Ralf Schmitz erinnert sich noch genau an den Tag, an dem er den Frevel beging. An diesem Morgen im Sommer 1996 entriegelte der Vorgeschichtsforscher einen massiven Stahlschrank, zog einen der kostbarsten Kulturschätze Deutschlands heraus und befahl der Präparatorin Heike Krainitzki, das Kleinod auseinander zu sägen.

Ein "ziemlich eigenartiges Gefühl" habe ihn beschlichen, gesteht Schmitz, als sich Krainitzkis sterilisierte Goldschmiedesäge in den fossilen Neandertaler-Knochen fraß. "Das Stück ist schließlich eine Ikone der deutschen Archäologie." Er selbst, berichtet Schmitz, habe den herausgetrennten Block in ein keimfreies Plastikröhrchen gesteckt, eigenhändig im Auto nach München gefahren und dem Molekulargenetiker Svante Pääbo zur Prüfung übergeben. Zwölf Monate später, im Juli 1997, meldete das Fachblatt Cell eine Sensation auf der Titelseite: "Neandertals not our ancestors". Nach Pääbos Erbanalyse waren die Neandertaler, jenes rätselhafte Volk europäischer Ureinwohner, nicht etwa unsere Vorfahren, sondern bestenfalls entfernte Verwandte.