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Schädelbruch Neandertaler wurde mit Waffe verwundet

Der Neandertaler scheute sich offenbar nicht, mit Werkzeugen auf Artgenossen einzudreschen: Eine neue Rekonstruktion eines 36.000 Jahre alten Schädels lässt verdächtige Verletzungen erkennen.

Der Neandertaler konnte nicht nur Werkzeuge fertigen, er gebrauchte sie offenbar auch als Waffen gegen Artgenossen. Das schließen Wissenschaftler aus 36.000 Jahre alten Hominiden-Knochen, die Spuren eines Schädelbruchs aufweisen. Zudem zeigt die Verletzung nach Ansicht der Forscher, dass der frühe Vetter des Menschen neben Aggression auch fürsorgliche Gefühle entwickeln konnte.

Der Schädel des Neandertalers war bereits 1976 unter einem Felsüberhang in der Nähe des französischen Dorfes St. Césaire entdeckt worden. Doch erst jetzt deutet eine computergestützte Rekonstruktion darauf hin, dass der junge Mann mit einem scharfen Instrument verwundet worden war. Ein Sturz, Jagdunfall oder eine andere zufällige Verletzung kämen nicht in Frage, schreibt das Team um Christoph Zollikofer von der Universität Zürich in der aktuellen Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences".

Der als "St. Césaire 1" bekannte Fund nicht der erste, der Hinweise auf eine gewaltsam zugefügte Verletzung liefert. Ein anderer, vor gut 50.000 Jahren gestorbener Neandertaler, den die Forscher nach dem Ort seiner Entdeckung "Shanidar 3" nennen, hatte eine Wunde in der neunten linken Rippe. Auch sie konnte den Experten zufolge nur von einer Waffe stammen. Wie der Homo sapiens hat demnach auch sein urzeitlicher Verwandter mit Hilfsmitteln auf seine Nächsten eingedroschen.

Doch der gedrungene Hominide hatte offenbar auch mildere Seiten. Am Schädel des jungen Angriffsopfers finden sich, so Zollikofer und seine Kollegen, Anzeichen von Knochenheilung. Die Wissenschaftler vermuten deshalb, dass die Neandertaler über ein gesellschaftliches Auffangnetz verfügten: Ohne Hilfe und Betreuung hätte "St. Cesaire 1" eine so schwere Verletzung kaum überlebt.

Die Gewaltanwendung könnte in der Evolution der Neandertaler - und unabhängig auch in der Entwicklung des modernen Menschen - eine entscheidende Rolle gespielt haben, glauben die Forscher. Der Griff zur Waffe macht Konflikte in der Gruppe gefährlicher, so dass möglicherweise auch soziale Netzwerke zunehmend an Bedeutung gewannen.

Vom Neandertaler, der seinen Namen nach den 1856 im Neandertal bei Düsseldorf entdeckten Knochenresten erhielt, haben Forscher in Europa und im Nahen Osten bislang Teile von rund 300 Skeletten ausgegraben. Mittlerweile gilt als sicher, dass der flachschädelige Homo neanderthalensis vor etwa 30.000 Jahren ausstarb und kein direkter Vorfahr des heutigen Menschen ist.