Ausgrabungen 2001/2002 in Bad Homburg – Ober-Erlenbach

Durch den Bau der Ortsumgehung Ober Erlenbach (Stadt Bad Homburg v.d.H., Hochtaunuskreis) wurde im Frühjahr 2002 eine bedeutende archäologische Fundstelle nahe dem Anschlußstück an die Kreisstraße 766 (Flurstücke "Im Holderstauden" und "Links dem Seulberger Weg") zerstört.

Vom 13.08.2001 bis in den März 2002 wurde, finanziert vom Land Hessen und von der Stadt Bad Homburg, eine Ausgrabung durch die Universität Frankfurt a.M. durchgeführt, während der die Bodendenkmäler vor ihrer Zerstörung untersucht und dokumentiert wurden. Die Johann Wolfgang Goethe- Universität wurde vertreten vom Seminar für Vor- und Frühgeschichte (vorgeschichtliche Befunde) und dem Seminar für Griechische und Römische Geschichte, Abt. II (römische Zeit). Das Projekt steht unter der Leitung von Prof. J. Lüning und Prof. H.-M. von Kaenel. Die örtliche Grabungsleitung hatte Dr. Jutta Lehmann.

Nach dem Abschluss der Grabungen mündeten die Ergebnisse in drei Magisterarbeiten an der J.W. Goethe-Universität. Diese gliedern sich nach den Fundstellen und ihrer zeitlichen Einordnung:

Zwei kleinere Artikel über die Ausgrabungen sind im Jahrbuch "Hessen Archäologie 2001" (Konrad-Theiss-Verlag Stuttgart) abgedruckt:

  • C. Breitwieser/N. Fröhlich/J. Lehmann/M. Posselt, Archäologische Untersuchungen auf der Trasse der Um­geh­ungstraße Bad Homburg- Ober-Eschbach/Ober-Erlenbach: Die vorgeschichtlichen Fundstellen
  • M. Müller, Die archäologische Untersuchung des römischen Fundplatzes „Im Holderstauden“ bei Bad Hom­burg-Ober Erlenbach.

Die Magisterarbeiten sowie weiterer Beiträge wurden publiziert in der Reihe "Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie" beim Rudolf-Habelt-Verlag in Bonn:

  • J. Lüning/H.-M. von Kaenel (Hrsg.), Archäologische Ausgrabungen der Stadt Bad Homburg v.d.H. - Ober-Erlenbach 2001-2002. Univforsch. prähist. Arch. 136 (Bonn 2006).

Die bandkeramische Fundstelle Ober-Erlenbach

Die Linearbandkeramik (LBK; ca. 5500-4900 v.u.Z.) war die erste Ackerbau treibende Kultur in Mitteleuropa. Sie löste die nicht-seßhaften Jäger-Sammlerinnen-Kulturen der Mittelsteinzeit ab. Ihr Name bezieht sich auf die Verzierungsart der Keramik: Grundmuster sind aus Linien gebildete Bänder. In den älteren Phasen der LBK sind diese Muster sehr einheitlich, in den jüngeren Phasen werden sie komplizierter und es bilden sich regionale Gruppen heraus. Die LBK war eine der Kulturen mit der größten Ausbreitung, die in der euro­päischen Geschichte jemals erreicht wurde: Sie reichte vom Schwarzen Meer bis in das Pariser Becken.

Die Siedlungen der LBK bestanden aus Einzelhöfen oder weilerartigen Ansiedlungen aus mehreren Höfen, die zusammen mit den zugehörigen Ackerflächen inselartig im vorherrschenden Lindenwald lagen. Die Siedlungsplätze können in Haupt- und Nebensiedlungen unterschieden werden. Der bandkeramische Hofplatz besteht aus dem Haus und seinen, überwiegend in einem Radius von 25 m darum verteilten Gruben.

Die in Ständerbauweise errichteten, NW- SO ausgerichteten Häuser der LBK (s. Abb. 1), wie sie in Ober-Erlenbach ausgegraben werden, können bis zu 40 m lang und bis zu 8 m breit sein. Heute entdeckt man nur noch die mit Schwarz­erde-Relikten wieder verfüllten Pfostengruben, die sich als dunkle Flecken innerhalb des gelben Lößes abzeichnen.

Zwischen den Wandpfosten wurde eine mit Lehm beworfene Flechtwerk­konstruktion angebracht. Im Nordwesten der Gebäude, auf der dem Wetter zugewandten Seite, wurde des öfteren eine stabile Holzwand erbaut, die sich als Wandgräbchen im Boden abzeichnet. Weniger häufig sind Häuser, die komplett von einem solchen umgeben sind.

Typisch sind die das Haus begleitenden Längsgruben, aus denen Lehm für Wände und Estrich entnommen wurde. In diesen, sowie in den Abfall- und aufgegebenen sonstigen Gruben (z. B. Silogruben) finden sich als wichtigste Funde Keramik und Steingeräte wie Mahlsteinfragmente, Beilklingen und Abschläge aus Feuerstein.

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Abb. 1: Grundriss und Rekonstruktion eines bandkeramischen Hauses.

Die Häuser weisen je nach Größe bis zu drei Bauteile auf, deren Funktion nicht abschließend geklärt ist. Eine Nutzung als Wohnstallhaus kann jedoch ausgeschlossen werden: Das Vieh wurde in Wäldern und Auen, Kleinvieh eventuell auch innerhalb von Zäunen nahe der Häuser gehalten.

Um die Untersuchung der vorgeschichtlichen Fundstelle möglichst effizient durchführen zu können, sollte zunächst mit Hilfe von zerstörungsfreien geophysikalischen Prospektionsmethoden deren Struktur und Ausdehnung  erkundet werden. Der daraus erhoffte Lageplan sollte helfen, den Umfang der Ausgrabungen festzulegen. Die geophysikalische Prospektion wurde im Auftrag der Stadt Bad Homburg, die die Baumaß­nahme für das Land Hessen vorfinanzierte, von der Posselt & Zickgraf Prospektionen GbR in zwei Abschnitten im Februar und Juli/August 2001 durchgeführt. Insgesamt wurde die Trasse der geplanten Umgehungsstraße auf einer Länge von 1,4 km und einer Breite von 100 m geophysikalisch prospektiert.

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Abb. 2: Meßkarte der geo­magnetischen Vermes­sung der bandkerami­schen Hausgrundrisse
(Firma PZP, mit freundl. Genehmigung).

Insbesondere im Bereich der bereits über Lesefunde bekannten vorgeschicht­lichen Fundstelle zeigten sich überraschend klare Strukturen. Nur wenig südlich mehrerer mutmaßlich bronzezeitlicher Kreisgräben sind an einem leicht nach Süden abfallenden Hang zwei typische Hausgrundrisse der Linearbandkeramik sichtbar (Haus 1-2; Abb. 2), die anhand der Lesefunde nicht zu erwarten waren.

Deutlich sind die rechteckigen schmalen Wandgräbchen am Nordwestabschluß der Häuser zu sehen. Noch deutlicher treten die parallel zu den Seitenwänden verlaufenden Längsgruben in Erscheinung. Weitere Wandgräbchen und Pfostenstellungen der Wände und der dachtragenden Konstruktion sind nicht auszumachen. Allerdings musste damit gerechnet werden, dass diese Strukturen im Bild der Geomagnetik unsichtbar geblieben sind, da sie zu klein oder zu schlecht erhalten sein konnten.

Wiederum rund 100 m weiter südlich sind zwei weitere bandkeramische Grundrisse zu erkennen (Haus 3-4). Beide unterscheiden sich von denen der nördlichen Gruppe dadurch, dass sie kein Wandgräbchen am nordwestlichen Abschluß erkennen lassen und die Längsgruben deutlicher ausgeprägt sind.

Bereits vor Beginn der Baumaßnahme hatten erhebliche Eingriffe in den Bestand der Fundstelle stattgefun­den: Im Abstand von ca. 10 m und 100 m parallel zur BAB 5 verlaufen unterirdische Fernleitungen. Auch müssen beim Bau der Autobahn viele Befunde zerstört worden sein.

Mit den Ergebnissen der geophysikalischen Prospektion war ein erfreulich detaillierter Plan der Fundstelle vorhanden. Das Magnetogramm darf hinsichtlich seiner Aussagekraft aber nicht mit dem Gesamtplan einer Ausgrabung verwechselt werden. Keineswegs alle Strukturen, die im Verlauf einer Grabung freigelegt werden, müssen bereits im Graustufenbild sichtbar sein. Insbesondere kleinere oder schwächere Anoma­lien sind durch die Geomagnetik nur bei besonders günstigen Prospektionsbedingungen sichtbar zu machen. Hier stößt die Auflösungsfähigkeit der Methode an ihre Grenzen.

Die benachbarten Häuser 1 und 2, bzw. 3 und 4 standen aufgrund ihres geringen Abstandes vermutlich nicht gleichzeitig, da jedem Haus eine Aktivitätszone mit einem Radius von ca. 25 m zugerechnet wird, in der die hauszugehörigen Gruben lagen und viele der täglichen Arbeiten der Hausbewohner stattfanden.

Die insgesamt geringe Befunddichte und das Fehlen weiterer Hausgrundrisse zeigen, dass es sich nicht um den Ausschnitt einer dicht belegten Siedlung handelt. Ein Grubenkomplex in der Mitte zwischen den beiden Bauplätzen und einige östlich der BAB 5 aufgefundene Gruben machen aber weitere Häuser im näheren Umfeld zumindest wahrscheinlich. So muß zunächst offen bleiben, ob es sich hier um den Westrand einer größtenteils von der Autobahn überdeckten Siedlung oder um zwei jeweils zweiphasige Einzelhöfe handelt.

Überraschenderweise ergab sich bei den ersten Flächenöffnungen kein so klares Bild der Befunde im Planum, wie es die geophysikalische Prospektion erhoffen ließ. Sogar die deutlichen Anomalien, wie die Kreisgräben und die frühneolithischen Hausbefunde ließen sich nur schwer, teilweise gar nicht, erkennen. Die geomagnetische Prospektion ließ vier bandkeramische Hausgrundrisse und begleitende Befunde erwarten, obgleich diese anhand der Lesefunde nicht zu erwarten waren.

In einem Abstand von ca. 100 m fanden sich je zwei Häuser, deren Erhaltung sich stark unterscheidet. So sind die Pfostengruben, in denen das dachtragende Innengerüst stand, bei den Häusern 2 und 4 kaum vorhanden. Haus 1 enthielt einen kompletten Nordwestteil, ist aber ansonsten nur durch seine Längsgruben repräsentiert. Einzig Haus 3 ist nahezu vollständig überliefert.

Die meisten der, zum Teil noch tief erhaltenen, Gruben waren fundarm bis fundleer und homogen verfüllt. Fast nur die Längsgruben der Häuser hatten eine geschichtete Verfüllung, die auch eine große Menge an Funden enthielt. Vorwiegend kamen Bruchstücke verzierter und unverzierter Keramikgefäße zutage. Daneben wurden Klingen, Bohrer, Kratzer und Abschläge aus Feuerstein, wenige Fragmente von Dechseln und Teile von Mahlsteinen geborgen. Insgesamt erlauben die Funde eine Einordnung in die ältere Bandkeramik; eine genaue Analyse des Fundmaterials steht noch aus.

Erschwert wurden die Arbeiten zum Teil durch die schlechte Sichtbarkeit der Befunde. Zum Einen waren etliche Befunde durch Verbraunung schwierig von ihrer Umgebung zu unterscheiden, zum Anderen witterten einige erst nach einigen Tagen heraus, so z.B. die nördliche Längsgrube und der gesamte Nordwestteil des Hauses 1. Andere, bereits im Planum erkannte Befunde veränderten nach Tagen noch ihre Form, so wurde z.B. die südliche Längsgrube von Haus 1 etwa doppelt so lang wie ursprünglich erkannt. Daneben gab es aber auch geomagnetisch erkannte Befunde, die archäologisch überhaupt nicht nachweis­bar waren. Dazu gehören die nördliche Längsgrube von Haus 2, dessen Wandgraben und einige andere Gruben. Diese liegen allesamt in einem Bereich der Grabungsfläche, in dem die Befunde unproblematischer aufzufinden waren als in anderen Bereichen. Sie witterten auch nach mehreren Tagen nicht heraus.

Um zu klären, ob die Reste dieser Befunde möglicherweise beim Baggern vernichtet worden waren, wurde eine erneute geomagnetische Untersuchung des Planums vorgenommen. Die Befunde erschienen nun etwas schwächer, waren aber noch deutlich messbar. Außerdem wurden einige Befunde sichtbar, die weder in der ersten Geomagnetik noch im Planum zu erkennen waren. Daraufhin wurden sie anhand des Magnetikplanes eingemessen und mit Profilschnitten versehen, in denen sich aber auch keine erkennbaren Befunde abzeichneten.

Die Grabungsfläche war in drei jeweils 10 m breite Schnitte unterteilt. Der mittlere wurde zunächst zum Ablagern des Abraums genutzt. Bei dessen Öffnung zeigte sich, dass das Ostende der genannten Längsgrube noch erhalten war. Der Grubenrest verliert sich aber nach Westen sowohl im Planum als auch im Profil rasch. Um dieses Phänomen zu klären, wurden Bodenproben aus den Profilen der Längsgrube entnommen, die zur Zeit im Referat für Luftbildarchäologie und Geophysik des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege analysiert werden. Das Ergebnis dieser Untersuchung steht noch aus.

Nico Fröhlich
Institut f. Archäologische Wissenschaften, Abt. III


Bronzezeitliche Ringgräben bei Ober-Erlenbach

Bei Feldbegehungen wurden in Ober-Erlebach Scherben aus der Bronzezeit durch die AG Vor- Und Frühgeschichte Oberursel aufgelesen. Es war auf grund des Erhaltungszustandes  nicht zu entscheiden ob es sich um mittel- oder spätbronzezeitliche Keramik handelte.

Auch die Geomagnetische Untersuchung der Fundstelle erbrachte zahlreiche Befunde, die mit der Bronzezeit in Verbindung zu bringen waren. Insbesondere zeigten sich deutlich mehrere Kreisgräben. Solche Gräben kommen häufig in Verbindung mit Hügelgräbern vor. Es stellte sich die Frage, wie diese Kreisgrä­ben zu datieren waren, ob in die Bronzezeit (Hügelgräberbronzezeit), wie die Oberflächenfunde erhoffen ließen, oder in eine andere Zeitstufe. Hügelgrä­ber wurden seit dem Endneolithikum bis ins Frühe Mittelalter angelegt.

Überraschenderweise waren die Kreisgräben, die sich so klar im geomagne­tischen Bild gezeigt hatten im Baggerplanum nur schwach, einige sogar gar nicht zu erkennen. So wurde ein Schnitt durch einen der unsichtbaren Kreis­gräben gelegt und offen liegen lassen. Tatsächlich witterte der Graben nach fünf Tagen heraus und war, allerdings nur im Profil, als kalkige helle Verfärbung zu erkennen. Nach diesem Muster den „Blindschneidens“ wurden alle der Kreisgräben geschnitten und nach dem Herauswittern dokumentiert. Die Verfüllung aller Gräben war einheitlich hellbraun und ohne jede datierbaren Funde verfüllt. Ebenso hatten sich Gräber hier nicht erhalten, falls es je welche gab. daher ist eine Datierung dieser Befunde in Ober-Erlebach nicht möglich.

In unmittelbarer Nähe der Gräben, lag eine andere Befundgattung, die unge­wöhnlich erscheint. Hierbei handelt es sich um mehrere flache Mulden, die mit Asche aufgefüllt und  einer Schüttung aus Steinen und Keramik bedeckt sind. Die Steine sind durch starke Hitzeeinwirkung zersprungen, wobei zu bemerken ist, dass es keinerlei Verziegelungsspuren der Erde gab. Daraus lässt sich schließen, dass der Brand, der die Asche und zersprungenen Steine hervor­brachte, an einer anderen Stelle war. Spuren von verbrannten Knochen fehlten gänzlich, ebenso wie Grabbeigaben. Dass es sich bei diesen Befunden also um Brandschüttungsgräber handeln könnte, ist sehr fraglich.

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Abb. 1: Die bronzezeit­lichen Kreisgräben im geo­magnetischen Befund
(Firma PZP, mit freundl. Genehmigung).

In der Geomagnetik war  auch ein großer Grubenkomplex zu erkennen, von ca. 10 x 20 m Ausmaße. Er wurde nur zu einem Drittel in die auszugrabende Fläche genommen, da der Rest außerhalb der Trasse lag. Im ersten Baggerplanum zeichnete er sich als einheitlich hellbraune Verfärbung ab. Daher wurde ein zweites Planum mit dem Bagger angelegt. Erst danach kamen erste Scherben zu tage und auch unterschiedliche Färbungen der einzelnen Gruben waren zu erkennen.

Es handelte sich um vier Gruben von unterschiedlicher Größe und Tiefe. Jede der Gruben war sehr reichhaltig an Funden, insbesondere Siedlungskeramik, die zur Zeit eine Einordnung in die Urnenfelderzeit (HaA2 – HaB1) zulässt. Bemerkenswert sind auch Sonderfunde, wie eine Bronzenadel, ein Rasiermesser­fragment, Glasperlen, Feuerböcke und ein verziertes Sauggefäßfragment. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Grubenkomplex um einen profanen Befund (Abfallgrube) einer nahegelegenen Siedlung handelt.

Jan-Christoph Breitwieser
Institut f. Archäologische Wissenschaften, Abt. III


Die römische villa rustica von Ober-Erlenbach "Im Holderstauden"

Römische Landwirtschaft in der Wetterau

Das Gebiet der heutigen Wetterau kam endgültig mit den Chattenfeldzügen Kaiser Domitians (83 n. Chr.) unter römische Herrschaft. Die Zugehörigkeit zum römischen Reich währte bis etwa in die Mitte des 3. Jahrhunderts, als das Gebiet rechts des Rheins wohl unter dem Druck der Alamannen aufgegeben wurde.

Die Wetterau war aufgrund der fruchtbaren Böden stark landwirtschaftlich genutzt, die Waldflächen gerodet. Doch unterschied sich die Kulturlandschaft deutlich von dem heutigen Siedlungsbild, dessen Grundzüge erst im frühen Mittelalter entstanden: Entscheidend ist, daß in der Zeit der römischen Herrschaft wenige dörfliche Siedlungen existierten; sieht man einmal von dem Hauptort des Gebietes, der römischen Siedlung NIDA- Heddernheim, und den sog. Kastellvici, die sich in der Nähe der Truppenlager am Limes entwickelt hatten, ab. In den wenigen Dörfern (vici) lebten Handwerker und Händler, sie sind deshalb nicht zu vergleichen mit der bäuerlichen Dorfsiedlung des Mittelalters und der Neuzeit. Das Land wurde von Gutshöfen (villae rusticae) bewirtschaftet, die in der Landschaft regelhaft verstreut lagen. Allein aus der Wetterau sind momentan etwa 200 solcher Höfe bekannt. Das Land war zuvor vermessen und verteilt worden und deshalb finden sich diese villae meist im Abstand von etwa 1 km, bevorzugt an leichten Hängen oder Kuppen.

Der Unterschied zum heutigen Siedlungsbild erklärt sich aus den Eigentumsverhältnissen am Boden und der Wirtschaftsweise der villa rustica. Eine solche villa rustica wurde in der Regel nicht von freien oder abgabepflichtigen Bauern, sondern von persönlich freien Arbeitern und Tagelöhnern sowie Sklaven bewirtschaftet. Auch mußte der Eigentümer nicht zu jeder Zeit anwesend sein. Oft waren es ebenfalls Sklaven oder Freigelassene, die er als Verwalter (villicus) die Geschäfte führen ließ. Ein reicher Grundbe­sitzer konnte durchaus auch mehrere Höfe sein Eigen nennen. Römische Villen waren in vielen Teilen des Reiches in einer sehr einheitlichen Bauweise errichtet, die sich auch in den Villen in unserem Gebiet widerspiegelt. Das meist am Besten erforschte Gebäude ist das Haupthaus an einem zentralen oder dem höchsten Punkt der Anlage. Hier wohnte der Gutsbesitzer oder -verwalter. Darum gruppierten sich Häuser in einem oft ummauerten Hof, die als Getreidespeicher, Ställe, Unterkünfte oder sonstige Wirt­schaftsgebäude dienten.

Der Fundplatz

Durch Feldbegehungen ist die römische Fundstelle „Im Holderstauden" bzw. „Links dem Seulberger Weg" mindestens seit Mitte der achtziger Jahre bekannt. Auf Luftbildern und in der  im Frühjahr 2001 vorgenommenen geophysikalischen Prospektion zeichnet sich der Grundriß eines zentralen Gebäudes ab, das  teilweise unterkellert war.

Die Ausgrabung

Während der 3 Monate langen Grabungskampagne konnte dieses zentrale Gebäude, wie auch alle anderen bekannten Gebäude des Gutshofes, komplett freigelegt werden. Weiterhin wurden viele Gruben und Gräben sowie ein Brunnen dokumentiert, die als randliche Strukturen dem Hof zugeordnet werden können. Sämtliche Strukturen innerhalb der zu errichtenden Straßentrasse wurden freigelegt und vor ihrer Zerstörung zeichnerisch und photographisch dokumentiert.

Es muß jedoch offen bleiben, ob es sich bei dem beobachteten zentralen Gebäude A (Abb. 3) um das Haupthaus handelt. Es ist nicht in der bekannten Risalit-Bauweise errichtet, die sich vielfach bei römischen Villen findet. Weitere Gebäude, die zu dem römischen Hof gehören könnten, sind jedoch bislang nicht bekannt und den Prospektions- und Luftbildergebnissen sowie dem Grabungsbefund nach eher nicht zu erwarten.

Die Ausgrabung der Universität Frankfurt konnte insgesamt ein größeres (etwa 10 x 10 m) sowie 3 kleinere Gebäude freilegen. Alle Gebäude besaßen eine zwischen ½ und 1m breite Steinlage als Fundament, während das Aufgehende vermutlich aus Fachwerk errichtet war, dessen Versturz sich vielfach in den Befunden fand. Von diesen kleineren Gebäuden waren zwei unterkellert in einer Holz-Erde-Konstruktion.

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Abb. 1: Die römische villa rustica auf der geomag­netischen Meßkarte
(Firma PZP, mit freundl. Genehmigung).

 
Abb. 2: Schnitt durch den Keller von Gebäude C.

Dieser Umstand, sowie viele Amphorenfunde aus diesen Kellerstrukturen zeigen, daß ein hoher Bedarf zur Lagerung landwirtschaftlicher Produkte bestand. Es muß sich also mit Sicherheit um einen Gebäudekomplex landwirtschaftlicher Natur handeln, was sich auch durch Funde von Eisengerät aus anderen Strukturen gut belegen läßt.

Ergebnisse

Die Grabungsergebnisse zeigen insgesamt einen eher kleinen Hof, dessen Hoffläche etwa ½ Hektar maß. Er entstand wie die meisten römischen Höfe in der Wetterau bald nach 100 n. Chr., also einige Jahre nach der römischen Eroberung. Die frühesten Keramikfunde (u.a. zwei Töpferstempel auf südgallischer Terra Sigillata) stammen aus dieser Zeit. Einige Holzfunde aus einem Brunnen konnten durch Jahresring- Messung (Dendrochronologie) auf den Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. datiert werden.

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Abb. 3: Schnitt durch den mit Schutt verfüllten Keller von Gebäude A.


Abb. 4: Bilderschüssel Drag. 37 aus Lavoye.


Abb. 5: Kanal H im Planum I. Deutlich zu erkennen sind die kleinen Bach­katzen links und rechts des Kanals sowie die größeren Steinplatten, die als Abdeckung darauf gelegt wurden
(Foto J. Lehmann).

Im Verlauf des 2. Jahrhunderts wurde der Hof  wahrscheinlich von einer Brand­katastrophe betroffen, worauf Keller B aufgegeben wurde. In der Einfüllung des Kellers fand sich kiloweise römische Keramik, deren Gefäß­formen alle in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts datieren. Der einzige Münzfund der Ausgrabung stammt aus Keller B. Es handelt sich um ein wenig abgegriffenes As des Hadrian, das diesen Brand auf die Zeit nach 128 n. Chr. datiert.

Im Gegensatz zu Gebäude B weist der etwas kleinere Holz-Erde-Keller von Gebäude C nur Keramikformen auf, die der Zeit nach 150 n. Chr. entstammen. Die Keramik aus Keller C reicht bis in das 3. Jahrhundert. Eine zeitliche Abfolge beider Gebäude ist naheliegend: Keller C übernahm nach dem Brand die Funktion von B.

Das größere Gebäude A mit seinem Keller konnte aufgrund mangelnder Funde nur sehr unscharf datiert werden. Der Grabungsbefund legt weiterhin nahe, dass es mehrmals umgebaut wurde, vielleicht im Zusammenhang mit dem Brand von Gebäude B. Der dem größeren Innenraum vorgelagerte Keller war sorg­fältig mit Basaltsteinen gemauert. Allerdings wurde auch dieser an­schei­nend vorzeitig aufgegeben, denn eine Steinschüttung im oberen Bereich legt nahe, dass er zugeschüttet wurde, und der Boden darüber verdichtet, um den Bereich nutzbar zu machen. Auch der darüber liegende westliche Raum wurde erst später an das Gebäude angebaut.

Möglicherweise hatte der Hof Probleme mit austretendem Hangwasser oder seine Keller wurden bei starkem Regen überflutet. Auch Keller C wurde mehrmals ausgebessert. Darüber hinaus versuchte man, mit einer Vielzahl von Gräben, Wasser von der Hoffläche abzuleiten. Einer dieser Gräben (H) (Abb. 5) war mit Steinen ausgekleidet.

Ein Teil der Hoffläche war mit groben Quarzsteinen ("Bachkatzen") gepflastert (E), auch darin fand sich ein kleiner  Kanal, der Wasser von dort den Hang abwärts leitete. Auf dem Pflaster fand sich verstreut eine Vielzahl von Keramik, die unzweifelhaft das späteste Fundensemble des römischen Hofes darstellt. Obwohl es sich um die jüngsten römischen Funde handelte, waren sie aufgrund qualitativ schlechter Produktion und ungünstiger Erhaltungsbedin­gungen in keinem guten Zustand. Die Keramikfunde von diesem Pflaster deuten aber in das frühe bis mittlere 3. Jahrhundert. Vereinzelt fanden sich Scherben Urmitzer Machart in Keller C und auf dem Pflaster E. Sie legen ein Ende der römischen Siedlungsstelle zwischen 233 und 260 n. Chr. nahe.

weiterführende Literatur:

  • D. Baatz/ F.R. Herrmann (Hrsg.), Die Römer in Hessen (Stuttgart 1982), 89f; 93ff.
  • V. Rupp (Hrsg.), Archäologie der Wetterau (Friedberg 1991), 249ff.

Michael Müller M.A.
Institut f. Archäologische Wissenschaften, Abt. II