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Studien zur nordeuropäischen Bronzezeit Band 1 1 Studien zur nordeuropäischen Bronzezeit Im Autrag der Kommission für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Akademie der Wissenschaten und der Literatur, Mainz herausgegeben von Karl-Heinz Willroth Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Georg-August-Universität Göttingen Band 1 2 Siedlungen der älteren Bronzezeit Beiträge zur Siedlungsarchäologie und Paläoökologie des zweiten vorchristlichen Jahrtausends in Südskandinavien, Norddeutschland und den Niederlanden Workshop vom 7. bis 9. April 2011 in Sankelmark herausgegeben von Karl-Heinz Willroth WAcHHoLtz VerLAG NeUMüNSter 2013 3 Das Vorhaben „Siedlungen der Bronzezeit“ der Mainzer Akademie der Wissenschaten und der Literatur wird im rahmen des Akademienprogramms von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Schleswig-Holstein sowie dem Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Georg-August-Universität Göttingen gefördert. redaktion, Satz und Umschlag: Heinz-Peter Koch Bibliograische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograie; detaillierte bibliograische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. ISBN: 978-3-529-01581-6 © 2013 by Akademie der Wissenschaten und der Literatur, Mainz Das Werk einschließlich aller seiner teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen zustimmung der Akademie und des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, übersetzungen, Mikroverilmungen und die einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Druck: fgb • freiburger graphische betriebe Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany 4 Inhaltsverzeichnis Karl-Heinz Willroth einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Jens-Henrik Bech and Anne-Louise Haack olsen early Bronze Age houses from hy, Northwest Denmark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Martin Mikkelsen he topographical placing of the Late Neolithic and Bronze Age settlements and an introduction to a new interpretation of the layout of the individual farms in the Bronze Age . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Pernille Kruse egelund III – ein bronzezeitlicher Versammlungsplatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Lilian Matthes Brunde/egelund – Haushaltseinheiten und Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Dietrich Meier eine Siedlung der älteren Bronzezeit in Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Jens-Peter Schmidt Bronzezeitliche Hausbefunde und Siedlungen in Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Jutta Kneisel Hausstrukturen und Bauweisen anhand von Holzfunden aus dem Feuchtbodenareal der bronzezeitlichen Siedlung Bruszczewo, Kr. Kościan, Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Wouter roessingh enkhuizen-Kadijken. A Bronze Age settlement site near the town of enkhuizen in West Frisia (province of North Holland), he Netherlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Wilko van zijverden he palaeoenvironment of eastern West-Frisia: a critical review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 otto Brinkkemper environment and economy of Bronze Age settlements in two regions of the Netherlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Hans-Peter Stika und Andreas G. Heiss Bronzezeitliche Landwirtschat in europa – Der Versuch einer Gesamtdarstellung des Forschungsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Almuth Alsleben Die fossilen Planzenreste des bronzezeitlichen Siedlungsplatzes Brekendorf in Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Susanne Jahns und Wiebke Kirleis Die bronzezeitliche Besiedlung in Pollendiagrammen aus Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Jenny Nord he Bronze Age landscape of the Bjäre peninsula . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 erich Halbwidl Landschatsarchäologische Studien zum älterbronzezeitlichen Siedlungsplatz Brekendorf, Kreis rendsburg-eckernförde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 5 Philip Lüth Siedlungsstrukturen der älteren Bronzezeit im Bereich der Holsteinischen Seenplatte aus diachroner Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Julia Goldhammer Das lithische Inventar des Fundplatzes Brekendorf, Kr. rendsburg-eckernförde (Schleswig-Holstein) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 6 Siedlungsstrukturen der älteren Bronzezeit im Bereich der Holsteinischen Seenplatte aus diachroner Perspektive Philip Lüth Ältere Bronzezeit, Landschatsarchäologie, GIS-Analyse, Geofaktorenanalyse, Diachrone Siedlungsstrukturen, Paläohydrologie, Archäologie auf Inseln, Archäologie in Binnenseen Die Holsteinische Seenplatte in Schleswig-Holstein stellte für viele vorgeschichtliche Kulturgruppen eine wichtige Siedlungslandschat dar. Auch während der älteren Bronzezeit scheint sich in dieser Region ein überregional bedeutsamer Siedlungsschwerpunkt abzubilden. Mit Hilfe der Analyse und Auswertung unterschiedlicher lagebezogener Geofaktoren kann erschlossen werden, welchen Einluss die bestimmenden Elemente einer gewässergeprägten Landschat auf das Siedlungsgefüge der älteren Bronzezeit nahmen. Durch den Vergleich zwischen vorangegangenen und nachfolgenden Perioden werden Kontinuitäten und Diskontinuitäten sichtbar. Settlement structures of the early Bronze Age in the Holstein-Lakeland area rom diachronic perspective Early Bronze Age, landscape archaeology, GIS analysis, geofactor analysis, diachronic settlement structures, paleohydrology, archaeology on islands, archaeology in lakes he Holstein-Lakeland area in Schleswig-Holstein has been an important settlement landscape for numerous prehistoric cultures. Also during the early Bronze Age this region seemed to be a settlement center of superregional importance. With the help of statistical analysis and evaluation of diferent local geofactors the inluence of water bodies as the determining element of the landscape on the Bronze Age settlement system can be deined. Particularly, by comparison with previous and subsequent prehistoric times the continuities und discontinuities become visible. Studien zur nordeuropäischen Bronzezeit, Band 1, 275–294 275 Philip Lüth Einleitung Die Ergebnisse des vorliegenden Aufsatzes sind Teil einer im Rahmen des von der DFG geförderten Projektes „Funktionen von Inseln in den Binnengewässern der holozänen Siedlungslandschat Schleswig-Holstein“ durchgeführten Dissertation. Das Projekt beschätigte sich mit der Erforschung der Inseln in den Seen der Holsteinischen Seenplatte. Ziel der Untersuchungen war es, die Entwicklung, Begehung und Nutzung dieser meist kleinen Eilande vom Neolithikum bis in das hohe Mittelalter zu verfolgen (Bleile u. a. 2009, 15 f.). Dabei kam ein breites, interdisziplinäres Methodenspektrum zum Einsatz, das aus terrestrischen und subaquatischen Prospektionen, archäobotanischen Untersuchungen zur Plaläoökologie, Palynologie und Paläohydrologie (Wieccowsca 2012) sowie einer GIS-basierten räumlich-statistischen Analyse des Seenumfeldes auf Basis der archäologischen und topographischen Daten bestand (Lüth 2011a). Als Kernzone des beschriebenen Forschungsprojektes wurde ein etwa 20 x 30 km großes Gebiet mit dem Großen Plöner See im Zentrum gewählt. In diesem Areal, das sowohl Teile der Holsteinischen als auch der Wankendorfer Seenplatte umfasst, beinden sich mehr als 100 Seen und Teiche (Abb. 1). In 16 Seen liegen insgesamt 63 Inseln, davon allein 25 im Großen Plöner See. Die meisten Seen sind an das Gewässersystem der Schwentine angeschlossen, die bei Kiel in die Ostsee mündet (Bleile u. a. 2009, 16). Das Einzugsgebiet der Schwentine besteht aus der Alten Schwentine im Westen und der Bungsberg-Schwentine im Norden und Osten. Durch zahlreiche Wehre und Mühlendämme des Mittelalters und der Neuzeit ist die hydrologische Situation sowohl der Fließgewässer als auch der Seen heute stark anthropogen überprägt (Karstens 1990, 12 f. Bleile u. a. 2009, 17. Lüth 2011b, 182 f.). Insgesamt entwässert das System eine Fläche von 72.800 Hektar, davon 8000 Hektar Seeläche (Muuss u. a. 1973, 106). Im Untersuchungsgebiet stammen die meisten Funde der älteren Bronzezeit aus alten Hügelgrabungen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Die ersten Publikationen erfolgten durch W. Splieth (1900) und K. Kersten (1936). Insgesamt sind im Arbeitsgebiet 840 älterbronzezeitliche Fundstellen bekannt. Dabei handelt es sich um 738 Grabhügel und 76 Fundplätze mit siedlungsanzeigenden oder Einzelfunden. Hinzu treten vier Depotfunde. Das Zahlenverhältnis von Grab- zu Siedlungsfunden beträgt etwa neun zu eins. Durch dieses Mengenverhältnis ist ein direkter Vergleich der quantitativen Daten beider Quellgruppen erschwert. Die meisten Funde stammen aus Oberlächenabsammlun- Abb. 1. Die Holsteinische Seenplatte. Arbeitsgebiet mit den größten Seen (< 10 Hektar). 276 Siedlungsstrukturen der älteren Bronzezeit im Bereich der Holsteinischen Seenplatte aus diachroner Perspektive gen und Begehungen der archäologischen Landesaufnahme. Von den Grabhügeln wurde eine größere Anzahl (56) ausgegraben. Gegenüber der Gesamtzahl der Grabmonumente nimmt sich dieser Anteil (7,6 %) jedoch recht klein aus. Der überwiegende Teil der Grabanlagen ist durch Begehungen und Geländevermessung dokumentiert. Oberlächenfunde Die 76 älterbronzezeitlichen Oberlächenfunde bestehen größtenteils aus Flintartefakten. An datierenden Formen wurden Flintdolche vom Typ VI (Petersen 1993, Typ 230, 231), oberlächenretuschierte Pfeilspitzen (ebd. Typ 125–128.131.132), Sicheln (ebd. Typ 244–248) und Löfelschaber (ebd. Typ 49) herangezogen. Zudem lossen auf der Grundlage der Arbeit von J. N. Lanting (1973, 317) Äxte und spätneolithische bis frühbronzezeitliche Felsgesteingeräte in die Untersuchungen mit ein. Eine scharfe Datierung der Funde gestaltet sich dabei schwierig. Die meisten Artefakte aus Flint, wie Sicheln und oberlächenretuschierte Pfeilspitzen, lassen sich sowohl in das Spätneolithikum als auch in die ältere Bronzezeit einordnen. Bei den sicher zu datierenden Funden handelt es sich um 19 Flintdolche des Typs VI und elf ansprechbare Artefakte aus Bronze. Auf der Grundlage dieser datierenden Objekte ist der überwiegende Teil der Funde dem Spätneolithikum und der älteren Bronzezeit zuzuweisen (72 %). Etwa ein Viertel der Funde (24 %) können der Periode I zugeordnet werden. Nur ein kleiner Anteil der Oberlächenfunde datiert in die späteren Perioden II (3 %) und III (1 %). Die einzigen wissenschatlich untersuchten Siedlungsspuren der älteren Bronzezeit wurden im Zuge der Ausgrabung zweier Grabhügel in der Gemeinde Gönnebek (LA 8 und LA 15), Kr. Segeberg, durch Gottfried Schäfer entdeckt. In beiden Fällen gelang Schäfer unter der Hügelsohle der Nachweis einiger Siedlungsgruben und Pfostenstandspuren. Unter dem Hügel LA 15 konnten zudem Hakenplugspuren dokumentiert werden. Die Grabungsergebnisse wurden bisher nur als Vorbericht publiziert (Schäfer 1967, 57 f.). Die Identiizierung von Siedlungen anhand von Oberlä- 40 % 30 Grabhügel Die meisten hügelartigen Grabanlagen werden, sofern keine Hinweise aus Oberlächenfunden oder Ausgrabungen vorliegen, als bronzezeitlich eingestut. Bestattungen in Grabhügeln treten jedoch auch in anderen Kulturstufen wie der Trichterbecherkultur, der Einzelgrabkultur, dem Spätneolithikum, der Kaiserzeit und der Slawenzeit auf. Die obertägig sichtbaren Denkmäler bieten jedoch selten sichere Möglichkeiten, die Errichtung der Monumente zeitlich einzugrenzen. Der Anteil der neolithischen und nachbronzezeitlichen Bestattungen an der Gesamtzahl der Grabhügel ist somit nicht bestimmbar. Trotzdem werden sie in der folgenden Untersuchung als eine Einheit betrachtet. Der größte Teil der Denkmäler ist auch heute noch relativ gut im Gelände erkennbar. Obwohl die meisten bis auf wenige Dezimeter abgeplügt sind (Abb. 2), ist die Erhaltung der Hügel allgemein gut dokumentiert (Abb. 3). Die erhaltenen Durchmesser rangieren überwiegend im Bereich zwischen 15 m und 30 m (63 %). Nur ein kleiner Teil (19,39 %) weist höhere Maße auf. Die zwei größten Grabhügel im 20 % 15 20 10 10 0 chenfunden erweist sich als schwierig. Für die Fundstellen der lithischen Zeitabschnitte liegen einige Gliederungsansätze zur Beurteilung dieses Materials vor (Clausen 1985. Meier 1985. Schwarz 1990). Mehrere Arbeiten konnten in der jüngsten Zeit belegen, dass die Produktion und Verwendung lithischer Werkzeuge bis in die frühe Eisenzeit eine wichtige Stellung einnahm (Knarrström 2000. Ericsen 2001. Högberg 2009), so dass davon ausgegangen werden kann, dass auch auf den älterbronzezeitlichen Oberlächenfundstellen mit erheblichem Aukommen an Flintmaterial zu rechnen ist. Aus diesem Grund wurde für die Bewertung der älterbronzezeitlichen Fundstellen dieselbe Minimaldeinition des Siedlungsbegrifes benutzt, die bei Oberlächenfundplätzen des Lithikums angewendet wird, wonach ein Fundplatz als Siedlung anzusprechen ist, wenn er bestimmte Kriterien an Quantität und Diversität der Flintfunde erfüllt (Schirren 1997, 29 f. Lüth 2008/09, 122 f.). Auf diese Weise konnten von den 76 bronzezeitlichen Oberlächenfundplätzen immerhin 38 als Siedlungen gedeutet werden. 5 0 0,5 1 1,5 2 4 5 >5 Höhe Abb. 2. Erhaltene Höhe der bronzezeitlichen Grabhügel im Arbeitsgebiet. 0 4 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 64 84 Dm Abb. 3. Erhaltene Durchmesser der bronzezeitlichen Grabhügel im Arbeitsgebiet. 277 Philip Lüth Arbeitsgebiet (Bornhöved LA 13 und LA 14) besitzen sehr große Durchmesser von 64 m und 84 m. Beide wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgegraben. Ausgrabungen von Grabhügeln konzentrierten sich ot auf ganze Gruppen von Denkmälern, die häuig in einem Zug oder mit geringem zeitlichem Abstand untersucht wurden. Viele der Funde aus diesen Grabungen wurden zur Erstellung der lokalen Chronologie verwendet (Kersten 1936). Nur wenige Grabhügel wurden in jüngerer Zeit ausgegraben und können dem Anspruch an eine moderne wissenschatliche Methodik gerecht werden (Schäfer 1967. Lütjens 2009). Besonders hervorzuheben sind drei Grabhügelgruppen mit ausgesprochen hoher Grabdichte (Abb. 4). Die Grabhügelgruppe in der Gemeinde Grebin, Ortsteil Schönweide, Kr. Plön, liegt östlich des Tresdorfer Sees und umfasst 21 Monumente (Abb. 5). Von diesen wurden im Jahr 1933 durch F. W. Sasse insgesamt acht Denkmäler untersucht, von denen fünf Zentralbestattungen der älteren Bronzezeit enthielten. Die Grabungen Sasses wurden nicht publiziert, so dass die Datierung der Gräber auf der Grundlage der Informationen aus der archäologischen Landesaufnahme erfolgte. Nach der Durchsicht der Funde wurde ein Grab der Periode I, drei der Periode II und eine Bestattung der Periode III zugeordnet (Tab. 1). Die drei Grabhügel ohne Beigaben dürten in das Spätneolithikum oder die Einzelgrabkultur zu datieren sein. Für eine abschließende Aussage müssen die Funde jedoch eingehend bearbeitet werden. In der Gemeinde Bösdorf, Kr. Plön, wurden zwischen 1905 und 1910 neun Grabhügel ausgegraben. Auch bei dieser Grabhügelgruppe handelt es sich um ein großes Gräberfeld mit 48 Denkmälern, die in zwei durch den Vierseegraben voneinander getrennte Gruppen unterteilt werden können (Abb. 6). Der Datierungsschwerpunkt der Erstbestattungen liegt bei diesen Grabhügeln in der Periode II, die mit vier Monumenten hervortritt. Bestattungen der Periode I liegen aus zwei, die der Periode III aus drei Hügeln vor (Tab. 1). Abb. 4. Die Holsteinische Seenplatte mit den Gebieten der drei größten bronzezeitlichen Grabhügelfelder. A – Gem. Grebin, Ortsteil Schönweide, Kr. Plön. B – Gem. Bösdorf, Kr. Plön. C – Gem. Bornhöved und Gönnebek, Kr. Segeberg. Die größte Anzahl ergrabener Grabbauten liegt in den Gemeinden Bornhöved und Gönnebek, Kr. Segeberg (Abb. 7). In dieser Region inden sich mehr als 165 Grabmonumente, die auf kleiner Fläche nahe beieinander liegen. Von diesen wurden in unterschiedlichen Zeitabständen mehr als 24 Hügel untersucht (Schwerin v. Krosigc 1974; 1976. Schäfer 1967. Lütjens 2009). Aufällig ist die Häufung von 19 Bestattungen der Periode III, die gegenüber den älteren Abschnitten hervorstechen (Tab. 1). Hervorzuheben sind 15 Goldfunde, die aus den Grabausstattungen der Hügel des Gräberfeldes von Bornhöved stammen. In diesem Zusammenhang wurde eine überregionale Bedeutung dieser Region für den Handel mit Skandinavien angenommen. Tab. 1. Anzahl der datierten Grabhügel im Arbeitsgebiet in den Gemeinden Bornhöved, Gönnebek, Bösdorf und GrebinSchönweide. Gemeinde 278 PI P II P III Literatur 24 4 5 19 Kersten 1936; Schäfer 1967; Krosigc 1976; Lütjens 2009 Bösdorf 9 2 4 3 Kersten 1936 GrebinSchönweide 8 1 3 1 ALSH Bornhöved, Gönnebek Abb. 5. Gem. Grebin, Ortsteil Schönweide, Kr. Plön. Grabhügelfeld mit ergrabenen und datierten Gräbern. Zahl Siedlungsstrukturen der älteren Bronzezeit im Bereich der Holsteinischen Seenplatte aus diachroner Perspektive Gleichzeitig soll sich hier einer der Siedlungsschwerpunkte der bronzezeitlichen Bevölkerung in Schleswig-Holstein befunden haben (zusammenfassend Pahlow 2006, 73; 84 f.; 101 f.). Eine Kartierung der Grabhügel nach der Größe der erhaltenen Durchmesser zeigt deutlich auf, dass die Monumente im südwestlichen Teil des Arbeitsgebietes größere Maße aufweisen als in den anderen Regionen (Abb. 8). Trotz der relativ hohen Zahl an archäologisch untersuchten Denkmälern ist die Anzahl der datierbaren bronzezeitlichen Grabhügel im Verhältnis zur Gesamtmenge gering. Gerade neuere Untersuchungen zeigen immer wieder, dass ein großer Teil der Bestattungen aus der Einzelgrabkultur und dem Spätneolithikum stammen (z. B. Lütjens 2009). Den Anteil der neolithischen Gräber zu schätzen ist ohne archäologische Untersuchungen kaum möglich. Lagefaktorenanalyse wässernähe dieser Fundkategorie widerspiegeln. Die Auswertung der Bodenarten zeigt insgesamt eine Bevorzugung sandiger Areale, die für Grabbauten allerdings stärker ausgeprägt ist, als für Siedlungs- und Einzelfunde (Tab. 2). Diese inden sich wesentlich häuiger auch auf lehmigen Böden. Insgesamt acht Fundstellen lagen in heute subaquatischem oder vermoortem Milieu. Möglicherweise Tab. 2. Bronzezeitliche Grabhügel sowie Siedlungs- und Einzelfunde im Verhältnis zur Bodenart. Bodenarten Moor Siedlungs- und Einzelfunde inden sich überwiegend in Lagen zwischen 20 m und 35 m NN, während Grabhügel zumeist in Höhen ab 40–45 m NN autreten (Abb. 9). Unterhalb dieser Höhenlagen sind sie selten anzutrefen. Speziell dieses Kriterium ist als ein deutlicher Hinweis auf die gezielte Wahl prominenter Plätze für die Errichtung von Grabhügeln zu werten. Demgegenüber dürte sich in den niedrigeren Höhenwerten der anderen Fundgruppe die Ge- Abb. 6. Gem. Bösdorf, Kr. Plön. Grabhügelfeld mit ergrabenen und datierten Gräbern. % Funde äBZ % 2 0,46 4 8,33 Subaquatisch 0 0,00 2 4,17 Feuchte Standorte 2 0,46 6 12,50 Sand In der statistischen Analyse wurden Daten zu den Lagefaktoren Höhenlage, Bodenart, Gewässerentfernung sowie zur Distanz zu einem Fluss oder See erhoben. Dabei wurde die Gruppe der Siedlungs- und Einzelfunde den Grabhügeln gegenübergestellt, um die Charakteristika der bronzezeitlichen Landschatsnutzung herauszuarbeiten. Grabhügel anlehmiger Sand lehmiger Sand 76 17,39 16 33,33 131 29,98 4 8,33 69 15,79 4 8,33 stark lehmiger Sand 79 18,08 3 6,25 Sandige Standorte 355 81,24 27 56,25 sandiger Lehm 79 18,07 15 31,25 schwerer Lehm 1 0,23 80 18,31 15 31,25 Lehm Ton Lehmige Standorte Bodenart bekannt 437 59,37 48 60,00 Bodenart unbekannt 299 40,63 32 40,00 Abb. 7. Gem. Bornhöved und Gönnebek, Kr. Segeberg. Grabhügelfeld mit ergrabenen und datierten Gräbern. 279 Philip Lüth Abb. 8. Die Holsteinische Seenplatte. Bronzezeitliche Grabhügel nach der Größe der erhaltenen Durchmesser. Abb. 9. Höhenlagen der bronzezeitlichen Grabhügel sowie Siedlungs- und Einzelfunde. 280 Siedlungsstrukturen der älteren Bronzezeit im Bereich der Holsteinischen Seenplatte aus diachroner Perspektive sind diese Fundsituationen vor dem Hintergrund des bronzezeitlichen Klimaoptimums zu sehen. Es könnte sein, dass die betrefenden Flächen erst in späterer Zeit vermoorten oder von Wasser überspült wurden. Die Oberlächenfundplätze zeigen einen eindeutigeren Bezug zu den Uferrandlagen als die der Bestattungsplätze (Abb. 10). Während etwa 62 % der unsystematischen Fundplätze einen Abstand von maximal 200 m zum nächsten Ufer aufweisen, liegt der größere Teil der Grabhügel in einer Entfernung von mehr als 200 m zum nächsten Uferrand. Insgesamt ist für die älterbronzezeitlichen Fundstellen ein stärkerer Bezug zu Fließgewässern als zu Binnenseen festzustellen (Tab. 3). Die Ergebnisse der Lagefaktorenanalysen erlauben den Vergleich der unterschiedlichen Quellengruppen untereinander. Sie ermöglichen jedoch keine Schlüsse zum allgemeinen Siedlungsverhalten wie zum Beispiel der Ainität zu bestimmten geländetopographischen Situationen wie Uferrand- oder besondere Höhenlagen. Diese Ergebnisse erschließen sich erst nach einem Vergleich mit den älteren und jüngeren prähistorischen Perioden. Zu diesem Zweck wurden aus den Ergebnissen der Lagefaktorenanalyse die Durchschnittswerte berechnet und diese zu den Werten der spätneolithischen und jüngerbronzezeitlichen bis früheisenzeitlichen Kulturen ins Verhältnis gesetzt. Es zeigt sich, dass die Grabhügel der älteren Bronzezeit auch im diachronen Vergleich in überdurchschnittlich hohen Lagen zu inden sind. Siedlungen dagegen liegen in ähnlichen Höhen wie die spätneolithischen, jüngerbronzezeitlichen und eisenzeitlichen Fundstellen. Lediglich die Träger der Einzelgrabkultur suchten höher gelegene Plätze auf (Abb. 11). Die meisten Fundstellen der älteren Bronzezeit inden sich auf sandigen Böden. In der übergeordneten Betrachtung wird deutlich, dass sandige Böden von allen archäologischen Kulturen sowohl für die Anlage von Siedlungen als auch für Bestattungsplätze bevorzugt wurden. Bei den älterbronzezeitlichen Fundstellen ist sogar ein überdurchschnittliches Autreten von lehmigen Standorten aufällig, das nur von den einzelgrabzeitlichen Fundstellen übertrofen wird (Abb. 12). Der Vergleich der Entfernungen zu Gewässern zeigt, dass die Gräber vom Spätneolithikum bis in die jüngere Bronzezeit in einer relativ großen Distanz (mehr als 400 m) zum nächsten Gewässer angelegt wurden. Erst in der Eisenzeit rücken die Friedhöfe näher an die Uferrandlagen heran. Die Siedlungen liegen demgegenüber in einer durchschnittlichen Entfernung von ca. 200 m vom nächsten Gewässer. Dieser Wert nimmt eine mittlere Position zwischen den Werten der spätneolithischen und jüngerbronzezeitlichen Fundplätze ein (Abb. 13). Tab. 3. Vergleich der Entfernung der bronzezeitlichen Grabhügel sowie Siedlungs- und Einzelfunde in Bezug zu See- und Fließgewässernähe. Entfernung Grabgrößer zu… hügel …See …Fluss 424 314 % Funde äBZ % Gesamt % 57,45 42,55 41 35 53,95 46,05 465 349 57,13 42,87 Abb. 10. Gewässerentfernung der bronzezeitlichen Grabhügel sowie Siedlungs- und Einzelfunde. 281 Philip Lüth Abb. 11. Durchschnittliche Höhenlage der einzelgrab- bis kaiserzeitlichen Siedlungen, Einzel- und Grabfunde. Abb. 12. Prozentualer Anteil der einzelgrab- bis kaiserzeitlichen Siedlungsfunde im Bereich lehmiger, sandiger und feuchter Standorte. 282 Siedlungsstrukturen der älteren Bronzezeit im Bereich der Holsteinischen Seenplatte aus diachroner Perspektive Abb. 13. Durchschnittliche Gewässerentfernung der einzelgrab- bis kaiserzeitlichen Siedlungen, Einzel- und Grabfunde. Älterbronzezeitliche Inselfundplätze Im Zuge landschatsarchäologischer Studien werden häuig hervorstechende topographische Situationen als wichtige Elemente der Siedlungslandschat hervorgehoben. Im Rahmen des Projektes „Inselnutzung“ sollten die Inseln in den Binnenseen des Arbeitsgebietes untersucht werden. Dabei zeigte sich sowohl in der Geländearbeit als auch bei der Aufbereitung der Ortsakten ein aufällig häuiges Autreten von älterbronzezeitlichen Funden auf diesen Plätzen. Von insgesamt zehn Inseln sind Funde oder Hinweise auf anthropogene Aktivitäten bekannt (Abb. 14). Auch im diachronen Vergleich tritt die Anzahl der Funde deutlich hervor. Ein ähnlich hohes Fundaukommen auf Inseln ist nur während des Endmesolithikums und von den früh- und hochmittelalterlichen Zeitabschnitten bekannt (Abb. 15). Die Funde des Spätneolithikums scheinen leicht gehäut auf insularen Fundplätzen aufzutreten; sie inden sich jedoch gleichzeitig ebenfalls auf Halbinseln, was eher dem Verteilungsbild des Endmesolithikums und der Slawenzeit entspricht. Die besondere Bedeutung von Inseln während der älteren Bronzezeit wird durch zwei Funde auf Inseln im Großen Plöner See unterstrichen, die während taucharchäologischer Prospektionsarbeiten zu Tage kamen. Bei den Funden handelt es sich um einen Rinnenstein, der im Flachwasser- bereich der Gänseinsel entdeckt wurde. Hinzu kommt ein Depotfund, bestehend aus zwei Randleistenbeilen, von der Insel Konau. Beide Inseln liegen in Sichtweite zueinander (Abb. 16). In einer Entfernung von ca. 25–30 m vom Ufer der Insel Konau wurden zwei Randleistenbeile gefunden. Die beiden Geräte befanden sich in einer Wassertiefe von 1,05 m und lagen nur etwa 1 m voneinander entfernt. Es handelt sich um frühbronzezeitliche Formen (Abb. 17), die der Periode IA zuzuordnen sind und die damit in die Zeit zwischen 1800 und 1500 v. Chr. datieren (Vandcilde 1996, 211; 171 f.). Beide Geräte wiesen eine Kalkpatina auf, die bis zur Mitte des Beilkörpers vorhanden war. Ofenbar steckten die Geräte senkrecht im Boden und wurden über einen längeren Zeitraum hinweg vom Wasser nach und nach freigespült, wobei sich auf den ofen liegenden Teilen Seekreide ablagern konnte. Diese Lagerungsspuren sprechen dafür, dass beide Beile aufrecht und damit intentionell im Boden deponiert worden waren. Schwieriger zu interpretieren ist der auf der Möweninsel aufgefundene Rinnen- oder Rillenstein. Es handelt sich um einen etwa 70 cm durchmessenden Findling. Auf der Oberseite des Steins war eine tangentiale 76 cm lange, 10 cm breite und 5 cm tiefe Rille eingepickt. Der Stein fand sich im lachen Wasser im nördlichen Bereich der schma- 283 Philip Lüth Abb. 14. Älterbronzezeitliche Fundstellen auf Inseln in den Binnenseen der Holsteinischen Seeplatte. 1 – Gem. Eutin, Kr. Ostholstein. Flintdolch Typ VI. 2 – Gem. Nehmten, Kr. Plön. Depotfund mit zwei Randleistenbeilen. 3 – Gem. Preetz, Kr. Plön. 14 C-Datierung, Holzkohle aus Bohrproil. 4 – Gem. Nehmten, Kr. Plön. Rillenstein. 5 – Gem. Bösdorf, Kr. Plön. 14C-Datierung, subaquatisches Holz. 6 – Gem. Plön, Kr. Plön. Flintsichel. 7 – Gem. Rathjendorf, Kr. Plön. Flintsichel. 8 – Gem. Ascheberg, Kr. Plön. Flintsichel. 9 – Gem. Plön, Kr. Plön. Flintsichel. 10 – Gem. Plön, Kr. Plön. Flintdolch Typ VI. Abb. 15. Anzahl von Fundstellen auf Inseln und Halbinseln im Vergleich zur erwarteten Zahl der Funde in Bezug zu der Größe des Arbeitsgebietes. 284 Siedlungsstrukturen der älteren Bronzezeit im Bereich der Holsteinischen Seenplatte aus diachroner Perspektive Abb. 16. Halbinsel Nehmten, Großer Plöner See. Fundstellen eines Depotfundes und eines Rillensteins auf den Inseln Konau und Möweninsel. Abb. 17. Insel Konau, Gem. Nehmten, Kr. Plön. Randleistenbeile eines Depotfundes aus einer unterwasserarchäologischen Prospektion mit deutlichen Ablagerungen einer Seekreidepatina (M. 1:2). 285 Philip Lüth len, halbmondförmigen Insel, die sich etwa 1,5 bis 1,8 m aus dem Wasser erhebt. Funde von Rinnensteinen stellen ein recht seltenes Phänomen in der Urgeschichte dar. Sie werden meist der älteren Bronzezeit zugeordnet und in religiöskultischen Zusammenhang gebracht (Wegewitz 1982. Schünemann 1987, 78 f.). Typologisch gelingt eine Anknüpfung am ehesten an die Schalen- oder Schälchensteine, die sich zahlreich im Verbreitungsraum der älteren nordeuropäischen Bronzezeit inden. Die Anbindung dieser Funde an den weltanschaulichen Bereich kann hier durch den Befundzusammenhang hergestellt werden, da diese Steine anscheinend regelmäßig in Steinumfriedungen von Grabhügeln verwendet wurden. Auch in der Region des Großen Plöner Sees lässt sich dieses Phänomen beobachten. Von den 14 bekannten Schalensteinen kann für acht ein direkter und für zwei ein indirekter Zusammenhang mit einer Grabhügel- einfriedung nachgewiesen werden (Abb. 18). Lediglich vier Schälchensteine wurden nicht in einem oder in der Nähe eines Grabhügels gefunden. Die topographische Situation einer Insel ist immer vom Pegel des entsprechenden Gewässers abhängig. Zu den Wasserstandsveränderungen des Großen Plöner Sees liegen mehrere unterschiedliche Untersuchungen vor, so dass eine sehr gute Datengrundlage zur Verfügung steht. Daher kann der Seespiegel, wie auch die Ausdehnung der Inseln, während der Bronzezeit rekonstruiert werden (Kiefmann 1978. Dörfler 2009. Bleile u. a. 2009, 18 f. Wieccowsca 2012). Für den großen Plöner See kann in der Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends von einem Seepegel von etwa 19,20 m NN ausgegangen werden. Eine Kalkulation des Seepegels zeigt, dass Abb. 18. Verbreitung der im Arbeitsgebiet gefundenen Schalensteine. 286 Siedlungsstrukturen der älteren Bronzezeit im Bereich der Holsteinischen Seenplatte aus diachroner Perspektive sich die Anzahl und die Lage der Inseln seit der Bronzezeit stark verändert haben müssen (Abb. 19). Der Große Plöner See ist während der Bronzezeit in zwei Becken geteilt, durch einen engen Korridor miteinander verbunden. Von den 25 Inseln im heutigen Großen Plöner See waren immerhin 14 auch vor der mittelalterlichen Anstauung in größerer Ausdehnung vorhanden, wobei die fünf Inseln im Ascheberger Teil des Sees eine große Insel bildeten. Zur Bronzezeit hatten zwölf weitere Inseln Landanbindung. Die umfangreichsten Veränderungen sind im Bereich der Nehmtener Halbinsel zu inden. Diese Region scheint fast vollständig trocken gelegen zu haben. Bemer- Abb. 19. Großer Plöner See. Anzahl und Ausdehnung der Inseln bei heutigen und simulierten bronzezeitlichen Wasserständen. 287 Philip Lüth kenswert sind sieben Inseln, die zu Zeiten der tiefen Pegel der Bronzezeit aus den Flachwasserbereichen autauchten und die zusammen eine Fläche von 20.000 m2 einnahmen. Von den fünf bronzezeitlichen Funden liegen auch unter den Bedingungen simulierter Wasserstände noch vier von diesen sicher auf einer Insel. Dies gilt auch für die Funde von den Inseln Konau und der Möweninsel. In allen anderen Seen des Arbeitsgebietes macht die Bathymetrie auch bei stark fallenden Seepegeln eine Landanbindung der betrefenden Inseln unwahrscheinlich. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich während der älteren Bronzezeit eine besondere, möglicherweise rituell-kultische Nutzung von Inseln abzuzeichnen scheint. Sowohl die Zusammensetzung des Fundgutes als auch die statistischen Ergebnisse und das Autreten von Funden, die von verschiedener Seite mit religiösen Handlungen in Verbindung gebracht werden, könnten für eine besondere Stellung von Inseln in der geistigen Welt der bronzezeitlichen Menschen sprechen. Verbreitungsbild Auch das Verbreitungsbild der älterbronzezeitlichen Fundstellen wird nach unsystematischen Funden und Grabmonumenten getrennt betrachtet. Dabei kommt über die Kartierung hinaus das Berechnungsverfahren der Kernel Density Estimation (KDE) zum Einsatz, um quantitative Angaben zur Fundstellendichte in bestimmten Regionen zu erhalten (Herzog 2007). Das Dichtebild der Siedlungs- und Einzelfunde zeigt eine sporadische Besiedlung des Arbeitsgebietes mit großen fundleeren Bereichen an. Hohe Konzentrationen von Fundstellen sind nördlich und westlich des Großen Plöner Sees sowie nördlich und westlich des Kellersees zu verzeichnen. Im Bereich südwestlich des Bornhöveder Sees indet sich die größte Ansammlung von Fundstellen (Abb. 20). Die Kartierung der Grabhügel zeigt demgegenüber ein dichteres Verbreitungsbild an, was auf die ungleich höhere Zahl an Fundstellen zurückzuführen ist. Hohe Grabhügelkon- Abb. 20. Kerndichtekartierung der älterbronzezeitlichen Siedlungen und Einzelfunde. 288 Siedlungsstrukturen der älteren Bronzezeit im Bereich der Holsteinischen Seenplatte aus diachroner Perspektive zentrationen inden sich vor allem in den Bereichen der beschriebenen Gräberfelder, wobei der südwestliche Teil des Arbeitsgebietes besonders deutlich hervortritt (Abb. 21). Mit Blick auf die Dichteberechnung stellen die stark diferierenden Fundsummen zwischen Grabhügeln und unsystematischen Funden ein bedeutendes Problem dar, da ein rechnerischer Vergleich der beiden Berechnungsgrundlagen nicht möglich ist. Aus diesem Grund wurden beide Dichtebilder normalisiert und der Wertebereich zwischen 70 % und 100 % extrahiert. Es zeigt sich, dass die Areale mit den höchsten Dichtewerten sowohl der Siedlungen als auch der Grabanlagen im Raum um Bornhöved und südwestlich davon zu inden sind (Abb. 22). Hier lassen sich zwei nahe beieinander liegende Siedlungskammern erkennen, wobei die Areale der beiden Quellenkategorien fast deckungsgleich sind. Das reduzierte KDE-Raster der Siedlungs- und Einzelfunde zeigt zudem zwei weitere, kleinere und weniger dichte Zentren im Raum des südwestlichen Großen Plöner Sees sowie im Bereich des Kleinen Plöner Sees. Im direkten Umfeld wurden bisher nur wenige Grabhügel nachgewiesen. Größere Aussagekrat erhält die Auswertung der Siedlungsschwerpunkte durch einen Vergleich mit den chronologisch älteren bzw. nachfolgenden Perioden. Die Fundverteilung des Spätneolithikums weist Siedlungsschwerpunkte auf, die teilweise deckungsgleich mit denen der älteren Bronzezeit sind. Aufällig sind dabei neben einem Schwerpunkt am Bornhöveder See weitere Dichtezentren am westlichen Ufer des Großen Plöner Sees. Darüber hinaus zeichnen sich weitere Schwerpunkte im Raum Malente und am Stolper See ab, die eher mit den Siedlungszentren der Einzelgrabkultur in Verbindung gebracht werden können (Abb. 23). Auch in der jüngeren Bronzezeit (P IV–PVI) und bis in die ältere vorrömische Eisenzeit liegt das Dichtezentrum der Fundstellen im Bereich des Bornhöveder Sees. Die Kontinuität wird erst ab der jüngeren vorrömischen Eisenzeit unterbrochen. Innerhalb des untersuchten Raumes verlagert sich der Fundstellenschwerpunkt in den Raum um Malente (Abb. 24). Abb. 21. Kerndichtekartierung der älterbronzezeitlichen Grabhügel. 289 Philip Lüth Abb. 22. Dichtezentren (70 %–100 % des normalisierten KDE) der älterbronzezeitlichen Fundstellen. In der Zusammenschau der Verbreitungsbilder der älterbronzezeitlichen Funde lässt sich feststellen, dass der Siedlungsschwerpunkt sehr wahrscheinlich im südwestlichen Teil des Untersuchungsgebietes zu suchen ist. Hier findet sich die höchste Konzentration von Funden. Außerdem sind in dieser Region die größten Grabmonumente und die reichsten Bestattungen im Arbeitsgebiet zu verzeichnen. Dieser Bedeutungsüberschuss scheint sich auch im überregionalen Vergleich zu bestätigen. Die Zusammenstellung der älterbronzezeitlichen Goldfunde in Schleswig-Holstein zeigt, dass in der Region Bornhöved die höchsten Fundzahlen auf engstem Raum vorkommen, wobei es sich gleichermaßen um Materialien englischer wie kontinentaler Provenienz handelt (Pahlow 2006, 85 f.). Vergleichbare Zentren finden sich zwar im gesamten Schleswig-Holstein, die Region Bornhöved nimmt jedoch eine Sonderstellung ein. Diese Zentren 290 werden mit dem interregionalen Metallhandel, vor allem mit den dänischen Inseln, in Verbindung gebracht (ebd. 101 f.). Die besondere topographische Situation in der Region Bornhöved erschließt sich weiter vor dem Hintergrund der Gewässerscheiden. Die von Westen an Bornhöved heranreichende Schwale ist über die Flüsse Stör und Elbe an die Nordsee angebunden, während das Gewässersystem der Schwentine in die Ostsee mündet (Lüth 2011a). Geologisch ist dieser Raum durch ein Hochplateau der Saaleeiszeit geprägt und bildet zwischen Ostsee und Elbe eine der wenigen großräumigen Landbrücken, die einen geeigneten Übergang zwischen den beiden Gewässersystemen ermöglichten (Stephan 2003, 106). Diese Funktion war offenbar vom Spätneolithikum bis in die ältere vorrömische Eisenzeit von großer Bedeu- Siedlungsstrukturen der älteren Bronzezeit im Bereich der Holsteinischen Seenplatte aus diachroner Perspektive Abb. 23. Dichtezentren (70 %–100 % des normalisierten KDE) der einzelgrabzeitlichen und spätneolithischen Fundstellen. tung. Auch während der nachfolgen Perioden wird dieser Raum immer wieder als strategisch wichtiger Punkt begriffen. Vor allem während der Slawenzeit wurde der Raum aus strategischen Gründen in den damaligen Verlauf des Limes Saxoniae integriert (Hofmeister 1927. Matthiessen 1940). Fazit Die Fundstellen der älteren Bronzezeit im gewählten Arbeitsgebiet stammen aus zwei unterschiedlichen Quellen, die die Grabhügel auf der einen und die unsystematisch gewonnenen Funde aus Oberlächenabsammlungen auf der anderen Seite umfassen. Die siedlungsanzeigenden Funde bestehen meist aus Flint, während der überwiegende Teil der Bronzen aus Grabhügeln stammt. Die Zahl der Grabhügel übersteigt die der Siedlungsfunde um den Faktor neun. Aufallend ist, dass trotz dieses ungleichen Verhältnisses die Kerndichtezentren beider Fundgruppen weitgehend deckungsgleich sind. – Die GIS-Analyse erbrachte, dass sowohl Siedlungen als auch Grabhügel zumeist im Bereich sandiger Böden liegen, diachron jedoch ein vermehrtes Autreten auf lehmigen Standorten zu verzeichnen ist. Siedlungen und Einzelfunde inden sich in niedrigeren Höhenlagen als Grabhügel, wobei die Bestattungsplätze auch im Vergleich mit anderen Zeitstufen überdurchschnittlich exponiert sind, während die Siedlungen eher in durchschnittlichen Höhen liegen. Die älterbronzezeitlichen Siedlungen weisen eine stärkere Ainität zu den Gewässern auf als die Bestattungsplätze. Diese Tendenz ist jedoch für alle Zeitstufen nachvollziehbar. Die Bestattungen der älteren Bronzezeit nehmen allerdings besonders exponierte Lagen ein, während für die 291 Philip Lüth Abb. 24. Dichtezentren (70 %–100 % des normalisierten KDE) der Fundstellen der jüngeren Bronzezeit (BZ) und der vorrömischen Eisenzeit (VEZ). Siedlungsfunde kein eindeutiger Bezug zu Gewässern feststellbar ist. Insgesamt scheinen die Fundstellen der älteren Bronzezeit eher an die Flussläufe als an die Uferrandlagen der Seen gebunden zu sein. Eine Ausnahme stellen die Funde von Inseln dar. Sie treten vor allem im diachronen Vergleich qualitativ und quantitativ hervor. Möglicherweise kam diesen topographischen Gegebenheiten eine besondere, eventuell auch eine rituell-kultische Bedeutung zu. Bei der Analyse der Siedlungsstrukturen zeichnen sich die höchsten Fundstellendichten im Bereich der Nord-Ostsee Gewässerscheide ab, wobei die Funde aus dieser Region auch überregional als außerordentlich reich anzusehen sind. Dies gilt vor allem für die Grabausstattungen und die Größe der Grabmonumente. Schon vom Spätneolithikum an ist in die- 292 sem Gebiet einer der Siedlungsschwerpunkte im Arbeitsgebiet nachweisbar. Diese besondere Bedeutung scheint auch während der jüngeren Bronzezeit und bis in die frühe Eisenzeit erhalten zu bleiben. Hinsichtlich der einleitend deinierten Fragestellung muss jedoch konstatiert werden, dass für die ältere Bronzezeit kein signiikanter Bezug auf die landschatsprägenden Gewässer der Holsteinischen Seenplatte festgestellt werden kann. Ausnahmen hiervon stellen die beschriebenen Inselfundplätze dar. Ob es sich hierbei tatsächlich um rituell genutzte Orte handelt, ist aus archäologischer Sicht mit letzter Gewissheit nicht zu beantworten. Möglicherweise könnten weitere Feldforschungen auf heute versunkenen aber während der Bronzezeit noch begehbaren Inseln neue Erkenntnisse liefern. 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