stein verwendet, zum Teil in Damaskus auch Holz und Fachwerk, in Ägypten dagegen Backsteine und ungebrannte Lehmziegel.

Da im 12. und 13. Jahrhundert die Stadtteile orientalischer Städte bereits gut mit prächtigen Moscheen versorgt gewesen sind, entstanden in dieser Periode vor allem andere religiöse Bauten, wie zum Beispiel die so genannte Madrasa, eine Art theologisch und juristisch ausgerichtete Hochschule für Erwachsene. Diese Schulen wurden häufig als Stiftungen gegründet. Die Stiftungsmittel stammten meistens aus dem Grundbesitz der Stifter, die sich mit einem Grabmal neben der Madrasa selbst ein Denkmal setzten. Unter den Stiftern gab es auch Bauherrinnen aus Herrscherfamilien, hochgestellten Militärs oder Gelehrtenfamilien. "Das passt vielleicht nicht zum heutigen Bild des Islam, das korrigiert werden muss", so Korn. Eine Madrasa wurde auch gegründet, um der herrschenden Dynastie juristisch gut ausgebildete Leute für das Gerichtswesen und den Kanzleidienst zur Verfügung zu stellen. Die Leute zeigten sich loyal, da ihnen die Ausbildung finanziert wurde.

Wichtige Bauwerke aus dieser Zeit der Kreuzzüge sind auch die Befestigungen der Städte. Die Befestigungen wurden als staatliche Aufgabe gesehen und finanziert, organisiert über das Militär. Häufig waren die Kommandeure jeweils für einen Bauabschnitt der Stadtbefestigung oder eine Zitadelle verantwortlich. "Über den genauen Ablauf sind wir nicht informiert", stellt Korn fest. Dagegen ist die Arbeit der Steinmetze gut zu verfolgen. Eine Zitadelle in Damaskus vom Anfang des 13. Jahrhunderts ist durch Inschriften an den Türmen datiert. Zwischen den Bauabschnitten gab es auch Phasen der Ruhe. "Dann wurde im gleichen Baustil und mit dem gleichen Bautrupp 130 Kilometer weiter südlich gebaut", erläutert der Forscher, "es gab auch Zwangsarbeit, vor allem in Ägypten. Die Bevölkerung beklagt sich in christlichen Quellen über Erd- und Steintransporte zum Beispiel in Kairo." Zahlreiche Befestigungen entstanden nicht an der Frontlinie zu den Kreuzfahrern, sondern im Landesinnern: Das eigene Territorium wurde wegen zahlreicher innermuslimischer Konflikte in der Familienkonföderation der Ayyubiden-Dynastie gesichert.

Bis zur zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war es relativ schwierig solche Befestigungen zu knacken. Mit Einführung der Steinschleuder mit Gegengewicht wurde es nun jedoch möglich auch Mauer zum Einstürzen zu bringen. Im Befestigungsbau wurde auf diese neue Kriegsmaschine mit der Errichtung von riesigen massiven Türmen und Mauern mit enormen Stärken reagiert.

Bis heute sind noch einige mittelalterliche Gebäude der Ayyubidenzeit erhalten und teilweise in Gebrauch. "In Aleppo ist der Torturm der Zitadelle das Wahrzeichen der Stadt", sagt der Islamwissenschaftler. Erhalten wurde in Damaskus noch eine mittelalterliche Madrasa. Manche Bauten aus dem Mittelalter sind weiterhin öffentliche Gebäude, andere Wohnhäuser oder längst Ruinen. "In Kairo folgten auf die Ayyubidenzeit für 250 Jahre weitere baufreudige Herrscher, so dass viele Bauten verschwunden sind", sagt Korn. Dass es sich bei den erhaltenen mittelalterlichen Bauten um Schätze handelt, sei vielen Menschen bewusst. Um die Gebäude zu erhalten, fehle jedoch häufig das Geld.