Institut für Ur- und Frühgeschichte Universität Freiburg

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Experimente zur Kupferverhüttung
auf Rocca San Silvestro

von Andreas Brunn
Abb. 1: Rocca San Silvestro

Im Rahmen des Seminars »Archaeologia delle attività estrattive e metallurgiche«, das von der Universität Siena im September 1991 in der Toskana veranstaltet wurde, fanden auf dem Gelände der mittelalterlichen Bergbaustadt Rocca San Silvestro [Abb. 1] einige Experimente zur Herstellung von Kupfer aus sulfidischem Erz statt. Diese Experimente sollten helfen, mögliche prähistorische Kupferherstellungsverfahren besser zu verstehen. Die Produkte der Experimente (Schlacke, Kupferstein und Kupfer) sollen analysiert und mit entsprechenden Relikten, die auf prähistorischen Kupferverhüttungsplätzen gefunden wurden, verglichen werden.

 

Das Erz

Abb. 2: Kupfererz

Das für die Experimente verwendete Kupfererz stammt aus dem Bergbaugebiet, in dem Rocca San Silvestro liegt. Dieses Erz ist ein angereicherter Kupferkies (CuFeS2), der für den weiteren Gebrauch in Stücke von ca. 1 - 5 cm Durchmesser zerkleinert wurde [Abb. 2]. Damit dieses sulfidische Erz verhüttet werden kann, muß zunächst im Röstprozeß der Schwefelgehalt durch ein oxidierendes Feuer entfernt werden. [1] Dabei reagiert ein Teil des Schwefels mit dem Luftsauerstoff und entweicht als Schwefeldioxyd. Dieser Prozeß wurde im sogenannten Röstbett durchgeführt.

 

Das Röstbett

Das Röstbett hat eine Größe von 225 x 95 cm, besteht aus rotem Lehm (»terra rossa«) mit einer Vertiefung im Zentrum und einer Umrandung aus örtlichem Kalkstein [Abb. 3]. Das Vorbild für diese Form ist ein bronzezeitliches Röstbett, das im österreichischen Bergbaugebiet am Mitterberg ausgegraben wurde. [2] Da das Röstbett mit Lehm ausgekleidet ist, ist es möglich, im Anschluß an den Röstprozeß das geröstete Erz nahezu vollständig herauszulesen.

Abb. 3: Das Röstbett.
Links ein Foto vom Röstvorgang, rechts die schematische Zeichnung: (1) terra rossa; (2) Kalkstein

 

Die Öfen

Für die Experimente wurde nach dem Vorbild zweier auf Rocca San Silvestro ausgegrabener Öfen ein Verhüttungsofen mit zwei Brennkammern rekonstruiert. Dieser Ofen hat eine Größe von 200 x 100 x 100 cm. Die Ofenwände bestehen aus großen Blöcken von Kalskstein und Porphyr, die mit rotem Lehm verkleidet sind. Die Außenwände sind etwa 25 cm dick, während die Wand zwischen den beiden Brennkammern etwa 55 cm stark ist [Abb. 4].

Abb. 4: Ofenkonstruktion
(1) terra rossa; (2) Kalkstein; (3) Düsenöffnung; (4) Abstichloch; (5) Schlackengrube; (6) Brennkammern.

Da keiner der beiden auf Rocca San Silvestro ausgegrabenen Öfen komplett erhalten war, gibt es zwei Möglichkeiten, wie diese aufgebaut gewesen sein könnten: Entweder sie waren konstruiert wie bronzezeitliche Verhüttungsöfen vom Mitterberg in Österreich. Dieser Ofentyp hatte - wie Moesta gezeigt hat [3] - eine offene Front. Oder es waren Verhüttungsöfen mit einer geschlossenen Brennkammer und Frontmauer, Abstich- und Düsenloch, wie sie im 16. Jh. n. Chr. in Gebrauch waren. [4] Eine andere mögliche Variante wäre eine Kombination der beiden genannten Möglichkeiten. Ein Hinweis darauf ist der Umstand, daß bei der Ausgrabung auf Rocca San Silvestro verschiedene Arten von Schlacke vor den beiden Öfen gefunden wurde. [5]

Für die Experimente wurde der Ofen mit einer offenen Brennkammer auf der rechten Seite und einer geschlossenen Brennkammer mit Düsenöffnung und Abstichloch auf der linken Seite errichtet. Die Brennkammern haben ein Volumen von 142,5 l (47,5 x 60 x 50 cm: die rechte Kammer ohne Frontmauer) bzw. 95 l (47,5 x 40 x 50 cm: linke, geschlossene Kammer). Da die rechte Brennkammer keine Frontmauer hat, kann sie nicht so viel Material aufnehmen wie die linke.

Die Experimente

1. Experimente zur Temperaturbalanz der Ofenwandung

Die ersten beiden Experimente wurden durchgeführt, um herauszufinden bis zu welcher Temperatur die Ofenwandungen aufgeheizt werden müssen, damit beim Verhüttungsprozeß keine Energie für den Temperaturausgleich von Glut, Wandung und Außenluft verloren geht. Hierfür wurde die Temperatur der Wandung während des Aufheizens des Ofens mit einem elektronischen Meßgerät registriert und aufgezeichnet.

Das Temperaturdiagramm zeigt, daß die Temperatur der Ofenwandung bis zu einem gewissen Punkt kontinuierlich ansteigt [Abb. 5], um dann nur noch mäßig zu steigen. Die Ofenwandung ist zu diesem Zeitpunkt so weit aufgeheizt, daß die Energie der Glut in der Brennkammer nun nur noch in geringerem Maße in die Wandungen abfließt und somit bei der Verhüttung weniger Hitze verloren geht. Wenn dieser Punkt erreicht ist (bei unseren Experimenten zwischen 350° C und 400° C), sollten für den Verhüttungsprozeß optimale Temperaturbedingungen herrschen.



Abb. 5: Temperaturverlaufskurven

 

2. Experimente zum Röstprozeß

Im Röstbett wurde trockenes Feuerholz auf eine Weise aufgeschichtet, die es ermöglichte das Erz in einer Höhe von etwa 10 cm oberhalb des Bodens auf das Holz zu legen. So wurde es vermieden, daß sich das Erz in der Vertiefung in der Mitte des Röstbettes sammelte bevor es mit dem Sauerstoff reagiert hat.

Um das sulfidische Erz verhütten zu können muß ihm zunächst der Schwefelgehalt in zwei Schritten entzogen werden: Zuerst wird das zerkleinerte Erz geröstet, um es für den ersten Schritt im Verhüttungsprozeß vorzubereiten. Das Produkt dieses Prozesses, Kupferstein, enthält immer noch Schwefel. Daher muß der Kupferstein ein zweites Mal geröstet werden, um ihm einen Großteil des verbliebenen Schwefels zu entziehen.

Der erste Schritt - das Rösten des Erzes - wurde zweimal durchgeführt: Im ersten Experiment wurden 6 kg Erz 2 Stunden und 47 Minuten lang geröstet. Die Reaktion des Schwefels mit dem Luftsauerstoff machte sich durch einen starken Geruch bemerkbar. Nachdem das Feuerholz niedergebrannt war, konnten 3,3 kg des Erzes aus dem Röstbett geborgen werden. Dieser Materialverlust kann durch die geringe Größe der Erzstücke erklärt werden, die zu klein waren um in der Asche wiedergefunden zu werden. Eventuell trug der gesunkene Schwefelgehalt einen Teil zum Gewichtsverlust bei.

Im zweiten Experiment wurde das Erz für etwa eine Stunde geröstet. Nachdem das Feuer mit Wasser gelöscht worden war, konnte das gesamte Erz aufgelesen werden. In beiden Experimenten wurde der Schwefel nicht vollständig entfernt. Dies konnte durch den starken Schwefelgeruch beim Einfüllen des gerösteten Erzes in den Verhüttungsofen festgestellt werden.

Im dritten Röstexperiment sollte der Schwefel dem in den Verhüttungsexperimenten produzierten Kupferstein vollständig entzogen werden. Dieser (2900 g) wurde eine Stunde und 28 Minuten lang geröstet. Nachdem das Feuer niedergebrannt war, konnten 2550 g gerösteten Kupfersteins aufgelesen werden. Während des Röstens machte sich wieder ein deutlicher Schwefelgeruch bemerkbar.

3. Experimente zur Kupferverhüttung

Die Verhüttungsexperimente wurden ausschließlich in der linken Brennkammer des Ofens durchgeführt, weil es dem Autoren unmöglich war, mehr als ein Experiment zur selben Zeit durchzuführen.

In diesem Abschnitt des Kupferherstellungsprozesses wurden drei Experimente durchgeführt (siehe Tabellen 1-3). Die Temperaturmessungen wurden mit einem optischem Meßgerät (Pyrometer) vorgenommen. Da der Autor eine Reihe von Arbeiten gleichzeitig erledigen mußte, konnten diese Messungen nicht kontinuierlich erfolgen. In Ermangelung von Blasebälgen wurde ersatzweise ein Staubsauger verwendet.

Ergebnisse

Die Röstexperimente waren erfolgreich: eine ausreichende Menge Schwefel reagierte mit dem Luftsauerstoff zu Schwefeldioxyd. Bei diesem Prozeß änderte sich die Farbe des Erzes von grünlich zu einem matten Dunkelrot. Es ist allerdings noch nicht klar, wie lange das Erz geröstet werden muß, um ein optimales Ausgangsprodukt für die Verhüttung zu erhalten. Weitere Experimente wären wünschenswert, um Informationen über die optimale Dauer des Röstprozesses unter Verwendung unterschiedlicher Sorten von Feuerholz zu erhalten.

Die Verhüttungsexperimente:
Bei den ersten beiden Versuchen konnte kein Kupferstein produziert werden. Die Schlackenbildung erfolgte nicht vollständig. Einige Erzstücke, die kaum reagiert hatten, wurden im hinteren Bereich der Brennkammer gefunden. Dies ist nicht die Folge der Verwendung von zu wenig oder zuviel Flußmittel (Quarz und Limonit), sondern auf eine unvorteilhafte Position des heissesten Punktes nahe der Düsenöffnung zurückzuführen. Die sehr hohen Temperaturen an dieser Stelle führten zu einer Verstopfung des Düsenloches durch Schlacke. Dadurch wurden die hinteren Bereiche der Brennkammer nicht stark genug aufgeheizt, weshalb dort keine Reaktion oder Schlackenbildung erfolgte.

In diesen Experimenten wurde für die Luftzufuhr der natürliche Luftzug benutzt, wenn der Wind stark genug war, um die Prozeßtemperatur zu halten. Fiel die Temperatur unter den benötigten Wert (1300° C für die Bildung fayalitischer Schlacke), kam der Staubsauger zum Einsatz.

Das dritte Experiment war erfolgreicher. Für diesen Versuch wurde der Ofen leicht modifiziert: der Boden der Brennkammer wurde im hinteren Bereich etwas erhöht, wodurch eine Neigung von ca. 15° in Richtung Abstichloch erreicht wurde. Auf diese Weise konnte die Charge leichter nach unten sinken und die Schlacke aus dem Abstichloch abfließen.

Abb. 6: Fließschlacke

Kupferstein konnte in ausreichender Menge produziert werden. Außerdem bildete sich eine Fließschlacke, die metallisches Kupfer in Form kleiner Einschlüsse enthielt. Bei der Untersuchung dieser Schlacke wurden weiterhin einige größere Einschlüsse metallischen Eisens festgestellt. Der produzierte Kupferstein wurde (nachdem er geröstet worden war) im Experiment zum letzten Schritt im Prozeß der Kupferproduktion verwendet. Hierbei sollte der Kupferstein zu metallischem Kupfer reduziert werden (siehe Tabelle 4).

Das Ergebnis dieses letzten Experiments waren allerdings keine Schlacken mit einem brauchbaren Gehalt von Einschlüssen metallischen Kupfers, wie erwartet, sondern eine große Menge glasiger Schlacke. Zwar enthält diese Schlacke Kupfer, aber nicht in metallischer Form. Die Gründe hierfür sind stark überhöhte Temperaturen durch die Benutzung des Staubsaugers und eine zu kurze Prozeßdauer, da sich die Schlacken zu schnell bildeten.

Zusammenfassend kan festgestellt werden, daß es prinzipiell möglich ist, auf diese Weise Kupfer zu produzieren und daß dieser Prozeß eventuell in der Vorgeschichte auf ähnliche Art durchgeführt wurde (sieht man einmal von der Verwendung des Staubsaugers ab).

Bei zukünftigen Experimenten sollte auf die Verwendung authentischer Blasebälge und deren kontinuierlicher Einsatz über einen wesentlich längeren Zeitraum geachtet werden. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die notwendige kontinuierliche Messung der Temperaturen von Ofenwandung und in der Brennkammer.

Bibliographie ...

 

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