Zum Inhalt springen

Archäologie Neandertaler hatte das Zeug zum Singen

Vor Zehntausenden Jahren trällerten die Neandertaler eigene Lieder, vermutet ein britischer Archäologe. Die Neandertaler-Stimme soll weiblich und melodisch gewesen sein, folgerte der Forscher aus einer Kehlkopfuntersuchung.

Der moderne Mensch sieht sich als Krone der Schöpfung - vor allem wegen seiner intellektuellen und kulturellen Fähigkeiten. Doch auch seine nächsten Verwandten, die Neandertaler, begeisterten sich für Musik und frönten dem Gesang, wenn man den Thesen des englischen Archäologieprofessors Stephen Mithen glaubt.

Neandertaler, die bis zu ihrem Aussterben vor rund 30.000 Jahren parallel zum modernen Menschen existierten, waren demnach keine affenähnlichen, brüllenden Grobiane, sondern sensible Wesen mit hohen Stimmen. Dies leitet Mithen aus einer Untersuchung des Kehlkopfes der altsteinzeitlichen Menschenart ab. "Was sich da ergibt, ist das Bild einer intelligenten Kreatur mit komplexem Gefühlsleben, die wahrscheinlich teils mit Sprache, teils mit Gesang kommuniziert hat", sagte der Forscher der "Sunday Times".

Mithen verglich den Kehlkopf der Neandertaler mit dem von Menschen, Menschenaffen und kleineren Affen und versuchte herauszufinden, wie sich die Laute angehört haben müssen, die die Neandertaler damit von sich gaben. Seine Schlussfolgerung: Ihre Stimmen waren laut, vom Klang her eher weiblich und vermutlich sehr melodisch. "Sie müssen zur Weitergabe von komplexen Ideen und sogar von Spiritualität fähig gewesen sein. Ihre Anatomie deutet darauf hin, dass die Tonhöhe und die Sprechmelodie dabei eine Schlüsselrolle gespielt haben." Mithen will seine Erkenntnisse im Juni in dem Buch "Der singende Neandertaler" veröffentlichen.

Neandertaler lebten vor ungefähr 130.000 bis 30.000 Jahren und wurden nach und nach vom modernen Menschen verdrängt. Dass die Eiszeitwesen möglicherweise sogar musizierten, legt der Fund einer 35.000 Jahre alten Flöte auf der Schwäbischen Alb nahe. Das vielleicht älteste Musikinstrument der Welt wurde mit enormem Aufwand aus massivem Elfenbein geschnitzt. Wer darauf zum Tanz aufgespielt hat, moderne Menschen oder die Neandertaler, ist bislang ungeklärt. Zu der Zeit lebten sowohl Gemeinschaften von Homo Sapiens Sapiens und der Neandertaler in der Region.

Dass Neandertaler über ein gutes Gehör verfügten, hatten Wissenschaftler bereits im Juni herausgefunden. Die Hörfähigkeit der Frühmenschen im Bereich zwischen drei und fünf Kilohertz war mit der moderner Menschen vergleichbar, folgerte der spanische Forscher Ignacio Martinez aus Skelettuntersuchungen. Das Gehör war schon früh auf menschliche Sprache abgestimmt - und damit auch auf Gesang. Dem eiszeitlichen Trällern der Neandertaler stand somit nichts im Wege.