Nach dem abendlichen Mahl erhob sich ein Prophet. Er tanzte durch den Raum, sein Stimmapparat vollführte bizarre akustische Kunststücke. In einer Zungenrede entfuhren ihm tollkühne Vokale und Gluckser, die ein Kundiger für die Zuhörer in verständliche Rede überführte. Erst durch die Übersetzung des assistierenden Deuters nahmen die Visionen des scheinbar Irren Gestalt an. Und die Performance endete mit der Ankündigung eines Weltuntergangs. Oder dem Hinweis auf das unmittelbar bevorstehende Comeback Christi.

Schon während der Antike versuchten sich Propheten in solch ekstatischer Ausübung christlichen Glaubens. In den oft spontanen Vorführungen sieht der Heidelberger Theologe Peter Lampe die Anfänge jener christlichen Glaubensgemeinschaften, bei denen nicht nur das Ausharren in der Kirchenbank, sondern auch die Ekstase zum Ritual gehört. Der biblische Paulus selbst berichtet im ersten Brief an die Korinther von einschlägigen Veranstaltungen, an denen sich Glaubende "zur Erbauung" trafen. Jeder hatte einen Happen zum Futtern und eine Probe seiner Kunst mitgebracht. Es erhob sich der erste zur Interpretation eines Psalms. Der nächste übte sich in Offenbarung. Ein anderer glänzte durch die Darbietung einer Zungenrede, in der - daher der Name - nur die Zunge zu reden schien, der Verstand aber schwieg: "Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, durch den Geist vielmehr redet er Geheimnisse." (1. Kor. 14)