Das "leere Viertel" heißt die Wüste, an deren südwestlichem Rand die jemenitische Provinz Marib liegt. Doch der Name trügt. Denn im sandigen Boden liegt ein sagenumwobener Schatz begraben – die fast drei Jahrtausende alte Hauptstadt des Sabäerreiches. Weit über Arabien hinaus ging die Kunde vom Prunk und Reichtum dieser Hochkultur. Der griechische Geschichtsschreiber Diodor schwärmt von "Ruhebetten mit silbernen Füßen" und "sonstigem Hausrat von unvorstellbarer Kostbarkeit". Die Bibel und der Koran erzählen von einer weisen Königin, die Saba regierte. Und in der Vorstellung der Römer, die an der Eroberung dieses Reiches scheiterten, wurde das wundersame Land zum "Arabia Felix", dem glücklichen Arabien.

Doch wie war das Leben wirklich in Sabas alter Hauptstadt? Wie organisierten die Sabäer etwa den einträglichen Weihrauchhandel? Und regierte im Palast von Marib tatsächlich eine Frau? Bei der Beantwortung solcher Fragen steht die Forschung noch ganz am Anfang. Aufschluss erhoffen sich die Archäologen von Ausgrabungen der Stadt im Sand. Unter den Ruinen von 200 Jahre alten Lehmhäusern liegt eine der letzten unberührten Metropolen der Antike verschüttet. Magnetbilder und Bohrungen zeigen Stadttore, Tempel und Wohnviertel mit engen Gassen – unter bis zu 20 Meter hohen Schuttschichten, auf einer Fläche von 110 Hektar, umgeben von einer 4,5 Kilometer langen Mauer.

"Seit dreißig Jahren graben wir um den heißen Brei herum"

Das Deutsche Archäologische Institut (DAI) hat seit fünf Jahren die Lizenz zur Grabung – ausgestellt von der Antikenbehörde in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa. Doch in der Provinz, die von mit Kalaschnikow und Krummdolch bewaffneten Stammeskriegern regiert wird, ist das Papier nicht allzu viel wert. Denn die Stämme lassen sich vom Staat nicht reinreden. Liegt ein Clan im Clinch mit der Regierung in Sanaa, dann schrecken einige Stammesleute selbst vor Entführungen nicht zurück – wie zuletzt im Winter, als neun europäische Touristen als Faustpfand herhalten mussten. Daher ist es kein Wunder, dass auch die Archäologen ihre liebe Mühe haben.

"Seit 30 Jahren graben wir um den heißen Brei herum", klagt Iris Gerlach, die Leiterin der Außenstelle des DAI in Sanaa. "Wir haben die Tempelanlagen und die sabäischen Bestattungssitten erforscht, wir haben in der Oase von Marib weitläufige Geländebegehungen gemacht. Wirtschaftsstrukturen, Staudämme, Felderwirtschaft, ganz frühe Siedlungen, bronzezeitliche Gräber – das alles haben wir erforscht." Nur für das Gebiet des antiken Zentrums an der Weihrauchstraße fehlt die Zustimmung der Scheichs, ohne die sich kein Grabungshelfer an die Schaufel wagt.

Erst der tribale Ehrenkodex erlaubt es den Archäologen überhaupt, Sanaa in Richtung der östlichen Stammesgebiete zu verlassen: Hat ein Scheich nämlich seine Zustimmung gegeben, dann haftet sein ganzer Stamm für die Sicherheit der Gäste auf dem eigenen Territorium – das ist viel verlässlicher als der Schutz durch die staatlichen Sicherheitskräfte, die die Touristenpolizei mitschickt, wenn Urlauber in Jeeps die Gegend besuchen.

Seit sie ihre Arbeit im Jemen 1976 aufgenommen haben, vertrauen die deutschen Wissenschaftler auf den Schutz der stolzen Stammesleute. Noch keinem von ihnen wurde auch nur ein Haar gekrümmt. Manche Stammesführer pokern jedoch hoch um die Garantien für die Forscher. Die Aschraf, die das Gebiet des antiken Maribs für sich beanspruchen, wollen hundert ihrer Leute als Wächter für das Grabungsgelände eingestellt wissen, bevor die Arbeiten auf ihrem Grund und Boden beginnen. Eine Anstellung auf Lebenszeit, versteht sich, und ohne die Verpflichtung, tatsächlich Dienst zu leisten. Dass das Eigentum an archäologischen Stätten laut Gesetz an den Staat übergeht, kümmert die widerspenstigen Clanführer nur wenig. Auch sie müssen sich in ihrem Verbund behaupten, möglichst viel für die verarmte Region herausschlagen. Und wer weiß, ob diese Ausländer in Wahrheit vielleicht nicht doch nach Gold graben und am Ende mit riesigen Reichtümern nach Hause fahren?