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Antikes Bordell Forscher restaurieren Pompejis Wandbild-Pornos

Sie lockten Kunden an und boten käuflichen Sex feil: Die Wandbilder im einzigen Bordell Pompejis wurden restauriert - zur Freude der Fremdenführer. Doch hinter den lasziv-erotischen Szenen erahnen Besucher den tristen Alltag antiker Sexarbeiterinnen.

"And look here, Lewinsky-Style ..." - Gekicher bei den amerikanischen Touristen. Wer jemals mit einer Besuchergruppe durch das Lupanare geführt worden ist, weiß warum die Fremdenführer von Pompeji am heutigen Freitag glücklich sind: Das Lupanare - das Bordell der verschütteten Stadt, der einzige zweifelsfrei identifizierbare Puff der Antike - wird wieder für den Besucherstrom freigegeben.

Über ein Jahr lang ist das zweigeschossige Haus für insgesamt 200.000 Euro renoviert worden. Vor allem die Fresken, Wandgemälde mit expliziten Darstellungen des Geschlechtsverkehrs, wurden dabei restauriert. Sie strahlen den Blicken der Besucherhorden nun wieder bunter und klarer entgegen.

"Wie ein Menu", pflegten die Fremdenführer dann zu sagen und überflüssigerweise aufzuzählen, was doch jeder auf den Bildern selbst sehen konnte: eine Prostituierte, die auf einem Kunden sitzt; ein braungebrannter Römer, der sich einer blassen Nackten nähert. Die Wandbilder im Lupanare zeigen das Programm, das hier bis zum Jahr 79 nach Christus angeboten wurde. Die Restauration sei abgeschlossen, die Bausubstanz sei überholt, teilte die örtliche Behörde für Altertümer mit. Damit wird das Lupanare bald wieder zu den meist besuchten Orten des an historisch interessanten und gut erhaltenen Stätten nicht eben armen Pompeji zählen.

Idealisierte Fresken und trister Alltag im antiken Bordell

Das Bordell ist auch als Lupanar des Africanus bekannt. Ausgegraben wurde es im Jahr 1862. Es besteht aus zwei Stockwerken mit je fünf Zimmern und einer Latrine. In den Räumen gibt es Steinbetten, auf die einst Matratzen aufgelegt wurden. Das obere Stockwerk war besser ausgestattet und wahrscheinlich den wohlhabenderen Kunden vorbehalten.

"Die Legende, dass Pompeji eine wollüstige Stadt war, ist wahr und falsch zugleich", sagte der Chefarchäologe Pietro Giovanni Guzzo. "Es hat ausreichend Gelegenheit für sexuelle Betätigung gegeben", sagte er, "aber die Prostitution selbst war auf einen Ort beschränkt." Das Lupanar sei das einzige Gebäude gewesen, das diesen Berufszweig beherbergt habe.

Zu glauben, die freizügigen Fresken zeigten den antiken Alltag, ist jedoch etwa so naiv, wie moderne pornografische Darstellungen als Abbild der Realität misszuverstehen. In beiden Fällen handelt es sich um Idealisierungen. Das tägliche Geschäft im Lupanar des Africanus dürfte bei weitem hinter den lasziven, sinnlichen Wandbildern zurückgeblieben sein. Sie waren schlicht Werbung - angebracht über den Türstürzen der einzelnen Räume des Hauses.

Diese fensterlosen Kammern der Prostituierten waren nur durch Vorhänge vom Vorraum abgetrennt. Archäologen fanden Reibespuren auf den Steinblöcken, die davon zeugten, dass Kunden während des Besuchs nicht einmal ihre Sandalen ausgezogen hatten.

"Ein 'Eros-Center', das in seiner architektonisch funktionalen Schlichtheit alles andere als einladend wirkt! Tatsächlich war das Freudenhaus von einem ausgesprochen freudlosen Ambiente geprägt", resümmierte "Abenteuer Archäologie" nüchtern, was Forscher über das Bordell wissen. "Kultivierte Freude jedenfalls konnten die engen, ungemütlichen, muffigen, von Kerzenrauch verrußten Kammern keineswegs verströmen."

Schnelle Nummer für zwei Laib Brot

Nein, das Lupanar hatte nichts von einem Nobelpuff, wie angesichts der Fresken immer wieder kolportiert wird. Archäologische Funde zeugen vom schnellen Geschäft an der belebten Straßenecke. Freier kritzelten Notizen an die Wände des Hauses. So können die Forscher auch die Preise rekonstruieren. In Pompeji kostete käuflicher Sex oft nicht mehr als zwei Laibe Brot oder ein halber Liter Wein. Das Geld wurde vom Besitzer des Bordells einkassiert.

So offenbart das Lupanar einen Blick in die ökonomische Situation Pompejis - und auch vieler anderer römischer Städte im ersten Jahrhundert nach Christus: Prostitution war gesellschaftlich akzeptiert und galt auch nicht als Ehebruch, der unter Strafe stand. Auch Wenigverdiener und selbst Sklaven mit schmalem Taschengeld konnten sich den Bordellbesuch leisten.

Die Prostituierten im alten Pompeji waren zumeist Sklavinnen griechischer oder orientalischer Herkunft. Doch das ist nur eine Erklärung für den geringen Preis für die Sexarbeit: Auch freigelassene Sklavinnen blieben häufig im Gewerbe - sie hatten keine Ausbildung und damit auch keine Alternativen. Ebenso haben frei geborene Frauen ihre Körper verkauft - insgesamt ein übergroßes Angebot.

Eine Zote, die kein Fremdenführer auslässt

Im Jahr 79 nach Christus wurde Pompeji durch einen Ausbruch des Vulkans Vesuv verschüttet. Im 18. Jahrhundert wurde die Stadt im Golf von Neapel wiederentdeckt - und zeigt Forschern einen Einblick in den römischen Alltag. Beschrieben wurde die Katastrophe durch den römischen Schriftsteller Plinius den Jüngeren, dessen Onkel durch die glutheißen Gaswolken und den darauffolgenden Ascheregen ums Leben kam. Die Stadt hatte zu diesem Zeitpunkt rund 30.000 Einwohner.

Mittlerweile haben Forscher auch die Spuren von Vesuv-Ausbrüchen gefunden, die viel weiter gereicht haben - einmal soll der Vulkan gar bis Neapel gespuckt haben.

Beim Rundgang durch das Lupanar versäumt es kein Fremdenführer, auf die Zote hinzuweisen, die im Namen des antiken Bordells offenbar wird: Der Name Lupanare ist abgeleitet von Lupa (Wölfin), einem derben lateinischen Ausdruck für Prostituierte. Diese etymologische Herkunft ist zumindest irritierend, wurden doch Romulus und Remus der Sage nach von einer Wölfin großgezogen, bevor sie die Stadt am Tiber gründeten.

stx/AP

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