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Ausgrabungen Pyrene, im Land der Kelten

Auf dem Grabungsgelände der Heuneburg lüften Archäologen Geheimnisse der alten Kelten: Totenbeigaben aus Gold erzählen von Reichtum, Gebäudereste verraten, wo sich Siedlungen gebildet hatten. Jetzt machten Forscher jedoch eine erstaunliche Entdeckung.
Von Klaus-Dieter Linsmeier

Wer Kelten-Archäologie betreibt, muss wetterfest sein. Die Wolken hängen tief über dem Grabungsgelände an der Heuneburg, die sich am Rand der Schwäbischen Alb unter dem Wind duckt. An schönen Tagen kann man von der rekonstruierten Burgmauer weit über das Land bis zu den Alpen blicken. Doch bei meinem Besuch im August 2006 heißt es für Forscher und Helfer: rein in die Gummistiefel und warm anziehen. Und darauf hoffen, dass sich der Arbeitsplatz nicht in ein Schlammloch verwandelt.

Die Kelten, die um 650 v. Chr. den Hügelsporn sechzig Meter über der Donau in Besitz nahmen, dürften es ein wenig besser gehabt haben. "Überall in den Mittelgebirgen entstanden Höhensiedlungen, und ein Grund dafür war eine leichte Warmphase", erklärt Dirk Krausse, Koordinator des Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu frühkeltischen Fürstensitzen und Zentralorten. Grönländische Eisbohrkerne, in denen die Atmosphäre der Vergangenheit quasi eingefroren ist, belegen diese Klimaerwärmung. Pollenprofile aus Seesedimenten der Eifelmaare wiederum beweisen, dass im 7. Jahrhundert v. Chr. unwirtliche Regionen Mitteleuropas im großen Stil gerodet wurden. Dichter Wald musste einer von Äckern und Weiden geprägten Siedlungslandschaft weichen.

Die technische Voraussetzung hatten die frühen Kelten längst entdeckt: das Eisen. Ein Beil mit eiserner Schneide fällt Bäume effektiver als eines aus Bronze; eine eiserne Pflugschar bearbeitet auch schwere Böden. Außerdem benötigten Bronzegießer Kupfer und Zinn – beides war nur über den Fernhandel zu beziehen. Eisenerz hingegen gab es in der näheren Umgebung.

Und dann wäre da noch der soziale Aspekt, meint Krausse: "Solche Neugründungen waren ohne Stammesführer nicht denkbar. Jemand musste das neue Gemeinwesen organisieren, Regeln aufstellen, für Frieden sorgen." Dass es diese Menschen gab, beweisen Hügelgräber. Schon im 8. Jahrhundert v. Chr. , der frühen Hallstattzeit, wurden hochstehende Personen darin mit Keramikgeschirr, Schmuck, eisernen Waffen und anderen Gerätschaften beigesetzt. Bauern oder Handwerker waren diese Toten sicher nicht gewesen.

Das gilt erst recht für jene Verstorbenen, die in der späten Hallstattzeit, während der auch die Heuneburg entstand, mit vierrädrigen Wagen und kostbaren bronzenen Gefäßen ihre letzte Reise antraten. Der Archäologe Eduard Paulus, der 1876 Hügelgräber vor der Burg erforschte, sprach deshalb von Fürstengräbern, auf dem Geländesporn vermutete er den einstigen Herrschersitz.

Er wäre vermutlich enttäuscht gewesen, hätte er die erste Heuneburg gesehen: Eine etwa drei Hektar große Fläche, nur locker bebaut, umgeben von einer Mauer aus erdgefüllten Holzkästen. Ob sich die beiden bis zu vier Meter tiefen Gräben, die heute den Parkplatz vom Freilichtmuseum abgrenzen, schon damals um das Plateau zogen, lässt sich derzeit noch nicht beantworten. In den 1950er und 1960er Jahren wandelten Tübinger Archäologen auf Paulus’ Spuren und untersuchten auch noch einmal die Nekropole.

Siedlungsreste überall

Dabei kamen unter den Hügeln Reste einer Siedlung zum Vorschein, die fortan als "Außensiedlung" klein und unscheinbar auf Karten eingetragen wurde; achthundert Meter donauwärts kam eine "Südsiedlung" hinzu. Es fanden sich Hinweise im Umkreis der Burg, Scherben, Schlackenreste und anderes mehr, doch bis vor wenigen Jahren schien die Vorstellung einer womöglich dichten Besiedlung mit Hunderten von Menschen in vorgeschichtlichen Zeiten absurd.

Inzwischen hat sich das gründlich geändert. Außen- und Südsiedlung gehörten wahrscheinlich zusammen und umfassten mindestens fünfzig, vielleicht sogar hundert Hektar. "Wo immer wir suchen, finden wir Reste einer Siedlung", erklärt der Tübinger Archäologe Siegfried Kurz.

Der Forscher hat mit seinem Team auch die Bebauung erkundet und fand Erstaunliches. Pfostenlöcher und kleine Gräben umschreiben rechteckige Areale von etwa achtzig mal hundert Metern, darin das Haupthaus, ein Speicher und ein Nebengebäude, ansonsten viel freie Fläche für Äcker oder Weiden. Das entspricht dem Muster keltischer Gehöfte – die Burg war von Bauernhöfen umgeben, jeder etwas mehr als einen Hektar groß.

Auf diesen Parzellen lebten mindestens drei Generationen – Eltern mit zwei bis drei Kindern und deren Großeltern. Das ergibt in der Frühphase schon einige hundert Menschen auf dem Geländerücken über der Donau. Menschen, die einsame Gehöfte und Weiler verlassen hatten. Zudem: Ein Hektar Ackerland ernährt selbst mit heutigen Hochleistungsgetreiden keine drei Personen. Man war also auf Lebensmittel aus dem Umland angewiesen, das musste ebenso organisiert werden wie das ungewohnte Miteinander. Wie fremd die Wohnsituation vielen erschienen sein muss, verdeutlichen wieder die Pfostenlöcher. Sie waren nicht Teil von Zäunen, sondern von Palisaden.

Wer auf dem Donauradweg an Herbertingen-Hundersingen vorbeikommt, sollte das Heuneburg-Freilichtmuseum besuchen, aber auch dem Archäologielehrpfad in den Wald folgen. Etwa drei Kilometer von der Burg entfernt liegt der Hohmichele, der größte Grabhügel (fachlich Tumulus) nördlich der Alpen. Dort waren ebenfalls Tübinger Archäologen am Werk gewesen.

Das zentrale Grab hatten Räuber zwar schon in ferner Vergangenheit geplündert, doch nachfolgende Beisetzungen waren zum Teil noch erhalten, die Baugeschichte des Tumulus ließ sich rekonstruieren. Demnach war er mit jeder Bestattung von ursprünglich etwa vier auf 13,5 Meter gewachsen. Auf diese Höhe wurde das Mausoleum wieder aufgeschüttet, seine Kuppe mit einem Ring aus Eichen bepflanzt. Wer dort oben steht und sich auf die besondere Atmosphäre einlässt, den umweht der Atem der Geschichte. Um den Hohmichele liegen einige kleinere Grabhügel. Auch wenn es sich nicht beweisen lässt: Die Vermutung liegt nahe, dass dort der Heuneburggründer zu Grabe getragen wurde.

Doch falls das so war, warum ließ sich der Fürst nicht näher an seiner Burg beisetzen? Siegfried Kurz ist das Gebiet um die Heuneburg im Lauf der Jahre systematisch abgegangen, hat Scherben und andere Zeichen einstiger Siedlungen an der Oberfläche notiert. Und tatsächlich, wo immer eine Nekropole sich erhob, war einst ein Dorf nicht weit. Das galt auch für den Hohmichele. War dies ein Ausdruck der Treue zum Heimatdorf? Auch andere Fürstengräber der Hallstattzeit bestätigen das Muster: Die Grablege befand sich im Tal, oft einige Kilometer vom Herrschersitz entfernt. Und wie am Hohmichele kamen immer wieder Stoffreste zu Tage. Die Toten und deren Beigaben wurden also vermutlich in Tücher gehüllt. Der Nachbau einer derart ausgestatteten Gabkammer ist ein Highlight im Keltenmuseum von Hundersingen.

Etwa fünfzig Jahre nach der Gründung, also um 600 v. Chr., tat sich etwas auf der Heuneburg. Die lockere Bebauung wich einer Vielzahl kleiner Häuser, durch enge Gassen voneinander abgetrennt. Und statt der Holz-Erde-Mauer krönte nun eine Konstruktion das Burgplateau, die im Mittelmeerraum üblich, nördlich der Alpen aber ungewöhnlich war: Auf einem vor Feuchtigkeit schützenden Sockel aus Kalksteinen erhob sich eine etwa vier Meter hohe Mauer aus luftgetrockneten Lehmziegeln. Einige davon wurden bei der Ausgrabung gefunden, sie hatten die Jahrtausende unversehrt überstanden.

Die Archäologin Sabine Hagmann, Leiterin des Heuneburgmuseums, schätzt die Länge der Wehrmauer auf 750 Meter, die Zahl der erforderlichen Ziegel auf gut eine halbe Million. "Als wir das etwa achtzig Meter lange Teilstück nachbauten, wollten wir natürlich alles von Hand herstellen. Wir holten Lehm von der Donau, füllten ihn in Holzrahmen und ließen die Ziegel an der Luft trocknen. Und haben dann aber ganz schnell beschlossen, industrielle Produkte Marke ›Biologisches Bauen‹ zu verwenden." Hagman wundert auch, wie es möglich war, dort eine Million Ziegel an der Luft auszuhärten. "Vielleicht gab es ja eine Art Trocknungsanlage!"

Auch Reste einer Lehmputzschicht kamen zum Vorschein, mehrere Zentimeter dick – ein Hinweis auf regelmäßige Erneuerung. Sicher bot ein Dach den auf dem Wehrgang patrouillierenden Wachen Schutz vor Regen, doch davon blieben keine Spuren. Bekannt sind aber Zapfenverbindungen von keltischen Grabeinbauten. Daran orientierten sich Schreiner und Zimmerleute bei der Rekonstruktion.

Dass ihre prähistorischen Kollegen diese Technik gut kannten, bestätigte im Jahr 2004 ein Überraschungsfund: Ein Schnitt durch den Burggraben auf der Donauseite brachte Balken und Bretter zum Vorschein, die jahrhundertelang im Wasser, also unter Luftabschluss, gelegen hatten und deshalb nicht verrottet waren. Einige davon verbanden einst Zapfen mit anderen Balken. "Vermutlich überspannte damals eine Brücke den Graben", erklärt Jörg Bofinger, bis Mitte diesen Jahres einer der Grabungsleiter. "Von dort aus ging es dann über eine Terrasse im Hang zum so genannten Donautor in der Wehrmauer." Dessen Nachbau verlangte den Zimmerleuten einiges ab – jeder der hölzernen Türflügel wiegt fast eine halbe Tonne.

Unter den Besuchern dürften Händler gewesen sein, wohl auch Gesandte ferner Herrscher. Denn nicht nur die Lehmziegelbauweise bezeugt gute Beziehungen der Donaufürsten zum Mittelmeerraum. Zum Beispiel stammen einige der Fibeln genannten Gewandspangen dem Stil nach aus Norditalien oder imitierten solche Vorbilder. Einzigartig ist das Fragment eines Bronzespiegels. Arsen war auf das Metall aufgedampft worden, um das Reflexionsvermögen zu erhöhen, eine im griechischen Raum gebräuchliche Technik der Oberflächenvergütung. Vermutlich waren griechische Produkte vom Mittelmeerhafen Massalia (dem heutigen Marseille) über die Rhône und Saône verschifft und dann über Land weitertransportiert worden. Eine andere Route hätte vom Schwarzen Meer aus auf der Donau entlang geführt. Etruskische und italische Produkte gelangten über Alpenpässe nach Mitteleuropa.

Zu einem guten Geschäft gehören immer zwei. Was also hatte die Heuneburg anzubieten? Hier können die Forscher nur spekulieren. Den Funden nach waren im Burgbereich wie in der Außensiedlung viele Handwerker vertreten, darunter Weber, Eisenverarbeiter und Bronzegießer. Doch was hätte einen Kaufmann interessiert, der den Mittelmeerraum belieferte? Die Archäologen entdeckten Bernstein von der Ostsee und – britisches Zinn. Möglicherweise war die Keltensiedlung ein Umschlagplatz für das seltene Legierungselement der Bronze.

Vieles spricht dafür, dass die Heuneburg innerhalb der frühen Hallstattkultur eine führende Rolle einnahm. Auch wenn streitbare Althistoriker wie der Tübinger Frank Kolb eine solche Titulierung vehement ablehnen, sprechen einige Forscher doch vorsichtig von der ersten stadtähnlichen Siedlung Mitteleuropas. Hat Herodot womöglich die Heuneburg gemeint, als er im 5. Jahrhundert v. Chr. schrieb: "Denn der Istros – das war die Donau – entspringt bei den Kelten und der Stadt Pyrene." Vermutlich kannte er die Heuneburg nur vom Hörensagen, was die kleine Ungenauigkeit bezüglich der Donauquelle erklärt, aber auch zur Skepsis mahnt.

Zumal schon vor seiner Zeit, Mitte des 6. Jahrhunderts, Zerstörung und Veränderung über den Fürstensitz hereinbrachen. Die Lehmziegelmauer brannte nieder und wurde nicht wieder aufgebaut. In den Brandschichten steckten Waffen wie Pfeil- und Lanzenspitzen oder Schleudersteine. Eine wenig spektakuläre Holz-Erde-Mauer schützte fortan das Plateau, das nur noch locker bebaut war, die Außensiedlung verschwand. Ungefähr zur gleichen Zeit gewannen die Stammesführer vom Fürstensitz auf dem Hohenasperg an Bedeutung, das verraten Grabhügel in desssen Umfeld wie das des "Fürsten von Hochdorf". Hatten sich also die Machtverhältnisse im Keltenland verschoben und den Herrn der Heuneburg zum Vasallen degradiert?

Invasion oder Umsturz?

Jörg Bofinger ist skeptisch: "Dort standen Holzhäuser dicht an dicht und in jedem loderten offene Feuer. Eine gewaltsame Auseinandersetzung ist sicher nicht die einzig mögliche Erklärung für die Brandschicht." Und Dirk Krausse ergänzt: "Warum errichtete man gerade jetzt einen zusätzlichen Wall um den Burgberg und davor vier große Hügelgräber? Warum gab es nun attische Keramik und etruskische Bronzegefäße, also teure Importwaren? Das spricht gegen einen Bedeutungsverlust."

Es lässt sich trefflich spekulieren, wie Brandschicht und Waffenfunde auch anders zu erklären seien: Das Volk könnte sich gegen einen unfähigen Herrscher erhoben oder ein Rivale innerhalb der Elite die Macht an sich gerissen haben. Letzteres wäre eine – freilich immer noch spekulative – Erklärung dafür, warum mit den neuen Grabhügeln vor der Burg die großen im Umfeld nicht weiter genutzt wurden. Vielleicht bewohnten die zugehörigen Familien nun den Herrschersitz? Die Nekropole vor dem Wall war eine neue Form, Macht zu präsentieren.

Demnach sprechen die Forscher seit Paulus wohl zu Recht von "Fürsten", einem Begriff, der gesellschaftliche Stellung durch Abkunft, nicht durch Leistung suggeriert. Entwickelten sich also regelrechte Dynastien, die ihren Rang vererbten? Diese Frage lässt sich zwar nicht schlüssig beantworten, doch ein Zufallsfund unterstreicht die Bedeutung der familiären Herkunft. Als Siegfried Kurz im letzten Jahr ein Maisfeld unterhalb der Burg abging, leuchtete ihm Metall entgegen. Was er zunächst für einen Kronkorken hielt, entpuppte sich als goldene Fibel. Eine Grabung brachte noch mehr kostbaren Schmuck zu Tage, aber auch Bruchstücke von Zähnen eines zwei- bis vierjährigen Mädchens. Es hatte sich den Luxus nicht verdienen müssen, sondern war reich geboren worden.

In jeder Krimiserie ist es heute gang und gäbe, verwandtschaftliche Beziehungen anhand von DNA-Analysen zu erkunden. Warum sollte es also nicht möglich sein herauszufinden, ob die verschiedenen Keltenfürsten miteinander verbandelt waren? Skelettreste haben sich zumindest aus der späten Phase der Hallstattkultur durchaus erhalten, Experten nahmen so genannte mitochondriale DNA-Proben. Leider musste dieses Projekt aus Kostengründen wieder aufgegeben werden. Immerhin deuteten erste Ergebnisse tatsächlich auf eine gemeinsame mütterliche Linie zwischen den Mächtigen von Hochdorf und denen vom Hohenasperg hin, während eine solche Verwandtschaft mit den Fürsten der Heuneburg wohl auszuschließen ist.

Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. verschoben sich die Machtverhältnisse nachhaltig. Neue Herrschersitze entstanden, nun aber in einem Streifen, der nördlicher lag und sich von Mittelrhein und Mosel bis in die heutige Champagne erstreckte. Manche davon werden derzeit systematisch untersucht wie der Ipf am Nördlinger Ries, andere haben schon Furore gemacht wie der Glauberg in Hessen mit seiner berühmten Nekropole. Ein Hügelgrab, umgeben von einem Graben, eine mehrere hundert Meter lange "Prozessionsstraße", dazu die bekannte Sandsteinstatue, die wahrscheinlich den Verstorbenen darstellt – alles spricht dafür, dass dort ein Ahnenkult in großem Stil betrieben wurde. Nirgends sonst wird die Religion der frühen Kelten so fassbar wie am Glauberg. Denn eigens errichtete Heiligtümer waren in der Hallstattzeit unüblich, man opferte höheren Mächten in Höhlen und an ungewöhnlichen Felsformationen.

Um 400 v. Chr. brach dann eine neue Zeit an, die nach einem Fundort am Neuenburger See Latène genannt wird. Jetzt erst erscheinen jene Kelten, die antike Autoren so eindringlich beschrieben haben: schreckliche Krieger, die bis nach Kleinasien zogen und die dem römischen Feldherrn Gaius Iulius Caesar in Gallien Paroli boten, Menschen opfernde Druiden und grausig anzusehende Götterbilder. Hallstatt- und Latènekultur unterscheiden sich derart, dass schon der Verdacht geäußert wurde, sie hätten nichts miteinander gemein. Dagegen sprechen aber Gräber, deren Beigaben eine Phase des Übergangs belegen, wie zum Beispiel das Grab der keltischen Prinzessin von Vix in Burgund und das benachbart gelegene kleine Heiligtum.

Doch wann wurde die Heuneburg endgültig aufgegeben? Darüber diskutieren die Experten, denn scheinbar widersprechen die Befunde einander. So wurden bislang 14 Bauphasen der Burg bestimmt, Siegfried Kurz leitet daraus eine "Betriebsdauer" von etwa 150 Jahren ab: Eine Siedlungsschicht entsteht infolge von Neubauten. Ein Haus aus Eichenholz ist aber im Mittel erst nach 15 Jahren auf Grund von Fäulnis nicht mehr benutzbar. Einige der Siedlungsphasen dürften allerdings kürzer gewesen sein, da Brände und weicheres Bauholz die Standzeit der Gebäude verkürzten. Alles in allem wäre die Heuneburg demnach erst um etwa 400 v. Chr. verlassen worden.

Krausse und Bofinger datieren ihre jüngsten Schichten aber anhand von Importwaren aus dem Mittelmeerraum auf 470/460 v. Chr. (besonders attische Keramik bietet eine sehr genaue und etablierte Chronologie). Zu dieser Annahme passt ein Grab in Hallein bei Salzburg, dessen Fußzierfibeln Heuneburgfunden ähneln und dessen hölzerne Einbauten dendrochronologisch auf 464 v. Chr. datiert wurden. Jörg Biel vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, Leiter der Heuneburg-Grabungen, hält es deshalb für möglich, dass die Einteilung in 14 Siedlungsschichten überdacht werden muss. "In jedem Fall benötigen wir mehr Daten, sonst ist das alles zu spekulativ."

Der Geländesporn nahe der Schwäbischen Alb gibt also noch so manches Rätsel auf. Doch für diesen Tag ist es genug, Dauerregen zwingt das Forscherteam ins Grabungshaus. Im Aufenthaltsraum riecht es nach feuchter Erde und kaltem Zigarettenrauch. Während Fundgut – Scherben und Knochen – vorsichtig mit Zahnbürsten gesäubert werden, diskutiert man über die Reste eines Kuppelofens, der im Bereich der Toranlage zum Vorschein kam. Darüber, ob man seine Mauern abbauen soll, um ältere Schichten zu erreichen – die Gemeinde Hundersingen möchte die Anlage aber als weitere Museumsattraktion erhalten. Fast noch interessanter ist aber die Frage, was an diesem Abend auf den Tisch kommen soll – der Tag war anstrengend. Jeder hofft auf besseres Wetter, schließlich soll die Grabung noch eine Weile weitergehen. Es gibt einfach zu viele offene Fragen.