Vorderasiatische Archäologie
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Giricano/Türkei (2000-2005)

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In Zusammenarbeit mit dem Museum Diyarbakir und dank der großzügigen Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft werden seit dem Sommer 2000 unter Leitung von Dr. Andreas Schachner Ausgrabungen in Giricano durchgeführt. Der Fundort wird durch einen bei Ilisu geplanten Staudamm am Tigris bedroht, so dass er in das durch TAÇDAM (Middle East Technical University Ankara) koordnierte Programm der Rettungsgrabungen aufgenommen wurde.

Giricano liegt in der Provinz Diyarbakir, etwa 11km südöstlich der Kreisstadt Bismil, am nördlichen Ufer des Tigris. Dieser wird durch eine Felsklippe in einer weiten Flussschleife nach Südosten gezwungen. Giricano überblickt von einer natürlichen Geländeerhöhung die Flussebene des Tigris.

Als Ziel für eine Ausgrabung wurde Giricano ausgewählt, da er den Fluss und die nördlich anschließende Ebene beherrscht. Ein weiteres Argument ist die Nähe zu der auf dem Südufer des Tigris gelegenen großen Stadtruine von Ziyaret Tepe (Tushan). Ziyaret Tepe wird zur Zeit von einem internationalen Forscherteam unter Leitung von Tim Matney (USA) untersucht. Die mittlere Größe von Giricano (ca. 170x120x25m) ermöglicht, die vorhandenen Schichten in größeren Zusammenhängen freizulegen.

In der ersten Kampagne wurden 6 Schnitte mit dem Ziel eröffnet, die Stratigraphie und die Ausdehnung der Ruine zu untersuchen. Dabei standen die Arbeiten in einem Stufenschnitt auf der Nordseite und einem kleineren Schnitt auf dem Südhang im Vordergrund. Auf der West- und Nordwestseite wurden mehrere kleine Schnitte zur Klärung einer dort durch Raubgrabungen teilweise erkennbaren Mauer eröffnet. Die Ausgrabungen im Sommer 2000 legten Schichten der Früheisenzeit, der mittelassyrischen Periode, der ersten Hälfte des 2. Jts. v. Chr. und des Chalkolithikums frei. Eine jüngere Besiedlung konnte nicht nachgewiesen werden.

Die Früheisenzeit:

Unmittelbar unter der Oberfläche wurde eine durch frühneuzeitliche Gräber, Tiergänge und Gruben stark gestörte Bebauung  freigelegt, der keine in situ Befunde zugewiesen werden können. Die einfachen Gefäßformen dieser Schicht wurden in Aufbautechnik hergestellt und sind unterhalb des Rands mit einer oder mehreren parallelen Rillen verziert. Einzelne Gefäße haben Griffknubben unterhalb des Rands. Die Funde entsprechen aufgrund dieser Merkmale der für Ostanatolien in der Früheisenzeit charakteristischen Keramik.

Die mittelassyrische Periode:

Unter der früheisenzeitlichen Schicht folgen unzusammenhängende Mauer- und Fußbodenfragmente sowie Ascheflecken, die zu einer mehrphasigen Periode zusammengefasst werden können. Diese ist durch einen kurzen Hiatus von der älteren Bebauung getrennt.

Besonders auffallend ist eine in dieser Kampagne nur teilweise freigelegte, wahrscheinlich rechteckige Grube mit gerundeten Ecken, die tief in die älteren Schichten einschneidet. Die Keramik aus der Grube ist mehrheitlich aus häckselgemagerten Waren mit tongrundigen oder leicht geglätteten Oberflächen hergestellt. Überzüge und Bemalung kommen nicht vor. Während die große Mehrheit zweifelsfrei mittelassyrische Formen mit exakten Vergleichen in Nord-Syrien, am Habur und in Nord-Irak aufweist, treten einzelne Typen auf, die sich nicht in das bekannte mittelassyrische Repertoire einfügen und wahrscheinlich lokalen Ursprungs sind.

Unmittelbar an der Nordecke konnten in einem zerdrückten, aber vollständigen Gefäß 15 Tontafeln freigelegt werden. Aufgrund der Nähe zur Oberfläche und der zahlreichen Störungen durch die erwähnten Gruben und Tiergänge konnte die Beziehung zwischen dem Tontafelgefäß und der mittelassyrischen Grube nicht geklärt werden. Die ungebrannten und in sehr schlechtem Zustand angetroffenen Tontafeln wurden zusammen mit dem Gefäß geborgen und in einem Keramikbrennofen gebrannt, um so die Freilegung und Restaurierung zu ermöglichen.

Die Bearbeitung der Texte erfolgte vor Ort durch Karen Radner (Institut für Assyriologie, Universität München). Es handelt sich um Wirtschaftstexte, die die Aktivitäten eines Mannes mit Namen Ahuni, Sohn des Kidin-Sin, umfassen. Fünf Texte nennen das Dorf Dunnu-ša-Uzibi als Heimat des Ahuni. Dieser Name kann mit großer Wahrscheinlichkeit mit der mittelassyrischen Schicht von Giricano gleichgesetzt werden.  In zwei Texten wird Ahuni auch als Mann aus Tušhan bezeichnet, was als Argument für die von K.-H. Kessler vorgeschlagene Identifizierung von Ziyaret Tepe gewertet werden kann. 12 der 15 Texte datieren in das Jahr des limu Ili-iddina, der auch auf dem "broken obelisk" genannt ist, der dem mittelassyrischen König Assur-bel-kala (1073-1056 v. Chr.) zugeschrieben wird. Da Ili-iddina der vierte oder fünfte auf diesem Denkmal genannte limu ist, können die Texte aus Giricano in das Jahr 1069 oder 1068 v. Chr. datiert werden. Bemerkenswerterweise haben die Texte bereits zahlreiche sprachliche Elemente der neuassyrischen Zeit.

Trotz der Problematik der stratigraphischen Zugehörigkeit kann man das durch die Tontafeln gegebene Datum als Anhaltspunkt für die Auflassung der mittelassyrischen Siedlung und vielleicht auch die Ankunft der Träger der Früheisenzeitlichen Kultur Ostanatoliens im Oberen Tigris-Raum sehen, da das Tafelkonvolut neben Kopien auch gültige, noch nicht eingelöste Obligationen enthält.

 

Die erste Hälfte des 2. Jts. v. Chr.:

Drei aufeinander folgende Gebäude (A-C) bilden eine geschlossene Abfolge, die aufgrund der Keramikfunde in das frühe 2. Jt. v. Chr. datiert werden kann.

 

Das jüngste der großangelegten Gebäude (C) ist ähnlich wie das älteste Bauwerk (A) durch eine ost-westlich verlaufende Lehmziegelmauer geprägt, von der nach Norden zwei parallele Mauervorsprünge abgehen. Die Mauern sind wie bei allen Vorgängerbauten aus quadratischen Lehmziegeln errichtet. Im Gegensatz zu den älteren Gebäuden weist C keine Steinfundamente auf, sondern nutzt ältere Mauern als Fundamentierung. Die südlich der großen Mauern liegenden Räume sind durch jüngere Aktivitäten stark gestört. Eine sorgfältig verlegte Steinpflasterung und ein Lehmziegelpflaster deuten auf geplant angelegtes Gebäude hin.

Die erhaltenen Reste des Gebäudes B sind durch unsorgfältige Steinfundamente charakterisiert. Neben kleinen Lesesteinen wurden auch einzelne, große Pithosscherben verbaut. Im nördlichen Teil der Schicht sind vier Steinplatten einer Pflasterung erhalten. Eine dünne Brandschicht trennt das Gebäude B von dem folgenden älteren Bauwerk A.

Das Gebäude A wurde auf eine deutlich verfestigte Oberfläche, vermutlich die Außenseite des chalkolitischen Tells gegründet. Es zeichnet sich eine regelmäßig geplante Lehmziegelarchitektur aus. Von einer breiten, west-östlich verlaufenden Mauer gehen symmetrisch nach Norden und Süden weitere Mauern ab, die jeweils drei, parallel angelegte Räume unterteilen. Die zentrale Mauer diente wahrscheinlich auch zur Terrassierung und findet eine Parallele in der jüngeren Schicht. An verschiedenen Teilen der Bebauung ist erkennbar, dass eine ältere Phase auf sorgfältig verlegten Steinfundamenten gegründet wurde, während eine jüngere, meist durch eine breite Fuge abgesetzte Phase später gegen diese gebaut wurde.

Ähnlich wie in der Architektur weist das keramische Inventar der Gebäude A-C enge Parallelen auf. Während im jüngsten Gebäude C ein Beispiel der bemalten, jüngeren Habur-Ware gefunden wurde, dominiert die sogenannte red-brown washed Ware das Repertoire der Gebäude. Diese hat enge Parallelen zu nordmesopotamischen Fundplätzen wie z.B. Tall Brak und Tall al-Rimah. Neben den für Nordmesopotamien typischen Waren wurden auch Stücke gefunden, die Beziehungen zu Ostanatolien belegen. Die überregionalen Beziehungen der Keramik ermöglichen eine Datierung der bisher freigelegten Gebäudeteile in die erste Hälfte des 2. Jts. v. Chr.

Obwohl in der ersten Kampagne nur wenige Fußbodenbereiche freigelegt werden konnten, geben ein kalottenförmiges Stempelsiegel mit einem Rosettenmotiv und ein Hausmodell aus gebranntem Ton Einblicke in das Inventar des älteren Gebäudes.

 

Die chalkolithische Schicht:

Auf dem Südhang wurden an der Oberfläche zahlreiche, teilweise bemalte spät-neolithische und chalkolithische Scherben sowie Obsidiangeräte aufgesammelt. Um die Struktur und die Zeitstellung dieser Schichten zu klären, wurde ein weiterer Testschnitt begonnen, der eine mehrphasige Lehmziegelarchitektur erbrachte.

 

 

 

Insbesondere im besser erhaltenen südlichen Teil, der durch eine Lehmziegelmauer in zwei Bereiche geteilt wird, konnten gute in situ-Befunde geborgen werden. Neben bemalter Keramik der Stufe Gawra B und einzelnen Steingeräten wurde im Bereich einer Türe eine sekundär gebrannte Bulla gefunden. Die Siegelfläche mit einer quadratischen Form zeigt ein breitmaschiges Gitternetzmotiv, das mit Funden in Degirmentepe, Norsuntepe und Tepe Gawra verglichen werden kann.

 

Da weder in bisher ausgegrabenen Schnitten noch auf der Oberfläche Keramik der Uruk B/C-Periode (insbesondere beveled rim bowls) gefunden wurden, deutet vieles darauf hin, dass in Giricano die chalkolithische Besiedlung bereits in der frühen Uruk-Periode (Uruk A nach R. Gut, Das prähistorische Ninive, Mainz 1995) endet.

Das Team 2000

Weitere Grabungen am oberen Tigris

 

 

Erstellt von Dr. Andreas Schachner und Mitgliedern des Giricano-Projektteams  im Februar 2001.