Wenn Lernen zum Be-greifen wird

Schülerinnen und Schüler betätigen sich als Nachwuchs-Archäologen

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Archäologie & Gesellschaft

Bis Anfang August konnten Schulkinder auf einer archäologischen Notbergung im bayerischen Altenburg mitarbeiten. Ganz direkt lernten sie dabei die praktische Arbeit bei einer Ausgrabung kennen.

Alina von der 4a benennt ohne Umschweife, was der Fachmann mit „archäologischer Rettungsgrabung“ bezeichnet: „Mir dean Knochen ausbuddeln.“ Und zwar in Altdorf bei Landshut, wo seit vergangenen Herbst auf einer Wiese, die später unter der Teerdecke einer Umgehungsstraße verschwinden wird, örtliche Archäologen in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege jungsteinzeitliche Relikte freilegen. Bundesweit bekannt geworden ist beispielsweise das bestens erhaltene Skelett aus einem 4500 Jahre alten Grab der Schnurkeramiker-Kultur.

Mehrere Wochen durften auch Schülerinnen und Schüler unter der fachkundigen Aufsicht der Grabungsleiterin Monika Weigl mitgraben. Ein besonderer Unterricht, bei dem zum Lernen auch das Begreifen kommt, das buchstäbliche Be-greifen. Und so haben sich schon mehrere Schulklassen als Nachwuchs-Archäologen durch den Lößboden geklaubt oder die Erde Zentimeter um Zentimeter abgezogen.

„I nimm einfach a Handvoll Erde und schau, ob do irgendwos drin is“, sagt ein Schüler von der Altdorfer 4a. Er sitzt zusammen mit sechs anderen unterm Sonnenschirm und zerbröselt die Erde von einer in die andere Hand. „Holzkohle ham ma scho gfundn, Knochan, Keramik, a Knochenperle aa. Und Feuersteine!“ berichten die Schülerinnen und Schüler aufgeregt.

Weiter vorne stochern Klassenkameraden mit Spachteln vorsichtig in den dunkel verfärbten Ring, der sich rund um das steinzeitliche Grab zieht. „Den grabts iatz ganz vorsichtig ungefähr 25 Zentimeter tief aus“, gibt Monika Weigl den Arbeitsauftrag, „do kaanntn Kohlereste oder Scherben drin sein.“ Julia steuert unterdessen mit einem Reißnagel großen Fitzelchen im Handteller auf die Grabungsleiterin zu: „Frau Weigl, is des a Knochenstück?“ „Genau, des is a Stückl von am verbrannten Knochen, des kaannt a Schweins- oder a Giggalhaxn gwesn sei, des hams in Abfall gschmissn, und ihr habts es jetzt wieder gfundn, nach 4000 Jahr.“ Monika Weigl bescheinigt dem archäologischen Nachwuchs „absolut gewissenhaftes Arbeiten“. Damit ist der Unterricht zugleich wissenschaftlicher Dienst.

Die Schülerinnen und Schüler der 4a sind sich dessen durchaus bewusst und darum mit höchstem Eifer bei der Sache. Damit ist genau jenes Ziel erreicht, das die Gesellschaft für Archäologie in Bayern im letzten Jahr in ihrer Weißenburger Erklärung zusammen mit Pädagogen und Museumsfachleuten sowie mit Unterstützung des Kultusministeriums formuliert hat: Schule und Archäologie sollen stärker zusammenarbeiten, die spannende und praktische Arbeit, welche die Archäologie zu bieten hat, in den Unterricht integrieren. Anette Lainer, Klassleiterin der Altdorfer 4a, bestätigt den Erfolg dieses Konzeptes: „Ich denke, dass das die Sachen sind, die wirklich bleiben, das sind die Erinnerungen an die Grundschule! Manch einer, der irgendwann einmal auf dieser Straße vorbeifährt, wird sich daran erinnern, wie er hier einst bei großer Hitze gebuddelt hat.“

Alina blickt kurz auf von dem Häuflein Erde, das sie durchklaubt: „Es is hoit aufregend, wenn ma dann wos findt, wos Oids, und vielleicht irgendwos, wos ma no gar net kennt.“ Eigentlich wäre jetzt Pause – aber da hat im Moment keiner so recht Zeit dazu ...