Zu den Wurzeln der Eisenindustrie in Luxemburg

Die archäologischen Ausgrabungen im “Genoeserbusch” bei Peppingen


Beteiligte Wissenschaftler: Prof. Dr. Albrecht Jockenhövel, Michael Overbeck M.A.


Einleitung

 
Luxemburg war und ist europaweit für seine Eisenindustrie bekannt. Um so erstaunlicher ist die Tatsache, dass die Ursprünge dieser Geschichte bis heute weitgehend unaufgearbeitet sind. Bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein war die Stahlindustrie der bedeutendste Wirtschaftszweig Luxemburgs und trug entscheidend zum Aufbau des Landes bei. Die fundamentale Kenntnis um die Technik der Produktion von Eisen in speziell zu diesem Zweck errichteten Schmelzöfen ist jedoch wesentlich älter und reicht in Luxemburg bis weit in die Vorgeschichte zurück.
Seit dem Sommer des Jahres 2003 führt das Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Westfälischen-Wilhelms Universität Münster das archäometallurgische Forschungsprojekt “Zu den Wurzeln der Eisenindustrie in Luxemburg” durch. In einer länderübergreifenden Kooperation mit dem Nationalmuseum Luxemburg und
dem Bauernmuseum Peppingen (Luxemburg) wird ein sehr gut erhaltener und ungewöhnlich fundreicher mittelalterlicher Verhüttungsplatz des 12./13. Jahrhunderts nach Chr. ausgegraben. Im Rahmen der interdisziplinären Untersuchungen werden die archäologischen Ergebnisse durch umfangreiche metallurgische und paläobotanische Analysen ergänzt. Zusätzlich soll der Einsatz aktiver optischer topometrischer Verfahren sowie der magnetischen Gradiometrie neue Wege im Rahmen der Befunddokumentation aufzeigen.


Geographische Lage
 
Der mittelalterliche Hüttenplatz im "Genoeserbusch" wurde bereits im Jahr 2000 durch N. Quintus und J. Spanier (Musée Rural Peppingen, Luxemburg) entdeckt. Die Fundstelle liegt in einem Waldstück unweit der Ortschaften Peppingen und Hellange unmittelbar an der Grenze zu Frankreich (Taf. 1).

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Taf. 1


Mit der archäologischen Untersuchung durch das Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster konnte am 15. Juli des Jahres 2003 begonnen werden. Die Ausgrabung konzentrierte sich auf vier Teilbereiche des insgesamt etwa 2000 Quadratmeter großen Fundplatzes. Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen bisher drei potentielle Ofenstandorte und ein vermutlicher Röstplatz zur Vorbereitung der Eisenerze (Taf. 2).

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    Taf. 2


 

Befunde:
 

Ofen 1

Bei den beiden bisher ausgegrabenen Schmelzanlagen handelt sich nach den vorläufigen Erkenntnissen um sog. "Rennöfen". Die kreisrunden Öfen, die unmittelbar nebeneinander errichtet wurden, unterscheiden sich kaum in der Konstruktionsweise jedoch deutlich in ihrer Größe. Ofen 1 ist mit einem Außendurchmesser von etwa 2,00 - 2,20 Metern deutlich größer als Ofen 2 (Taf. 3).

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Taf. 3


Zur Stabilisierung der Konstruktion ist der untere Bereich der Ofenbasis von einer Mauer aus übereinandergelegten und unbearbeiteten Sandsteinplatten eingefasst, die im Einzelfall ein Gewicht von mehr als 20 kg aufweisen. Die Mauer diente nicht nur dem Zweck, dem Ofen die nötige Stabilität zu verleihen, sondern isolierte auch die Schmelzkammer so weit, dass im Inneren des Herdes die erforderlichen Temperaturen erreicht werden konnten. Die Ofenwand sowie der ehemals wohl bis zu einer Höhe von 1,80 Metern aufragende Ofenschacht bestehen ausschließlich aus Lehm. Dieser ist aufgrund der Hitzeeinwirkung während des Ofenbetriebes vollständig verziegelt und ausgehärtet. Anhand verschiedener Verfärbungzonen lässt sich auch heute noch sehr gut feststellen, welche Bereiche des Ofens der größten Hitze ausgesetzt waren und besonders beansprucht wurden.
Ein überaus wichtiges technisches Detail ist mit dem Einblasloch überliefert, das sich in der Ofenwand der größeren Anlage (Ofen 1) nahezu unbeschadet erhalten hat. Durch diese Öffnung wurde von zwei Blasebälgen in alternierender Bewegung mittels einer sog. "Windform" Luft in das Innere der Schmelzkammer geblasen. Bereits Georg Agricola beschrieb im 16. Jahrhundert die Position und Konstruktionsweise des Einblaslochs an frühneuzeitlichen Schmelzöfen. Nach seinen Angaben befand sich in der Rückwand des Ofens etwa 55-85 Zentimeter über dem Herdboden eine schräg nach aufwärts führende Öffnung mit einer Länge von etwa 28-32 cm. Auch andere Schriftquellen weisen darauf hin, dass sich das Einblasloch beinahe am Boden der Öfen befand, um die erforderliche Windzufuhr zu gewährleisten. Die im Peppinger "Genoeserbusch" vorliegende Befundkombination aus Einblasloch und zugehöriger Windform ist europaweit bisher einmalig und an keiner anderen Fundstelle belegt. Vor der Ofenfront verläuft ein sogenannter Schlacken- oder Abstichkanal, in den die flüssige Schlacke nach dem Schmelzvorgang abgestochen wurde, bevor die Hüttenleute sie als Abfallprodukt auf die unmittelbar angrenzende Halde kippten oder sie als Zuschlag erneut in den Ofen aufgaben. In der Verfüllung des Schlackenkanals, in dem sich auch andere Abfälle wie Nagelfragmente und Keramikscherben nachweisen ließen, fanden sich darüber hinaus zahlreiche sehr massive Schlackenzungen. Diese weisen auf eine mehrmalige Verwendung des Ofens hin und stellen einen deutlichen Beleg für die lange Betriebsdauer dieser Anlage dar.


Ofen 2

Der zweite Ofen ist mit einem Gesamtdurchmesser von maximal etwa 1,20 Metern wesentlich kleiner als Ofen 1. Er entspricht in seinen Dimensionen daher viel eher dem typischen Rennofen, der sich seit der Eisenzeit in nahezu dem gesamten europäischen Raum bis in die frühe Neuzeit hinein in fast unveränderter Form erhalten hat. In der Art der Konstruktion sind die beiden Anlagen aus Peppingen jedoch identisch. Eine Tatsache, die Anlass zu der Vermutung gibt, es könne sich bei Ofen 2 um einen technischen Vorläufer der größeren Anlage handeln. Gestützt wird diese Hypothese zusätzlich dadurch, dass der kleinere Ofen stark beschädigt ist und z.B. nur noch an einer Stelle die vollständig erhaltene zweigliederige Ofenwand aus Lehm und Steinen aufweist. Die übrigen Steine des äußeren Gemäuers wurden offensichtlich entfernt und mit großer Wahrscheinlichkeit zur Konstruktion von Ofen 1 wiederverwendet. Ob in beiden Öfen darüber hinaus ein qualitativ gleichwertiges Eisen produziert wurde, müssen die metallographischen Anlaysen der Schlacken aus dem Ofeninneren zeigen. Erst mit ihrer Hilfe wird auch Klarheit in der Frage zu erlangen sein, in welchem zeitlichen Verhältnis die beiden Öfen zueinander stehen.


Schmiedeherd

Einer der herausragenden Funde ist der an Ofen 1 angrenzende und nahezu vollständig erhaltene Schmiedeherd (Taf. 4). Da Schmiedeherde im archäologischen Fundgut immer noch unterrepräsentiert sind, ist dieser Befund einer der selten archäologischen Belege dafür, daß die Luppen direkt auf den Hütten und unmittelbar bei den Schmelzöfen ausgeschmiedet wurden.
Während dieses spezialisierten und langwierigen Prozesses wurden die Luppen gereinigt und weitestgehend von Verunreinigungen befreit.

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Taf. 4


Rückstände dieser Bearbeitung sind in Form von typischen Schmiedeschlacken um den gesamten Herd verteilt und haben sich darüber hinaus in großer Zahl am Herdboden gesammelt. Mehrere zum Teil ausgeschmiedeteLuppen lagen in der unmittelbaren Nähe. Der kreisrunde Schmiedeherd misst lediglich ca. 80 Zentimeter im Durchmesser und wurde direkt auf dem Erdboden errichtet. Er besteht ausschließlich aus Lehm und größeren Steinen, die weit weniger sorglos übereinandergeschichtet wurden, als dies zum Beispiel bei den Öfen der Fall ist. Rötliche Verfärbungen der verbauten Steine weisen auch hier auf die hohen Temperaturen hin, die notwendig waren, um die Luppe teilweise aufschmelzen zu können. Dies geschah ebenfalls unter Zufuhr von Sauerstoff, der durch eine tönerne Düse auf das Werkstück geblasen wurde. Fragmente einer solchen Tondüse aus rot verziegeltem Lehm fanden sich im Inneren des mit Holzkohle befeuerten Schmiedeherdes.


Windform

Das bisher bedeutendste Fundstück ist eine etwa 4 kg schwere und aus Eisen geschmiedete sog. "Windform" (Taf. 5). Als Windform wird das metallene Verbindungsstück zwischen Blasebälgen und Ofen bezeichnet, in dem die Düsen zusammengefasst wurden. Deren Mündungen reichten ursprünglich nicht bis in den Ofen hinein. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass sich erstarrte Schlacke um den eindringenden Windstrahl sammeln und den gesamten Verhüttungsprozess gefährden konnte. Durch die Verwendung von Windformen konnte außerdem eine gleichmäßige Luftzufuhr in den Ofen gewährleistet werden. Die in den mittelalterlichen Schriften beschriebenen Windformen hatten die Gestalt eines Trichters mit runder Oberseite und abgeflachter Unterseite und sind in ihrem Aussehen nahezu vollkommen identisch mit dem Fundstück aus Peppingen. Georg Agricola beschreibt Windformen im 16. Jahrhundert als sog. "Rohr", das aus einem Kupfer- oder Eisenblech zusammengebogen wurde (Taf. 6). Seinen Angaben zu Folge war die vordere Öffnung nicht vollkommen rund. Das Blech aus dem es zusammengebogen wurde, war auf der Oberseite auch nicht vollständig geschlossen, sondern ließ einen Spalt, der sich nach hinten erweiterte. Das Rohr wurde nach den Angaben Agricolas in die Öffnung des Ofens eingeführt, die sich in der mittleren Mauer und in der Ofenwand befand. Die Nasen der beiden Blasebälge, die in das Rohr hineinragten, sollten von seinem vorderen Ende fünf Finger weit entfernt sein. Der Befund im Peppinger "Genoeserbusch" stellt auf eine sehr eindrucksvolle Weise den realen Beleg für eine etwa 450 Jahre alte Schriftquelle dar.

Peppingen5        Peppingen6
                              Taf. 5                                                          Taf. 6


Die Tatsache, dass überhaupt eine Windform in Peppingen überliefert ist, kann als besonderer Glücksfall bezeichnet werden, da solche Objekte im Mittelalter offensichtlich ausschließlich aus den im Boden leicht vergänglichen Metallen Kupfer oder Eisen gefertigt wurden. Dieser Umstand ist wohl dafür verantwortlich, dass die Windform aus dem "Genoeserbusch" als archäologischer Fund bisher einzigartig in Europa ist.


Zu den Wurzel der luxemburgischen Eisenindustrie aus Hephaistos:

 
(Teil 1, 7/8, 2004 [pdf 969 KB]; Teil 2, 9/10, 2004 [pdf 2289 KB] ; Teil 3, 12 2005 [pdf 1069 KB])



Anschrift des Verfassers:


Michael Overbeck M.A.
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Historisches Seminar, Abt. für Ur- u. Frühgeschichtliche Archäologie
Domplatz 20-22
D-48143 Münster
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