Die etwas lang geratenen Ohren hat der Löwe nach hinten gelegt, den Kopf gesenkt, und früher einmal, als die Beine noch nicht abgebrochen waren, stand er auf allen Vieren. Der Rücken der Tierfigur aus Elfenbein ist mit Punkten übersät. Auf einen Sinn für Ästhetik deuten auch die eingekratzten Linien an den Seiten hin. Ein anonymer Künstler schuf diesen Löwen aus dem Stoßzahn eines Mammuts. Sein Atelier war vermutlich jene Höhle, in der das Kleinod 35000 Jahre später aus der Erde geborgen wurde: Vogelherd, nördlich von Ulm. Rund zwanzig Skulpturen, darunter ein Wollnashorn, ein Löwenkopf, ein Wildpferd und eine aufrecht stehende Figur – halb Löwe, halb Mensch – belegen, dass auf der Schwäbischen Alb die Kunst ihren ersten Höhepunkt feierte. Vermutlich nahm sie damals, während der Eiszeit, in den Höhlen Vogelherd, Geißenklösterle, Hohle Fels und Hohlenstein-Stadel, sogar ihren Anfang.