Den Feuermacher wird er nicht mehr los. "Das Image klebt mir wie ein Popel an der Backe." Seit er eine Ausstellung über die Vorläufer des Feuerzeugs machte, wird Harm Paulsen ständig als der Mann präsentiert, der auf 43 Arten Flammen erzeugt. Auch am kommenden Sonntag werden ihn die Fernsehzuschauer erst einmal pusten sehen.

Jetzt sitzt Paulsen in seinem Büro im Schleswiger Museum Schloss Gottorf und muss ständig ans Telefon. Alle wollen etwas von ihm. Denn an Pfingsten startet der ARD-Vierteiler Steinzeit – Das Experiment (27. Mai, 21.45 Uhr im Ersten). Dessen Versuchsanordnung: Sieben Erwachsene und sechs Kinder reisten 5.000 Jahre zurück in die Vergangenheit und mussten dort acht Wochen lang leben wie zu Ötzis Zeiten. Dass dieser Menschenversuch nicht schief ging, ist vor allem Paulsen zu verdanken, dem dienstältesten Experimental-Archäologen Deutschlands. "Er war unser Papi", sagt Olli Junker-Matthes, einer der Probe-Feuersteins.

Guten Rat durfte er mitbringen. Aber keinen Kessel voller Würstchen

Das glaubt man sofort. Diese Wikingerfrisur! Und die sprudelnde Erzähllust: immer mit "poch, poch", "baff, baff" untermalt! Der rettet einen aus jeder Notlage! In seinem Büro drängen sich Kisten voller Feuersteine, Hirschgeweihe und Pyritknollen. Auf dem Tisch liegen Pfeile, Beilrohlinge und eine Schublade mit Bernstein. Nur einen Computer gibt es nicht. Auch wenn Paulsen behauptet, mit 62 Jahren die "Knackigkeitsgrenze" überschritten zu haben, steigt er flink auf einen wackligen Stuhl und schließt die Dachluke. "Ich bin weder Professor noch ein Herr Doktor", sagt er, "wohl aber ein geschätzter Steinzeit-Spezialist in Europa."

Als solcher ist Paulsen auch im Fernsehen gern gesehen. Am liebsten geht er zur Sendung mit der Maus und zu Löwenzahn . Als der SWR anfragte, zögerte er, weil er fürchtete, es würde eine Art Big-Brother-Dschungelcamp. Doch als sich zeigte, dass die Fernsehleute das Steinzeit-Experiment so wissenschaftlich wie möglich gestalteten, machte er mit und unterwies die Probe-Feuersteins im Steinzeit-Alltag. Er brachte ihnen das Einbaumfahren bei und das Feuermachen ("Nur vier Methoden!"). Als es dann ernst wurde, eilte er, wann immer etwas nicht klappte, als guter Geist der Steinzeit in das kleine Pfahlbaudorf unweit des Bodensees und erteilte Ratschläge. "Einen Kessel Würstchen mitbringen durfte ich allerdings nicht."

Als Kind entdeckt er im Konversationslexikon seiner Oma archäologische Schautafeln – und ist so begeistert, dass er gleich versucht, im Dorfteich einen Pfahlbau zu errichten. "Schon mit zwölf konnte ich aus Feuerstein Pfeilspitzen schlagen", erzählt er heute. "Ich hatte eine richtige Huckleberry-Finn-Kindheit." Trotzdem studiert er nicht Archäologie, sondern lernt Radartechniker als Brotberuf. Vergebens: Die archäologische Leidenschaft lässt ihn nicht los.

Er "schlürft" Bücher haufenweise in sich hinein, organisiert Grabungen, arbeitet ehrenamtlich für Museen. Dann macht ihm Schloss Gottorf ein Stellenangebot. "Als Autodidakt hatte ich es anfangs nicht leicht", erinnert sich Paulsen. Gerade in jenen Zeiten, als sich die Archäologie noch als Geisteswissenschaft definierte. "Untersuchen hieß da Länge, Dicke, Breite messen, Tabelle machen. Das interessierte mich aber gar nicht", schimpft er. "Ich will wissen: Warum ist das so? Ich bin neugierig. Ich will begreifen." Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes.

"Ich sage immer: Geist und Hammer gehören zusammen." Er will stets herauskriegen, wie etwas funktioniert. "Man hat mir die ›Flucht ins Manuelle‹ vorgeworfen", erzählt er. Einen Bogen aber nur vermessen, Alter und Holzart bestimmen und ab ins Depot – das ist ihm zu wenig. "Da fange ich erst an."