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Denkmal-Flieger Altertumsforscher setzen auf Luftbildarchäologie

In der Erde verborgen, von oben entdeckt: Mit Flugzeug und Teleobjektiv machen Archäologen Jagd auf verborgene Gräber, Burgen und Römerstraßen. Pro Flug können so bis zu 50 Fundorte auftauchen. Ausgegraben werden diese aber nur im Notfall.

In Bayern wollten Archäologen einmal einen zugeschütteten Bahndamm ausgraben, weil sie ihn für eine alte Römerstraße hielten. Ein Luftbild hatte inmitten satten Grüns einen Streifen kargen Pflanzenwuchses gezeigt und den Altertumsforschern den Hinweis gegeben: Unter der Erdkrume liegen steinerne Trümmer verborgen. Dass es bloß Schotter ist, wurde den Wissenschaftlern erst klar, als sie alte Streckenpläne der Bahn inspizierten. Damals lag die Luftbildarchäologie daneben.

Römisches Gut mit Nebengebäuden: Der Luftbild-Archäologe Claus Bergmann vom Hessischen Landesdenkmalamt sucht von oben nach Spuren alter Gebäude

Römisches Gut mit Nebengebäuden: Der Luftbild-Archäologe Claus Bergmann vom Hessischen Landesdenkmalamt sucht von oben nach Spuren alter Gebäude

Foto: DDP

Mehrmals im Jahr verlässt Archäologe Claus Bergmann vom hessischen Landesdenkmalamt sein Wiesbadener Büro, heuert einen Privatpiloten an und schaut sich aus einer Cessna Hessen von oben an. Bebautes Gebiet interessiert ihn dabei nicht, da sich unterirdische Denkmäler nur in freier Natur verraten. Von oben erspäht er sie dann, pro Flug macht er etwa 50 Standorte aus. Bei einer Begehung bleiben solche Fundstellen den Archäologen meist verborgen. "Ob Pflanzen in einem bestimmten Verlauf mal so oder so wachsen oder ob der Boden unterschiedlich feucht ist, sieht man nicht, wenn man direkt davorsteht", erklärt Bergmann.

Luftbildarchäologen prüfen unbebautes Terrain großflächig auf Bodenverfärbungen, unterschiedliche Gestalt und Farbe des Bewuchses oder auch Schattenwurf des Geländes. Steine unter der Erdkrume bremsen den Wuchs von Pflanzen, weil sie dort schwächer wurzeln und Wasser tief versickert. Was in der Natur wie auch auf einem bestellten Feld eine alltägliche Erscheinung ist, wird für Archäologen interessant, wenn die Abweichungen bestimmte Muster hinterlassen. Linien, Kreise, Bögen, 90-Grad-Winkel und häufig gleich ganze Grundrisse von Häusern oder Wehranlagen offenbaren sich aus der Luft selbst dem ungeschulten Auge.

Zum Spaten greifen die Archäologen nur im Notfall

Wurden Burggräben, unterirdische Wehrgänge, Keller oder große Gräber irgendwann einmal mit Humusmaterial gefüllt, stellt sich der gegenteilige Effekt ein. Untergrund, der viel Feuchtigkeit festhält, lässt Pflanzen kräftiger wachsen und verrät sich selbst auf abgeernteten Feldern durch dunklere Färbung. So wie das Muster eines Teppichs nicht auf Nahdistanz, sondern erst bei einigem Abstand erkennbar ist, zeigen sich den Archäologen bestimmte Bodenmerkmale nur aus der Vogelperspektive. Eine unauffällige Bodenerhebung entpuppt sich beim Überflug dann auch mal als Wallanlage.

Der einmalige Blick aus der Luft reicht den Archäologen meist nicht aus. Auf einem Getreidefeld nahe Bad Nauheim im Wetteraukreis zeichnete sich bei einem ersten Überflug Ende der achtziger Jahre in einem Getreidefeld eine kräftig grüne Färbung als quadratisches Muster mit 24 Meter Seitenlänge und einer dunklen Grube in der Mitte ab. Jahrelang wurde das Gebiet bei unterschiedlichem Wetter und Vegetationsstand immer wieder neu abfotografiert, bis die Mehrfachauswertung dann auf eine mächtige Grabstätte schließen ließ.

Bei Ausgrabungen in den neunziger Jahren stießen dort die Forscher am Ende nicht nur auf imposant gestaltete Grabbauten aus der Eisenzeit, sondern auch auf einen begrabenen Keltenkrieger, der noch im Besitz einer kompletten Waffenausstattung und reichen Goldschmucks war. Auch der Bad Nauheimer Fund lag unsichtbar unter flachem Boden. Bergmann vermutet in Hessen Zehntausende solcher verborgenen Forschungsschätze wie keltische Gräber, römische Bauten oder auch frühindustrielle Hinterlassenschaften, die oberirdisch nicht zu sehen sind.

Nur ein Bruchteil davon ist seit den achtziger Jahren auf inventarisiert worden - rund 40.000 Luftbild-Dias wurden dafür durchstöbert. Für Forschungsgrabungen fehle fast immer das Geld, erzählt Bergmann. In den allermeisten Fällen greifen Archäologen heute nur zur Schaufel, um durch Bauprojekte bedrohte Kulturdenkmäler zu retten. Ungeborgen wird dagegen wohl der einzige Fund bleiben, den Bergmann in bebautem Gebiet ausgemacht hat. Den genauen Standort will er nicht nennen: Aus der Luft zeichnet sich in einem Städtchen in der Wetterau unter dem Sportplatz ein römisches Kastell ab.

Stefan Höhle, ddp